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Transaktionen

0825 - MCH Group AG

Verfügung 825/01 vom 27. Juli 2022

Gesuch der MCH Group AG, des Kantons Basel-Stadt und der Lupa Investment Holdings, LP betreffend das Nichtbestehen einer Angebotspflicht und die Gewährung einer Sanierungsausnahme von der Angebotspflicht betreffend die MCH Group AG  

A.
MCH Group AG (MCH Group) ist eine gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts gemäss Art. 762 OR mit Sitz in Basel (UID: CHE-105.825.066). Die MCH Group bezweckt in erster Linie den Erwerb, die Veräusserung und die Verwaltung von Beteiligungen und die Finanzierung von in- und ausländischen Unternehmen des Messe- und Kongressbereiches und verwandter Geschäftszweige sowie die Überwachung und Koordination solcher Beteiligungen. Durch Unternehmen, an denen die MCH Group beteiligt ist, sollen u.a. Messen, Kongresse und weitere Veranstaltungen namentlich in den vorhandenen Infrastrukturen an den Standorten Basel, Zürich und Lausanne sowie an anderen Orten im In- und Ausland durchgeführt werden. Das Aktienkapital der MCH Group beträgt zurzeit CHF 148'693'510 und ist eingeteilt in 14'869'351 Namenaktien zu je CHF 10 (die MCH-Aktien).

Die MCH-Aktien sind an der SIX Swiss Exchange (SIX) kotiert (ISIN: CH0039542854; Valorennummer: 3954285; Valorensymbol: MCHN). Die Statuten der MCH Group enthalten eine im Jahre 2020 eingeführte, formell selektive Opting up-Klausel zugunsten von Lupa Systems LLC, New York, USA, und den mit dieser in gemeinsamer Absprache handelnden Personen (das Opting up zugunsten von Lupa; § 5a der Statuten der MCH Group). Kein Opting up besteht zugunsten des Kantons Basel-Stadt.

B.
Gemäss der Datenbank der SIX Exchange Regulation betreffend bedeutende Aktionäre halten per 27. Juli 2022 folgende Aktionäre bedeutende Beteiligungen an der MCH Group:

    •  
Seit dem 23. Dezember 2020 hält die LLB Swiss Investment AG als wirtschaftlich berechtigte Person i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA einen Stimmrechtsanteil von 4.75% an der MCH Group.

    •  
Seit dem 22. Dezember 2020 halten Lupa Investment Trust, New York, USA, der Kanton Basel-Stadt, der Kanton Zürich, die Stadt Zürich und MCH Group als wirtschaftlich berechtigte Personen i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA zusammengerechnet einen Stimmrechtsanteil von 65.66% an der MCH Group.

    •  
Seit dem 9. September 2020 hält Aleks Rubin, New York, USA, als wirtschaftlich berechtigte Person i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA einen Stimmrechtsanteil von 4.02% an der MCH Group.

    •  
Seit dem 14. Oktober 2019 hält Joint Proficient Project Company Limited, Tortola, British Virgin Islands, als wirtschaftlich berechtigte Person i.S.v. Art. 10 Abs. 1 FinfraV-FINMA diverse Call-Optionen auf MCH-Aktien, was einem Stimmrechtsanteil von 3.73 % an der MCH Group entspricht.

 

C.
Im Detail halten die nachfolgenden Aktionäre per 27. Juli 2022 folgende Beteiligungen (vgl. die auf https://www.mch-group.com/investoren/aktionariat/ [zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022] abrufbaren Informationen):

    • Lupa Investment Holdings, LP, New York, USA (gemeinsam mit Lupa Systems LLC nachfolgend Lupa), hält 32.32% der Stimmrechte an der MCH Group.

    • Der Kanton Basel-Stadt hält 30.21% der Stimmrechte an der MCH Group.

    • Der Kanton Zürich hält 1.61% der Stimmrechte an der MCH Group.

    • Die Stadt Zürich hält 1.51% der Stimmrechte an der MCH Group (der Kanton Basel-Stadt, der Kanton Zürich und die Stadt Zürich nachfolgend gemeinsam die Aktionäre der öffentlichen Hand).

D.
Am 15. Juli 2022 reichten MCH Group, der Kanton Basel-Stadt und Lupa Investment Holdings, LP (zusammen die Gesuchsteller) ein Gesuch bei der Übernahmekommission (UEK) ein (das Gesuch) und stellten mit Blick auf die beabsichtige Kapitalerhöhung der MCH Group (die Transaktion) die folgenden Anträge:

"1. Es sei festzustellen, dass (i) durch die Durchführung der in diesem Gesuch beschriebenen Transaktion weder Lupa Investment Holdings, LP noch Lupa Systems LLC noch der Kanton Basel-Stadt noch die MCH Group AG im Hinblick auf die Beherrschung der MCH Group AG i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA handeln und (ii) die Durchführung der in diesem Gesuch beschriebenen Transaktion für Lupa Investment Holdings, LP, Lupa Systems LLC, den Kanton Basel-Stadt oder die MCH Group AG keine Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 FinfraG in Bezug auf die kotierten Beteiligungspapiere der MCH Group AG auslöst.

2. Es sei dem Kanton Basel-Stadt im Zusammenhang mit der in diesem Gesuch beschriebenen Transaktion eine Ausnahme gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG von der Angebotspflicht im Sinne von Art. 135 FinfraG in Bezug auf die kotierten Beteiligungspapiere der MCH Group AG ohne Auflagen zu gewähren.

3. Die Verfügung der Übernahmekommission sei in Absprache mit der MCH Group AG zu veröffentlichen."

Auf die wesentlichen Tatsachen und die Begründung der obigen Anträge wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.

E.
Die MCH Group erhielt ihre derzeitige Aktionärsstruktur im Wesentlichen im Zuge zweier Kapitalerhöhungen im Jahre 2020. Die UEK (vgl. Verfügung der UEK 765/01 vom 13. Juli 2020 in Sachen MCH Group AG [Verfügung 765/01] und Verfügung der UEK 765/02 vom 20. August 2020 in Sachen MCH Group AG [Verfügung 765/02]) und die FINMA (vgl. Verfügung der FINMA vom 16. Oktober 2020 in Sachen MCH Group AG [FINMA-Verfügung vom 16. Oktober 2020]) hatten sich mit diesen Vorgängen befasst.

F.
Der Verwaltungsrat der MCH Group besteht aus neun Mitgliedern. Sechs von ihnen wurden von der Generalversammlung gewählt, drei davon auf Vorschlag von Lupa. Zwei Mitglieder des Verwaltungsrats der MCH Group wurden vom Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt und ein Mitglied wurde vom Regierungsrat des Kantons Zürich und vom Stadtrat der Stadt Zürich gemeinsam bestimmt (Art. 762 Abs. 1 OR; § 22 Abs. 1 der Statuten der MCH). Die übrigen drei von der Generalversammlung gewählten Mitglieder des Verwaltungsrates sind gemäss den Angaben im Gesuch unabhängig.

G.
Die MCH Group, Lupa, die Aktionäre der öffentlichen Hand und der Kanton Basel-Landschaft schlossen am 9. Juli 2020 ein Relationship Agreement ab (das Relationship Agreement vom 9. Juli 2020). Dieses erhielt mit den Änderungen vom 26. November 2020 seine heute gültige Fassung (das Relationship Agreement vom 26. November 2020). Die Aktionäre der öffentlichen Hand traten dem Relationship Agreement lediglich hinsichtlich bestimmter Klauseln bei. Da der Kanton Basel-Landschaft keine MCH-Aktien mehr hält, ist er nicht mehr Partei des Relationship Agreement vom 26. November 2020.

H.
Die MCH Group beabsichtigt, im Hinblick auf die Transaktion mit dem Kanton Basel-Stadt und mit Lupa je ein separates Commitment Agreement abzuschliessen (gemeinsam die Commitment Agreements). Die Commitment Agreements sollen gegenseitig aufeinander bedingt sein.

I.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus der Präsidentin Mirjam Eggen, Jean-Luc Chenaux und Hans-Peter Wyss gebildet.

Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1.  Feststellungsinteresse

[1] Für Verfahren vor der UEK gelten unter Vorbehalt der Bestimmungen gemäss Art. 139 Abs. 2 – 5 FinfraG die Normen des VwVG (Art. 139 Abs. 1 FinfraG). Nach Art. 25 Abs. 1 VwVG kann über den Bestand, den Nichtbestand oder den Umfang öffentlich-rechtlicher Rechte oder Pflichten auf Begehren eine Feststellungsverfügung erlassen werden. Einem Begehren um Erlass einer solchen Verfügung ist gemäss Art. 25 Abs. 2 VwVG zu entsprechen, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Interesse daran nachweist. Gemäss Praxis ist ein übernahmerechtliches Feststellungsinteresse gegeben, wenn für den Gesuchsteller eine direkte und aktuelle Unklarheit über die Rechtslage besteht, die mittels einer Feststellungsverfügung geklärt werden kann (Verfügung 822/01 vom 14. Juli 2022 in Sachen Bobst Group SA, Rn 1; Verfügung 805/01 vom 26. Januar 2022 in Sachen Bank Linth LLB AG, Rn 1; Verfügung 795/01 vom 4. November 2021 in Sachen Roche Holding AG, Rn 1).

[2] Gemäss den Gesuchstellern kann die beabsichtigte Transaktion nur durchgeführt werden, wenn dabei keine Partei angebotspflichtig nach Art. 135 FinfraG wird. Das Feststellungsinteresse der Gesuchsteller sei dadurch gegeben (act. 1/1, Rn 3).

[3] Im vorliegenden Fall haben die Gesuchsteller ein schutzwürdiges, direktes und aktuelles Interesse, eine mögliche Unsicherheit mit Blick ihre Angebotspflicht mittels Feststellungsverfügung zu klären. Gleich verhält es sich mit Blick auf das Interesse des Kantons Basel-Stadt, eine Sanierungsausnahme i.S.v. Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG zu erhalten. Auf das Gesuch wird somit eingetreten.

2.  Handeln in gemeinsamer Absprache im Sinne der Angebotspflicht nach Art. 33 FinfraV-FINMA

2.1 Rechtliches

[4] Nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG muss diejenige Person, welche direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Beteiligungspapieren, die sie bereits besitzt, den Grenzwert von 33⅓% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft überschreitet, ob ausübbar oder nicht, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft unterbreiten.

[5] 33 FinfraV-FINMA hält fest, dass für Personen, die der Angebotspflicht unterliegende Beteiligungen der Zielgesellschaft im Hinblick auf die Beherrschung der Zielgesellschaft in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe erwerben, Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA gilt. Nach Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA handelt in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe, wer seine Verhaltensweise im Hinblick auf den Erwerb oder die Veräusserung von Beteiligungspapieren oder die Ausübung von Stimmrechten mit Dritten durch Vertrag oder andere organisierte Vorkehren oder von Gesetzes wegen abstimmt.

[6] Ein Handeln in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA wird nach höchstrichterlicher Rechtsprechung angenommen, wenn der gemeinsame Erwerb von Aktien eine Beherrschung objektiv ermöglicht und auf Grund der Umstände darauf zu schliessen ist, dass eine Beherrschung auch angestrebt wird (BGE 130 II 530 ff., Erw. 6.5.7; vgl. ebenfalls die Verfügung 672/01 in Sachen SHL Telemedicine Ltd. vom 26. Januar 2018, Rn 28 bezüglich dem zitierten BGE und die Rn 29 – 31 zur weitergehenden Praxis zu Art. 33 FinfraV-FINMA sowie zuletzt die Verfügung 794/01 vom 13. Oktober 2021 in Sachen Polyphor AG, Rn 7, die Verfügung 793/01 vom 10. August 2021 in Sachen Vetropack Holding AG, Rn 8 f. und die Verfügung 787/01 vom 7. April 2021 in Sachen com N.V., Rn 12 f., jeweils m.w.H.).

[7] Eine subjektive Beherrschungsabsicht muss nicht im Einzelfall nachgewiesen werden. Die UEK hat vielmehr jene Sachverhaltselemente zu beweisen, die zu einer Angebotspflicht führen. Bei der Festlegung des Beweismasses muss jedoch den sachimmanenten Beweisschwierigkeiten Rechnung getragen werden. Denn oft lässt sich eine subjektive Beherrschungsabsicht nicht dartun, was zu Umgehungen der Angebotspflicht führen könnte (BGE 130 II 530 ff., Erw. 6.5.7).

2.2 Ausführungen der Gesuchsteller

[8] Die Gesuchsteller führen aus, dass die UEK im Dispositiv-Ziff. 3 der Verfügung 765/01 und im Dispositiv-Ziff. 2(i) der Verfügung 765/02 festgestellt habe, «dass der Abschluss des Relationship Agreement nicht dazu führt, dass die an der MCH als Aktionäre beteiligten Körperschaften des öffentlichen Rechts (inklusive des Kantons Basel-Stadt), Lupa und die MCH selbst für Zwecke der Angebotspflicht in gemeinsamer Absprache handeln (Art. 33 FinfraV-FINMA)». Für diese Beteiligten würde somit keine Angebotspflicht nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG entstehen.

[9] Die Anpassungen des Relationship Agreements vom 26. November 2020 gegenüber dem Relationship Agreement vom 9. Juli 2020 würden an dieser Situation nichts ändern (act. 1/1, Rn 55 m.H.). Das Relationship Agreement vom 26. November 2020 sei sodann – abgesehen vom zwischenzeitlichen Ausscheiden des Kantons Basel-Landschaft – unverändert in Kraft (act. 1/1, Rn 56). Auch die vorliegend geplante Transaktion ändere laut den Gesuchstellern daran nichts. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die Commitment Agreements, welche die MCH Group mit dem Kanton Basel-Stadt und mit Lupa je separat eingehen möchte (act. 1/1, Rn 57). Ein Handeln im Hinblick auf die Beherrschung der MCH Group liege demnach nicht vor (act. 1/1, Rn 58).

2.3 Kein Handeln in gemeinsamer Absprache im Sinne der Angebotspflicht nach Art. 33 FinfraV-FINMA gemäss den vorliegenden Akten

[10] Mit Verfügung 765/01, Dispositiv-Ziff. 3, stellte die UEK fest, dass die Beschlussfassungen an der kommenden Generalversammlung der MCH Group und deren Umsetzung für die an der MCH Group als Aktionäre beteiligten Körperschaften des öffentlichen Rechts, für Lupa und für die MCH Group, weder gemeinsam noch je einzeln, die Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Angebots nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG auslösten. Nach Auffassung der UEK handelten zu jenem Zeitpunkt Lupa, der Kanton Basel-Stadt, der Kanton Basel-Landschaft, der Kanton Zürich, die Stadt Zürich und die MCH Group auf Grund der damals vorliegenden Akten nicht in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA im Hinblick auf die Beherrschung der MCH Group (vgl. Verfügung 765/01, Rn 39 – 48 für die Begründung und Rn 49 für das Fazit).

[11] Mit Verfügung 765/02, Dispositiv-Ziff. 2(i), stellte die UEK sodann fest, dass die Beschlussfassungen an der ausserordentlichen Generalversammlung der MCH Group vom 3. August 2020 sowie deren Umsetzung für alle an der MCH Group als Aktionäre beteiligten Körperschaften des öffentlichen Rechts (d.h. für den Kanton Basel-Stadt, den Kanton Basel-Landschaft, den Kanton Zürich sowie die Stadt Zürich), für Lupa und für die MCH Group nicht als Handeln in gemeinsamer Absprache nach Art. 33 FinfraV-FINMA galt und nicht die Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Angebots nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG auslöste. In einer Gesamtbetrachtung wurde dabei festgestellt, dass keine genügend konkreten Hinweise auf kontrollrelevante Absprachen mit Blick auf die MCH Group vorlagen und dass keine sozialen oder faktischen Bindungen erkennbar waren, die eine derartige Intensität aufwiesen, dass bestimmte Aktionäre nicht mehr frei über ihre Stimmrechtsausübung mit Blick auf die MCH Group entscheiden könnten (vgl. Verfügung 765/02, Rn 14 – 19 für die Begründung und Rn 20 f. für das Fazit).

[12] Die im vorliegenden Fall vorgenommenen Änderungen im Relationship Agreement vom 26. November 2020 stellen keine ausreichend wesentlichen Änderungen gegenüber dem Relationship Agreement vom 9. Juli 2020 dar, um eine Angebotspflicht des Kantons Basel-Stadt und von Lupa gestützt auf Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG anzunehmen. So wurden die Bestimmungen über die Vertretung von Lupa im Verwaltungsrat der MCH Group im Relationship Agreement vom 26. November 2020 nur leicht angepasst. Ursprünglich hatte Lupa gemäss Relationship Agreement vom 9. Juli 2020 das Recht, an der damals bevorstehenden ausserordentlichen Generalversammlung der MCH Group drei Personen zur Wahl in den Verwaltungsrat der MCH Group vorzuschlagen. An den darauf folgenden Generalversammlungen hätte Lupa das Recht gehabt, für jede 10%-ige Beteiligung an der MCH Group eine Person, maximal aber drei Personen zur Wahl in den Verwaltungsrat vorzuschlagen.

[13] Im aktuell geltenden Relationship Agreement vom 26. November 2020 hat Lupa nunmehr das Recht, bis zur ordentlichen Generalversammlung 2024 unabhängig von ihrem Kapitalanteil drei Personen zur Wahl in den Verwaltungsrat vorzuschlagen. Das gestaffelte Vorschlagsrecht wird erst ab der ordentlichen Generalversammlung 2025 der MCH Group anwendbar.

[14] Die Bestimmung über die unabhängigen Mitglieder des Verwaltungsrates der MCH Group wurde im Relationship Agreement vom 26. November 2020 auch leicht angepasst. Gemäss dem Relationship Agreement vom 9. Juli 2020 mussten eines bis drei Mitglieder des Verwaltungsrates der MCH Group unabhängig im Sinne des Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance Zudem wurde darin die Absicht bekundet, dass der Präsident des Verwaltungsrates nach der damals bevorstehenden ausserordentlichen Generalversammlung der MCH Group ebenfalls unabhängig sei. Die Fassung des Relationship Agreement vom 26. November 2020 hingegen sieht vor, das bis zur ordentlichen Generalversammlung 2024 drei und danach eines bis drei Mitglieder des Verwaltungsrates der MCH Group unabhängig sein müssen. Den Vorsitz soll dabei ein unabhängiges oder von Lupa vorgeschlagenes Verwaltungsratsmitglied haben, nicht aber von den Aktionären der öffentlichen Hand nominiert worden sein.

[15] Die geschildeten Änderungen im Relationship Agreement vom 26. November 2020 erscheinen in ihrer Gesamtheit betrachtet geringfügig. Auch das geänderte Wahlvorschlagsrecht von Lupa bewirkt keine gemeinsame Beherrschung der MCH Group durch Lupa und durch den Kanton Basel-Stadt. So wurden seit der im Jahr 2020 durchgeführten Transaktion drei Verwaltungsratsmitglieder der MCH Group auf Vorschlag von Lupa gewählt. Stets betrug dabei der Aktienanteil von Lupa mehr als 30% der Stimmrechte an der MCH Group. Nach den Angaben der Gesuchsteller wird dies «auf absehbare Zeit – namentlich nach Vollzug der geplanten Kapitalerhöhung – auch so bleiben» (act. 1/1, Rn 16). Somit hätte Lupa auch unter dem Relationship Agreement vom 9. Juli 2020 gegenwärtig ein Recht, drei Personen zur Wahl in den Verwaltungsrat der MCH Group vorzuschlagen.

[16] Die Änderungen im Relationship Agreement vom 26. November 2020 führen für sich allein betrachtet somit nicht dazu, dass eine organisierte Gruppe i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA zwischen Lupa und dem Kanton Basel-Stadt entsteht. Die Regelung im Relationship Agreement vom 26. November 2020 bezweckt weiterhin lediglich, eine analoge Vertretung von Lupa im Vergleich zur Vertretung der Aktionäre der öffentlichen Hand im Verwaltungsrat der MCH Group zu gewährleisten. Sie bewirkt somit keine gemeinsame Beherrschung der MCH Group durch Lupa und durch den Kanton Basel-Stadt. Auch lassen die Umstände zurzeit nicht darauf schliessen, dass Lupa und der Kanton Basel-Stadt eine gemeinsame Beherrschung der MCH Group anstreben würden.

[17] Sodann kann festgestellt werden, dass das Relationship Agreement vom 26. November 2020 auch keine angebotspflichtige Gruppe i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA bestehend aus der MCH Group, Lupa und dem Kanton Basel-Stadt entstehen lässt. Es fehlt diesen Beteiligten an einer Absicht, die MCH Group gemeinsam i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA zu beherrschen, und eine solche Beherrschung wird, wie soeben ausgeführt, auch durch das Relationship Agreement vom 26. November 2020 nicht bewirkt. Das Vorgehen von Lupa, vom Kanton Basel-Stadt und der MCH Group ist auch nicht darauf ausgerichtet, eine Beherrschung der MCH Group i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA durch diese drei gemeinsam zu herbeizuführen. Ebenso wenig ist auf Grund der Umstände und der Akten, die der UEK derzeit vorliegen, darauf zu schliessen, dass die MCH Group inskünftig von Lupa, vom Kanton Basel-Stadt und von der MCH Group gemeinsam beherrscht werden soll. Dabei kann weiterhin offen gelassen werden, ob die MCH Group als Zielgesellschaft überhaupt Teil einer angebotspflichtigen Gruppe i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA sein kann (vgl. dazu die Verfügung der Übernahmekammer der EBK vom 29. Mai 2008 in Sachen Sulzer AG, Rn 69; ebenso die Verfügung 672/09 in Sachen SHL Telemedicine Ltd. vom 11. Juli 2019, Rn 17).

[18] Gleiches kann mit Blick auf die Commitments Agreements, welche die MCH Group jeweils separat mit dem Kanton Basel-Stadt und mit Lupa eingehen möchte, festgestellt werden (vgl. Sachverhalt lit. I sowie act. 1/19 für das Commitment Agreement zwischen der MCH Group und dem Kanton Basel-Stadt und act. 1/20 für das Commitment Agreement zwischen der MCH Group und Lupa). Die gegenseitige Bedingtheit der Commitment Agreements gewährleistet, dass die Beteiligungen des Kantons Basel-Stadt und von Lupa nach dem Vollzug der Kapitalerhöhung in etwa gleich hoch sein werden. Dieses geschilderte, auf Grundlage der Commitment Agreements geplante Vorgehen ist mithin ebenso wenig darauf ausgerichtet, eine Beherrschung der MCH Group i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA durch Lupa, den Kanton Basel-Stadt und/oder die MCH Group herbeizuführen. Auch darin kann keine Absprache von Lupa, dem Kanton Basel-Stadt und/oder der MCH Group gesehen werden, welche als ein Handeln in gemeinsamer Absprache im Hinblick auf die Beherrschung i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA mit Blick auf die MCH Group qualifizieren würde.

2.4 Fazit

[19] Damit kann antragsgemäss festgestellt werden, dass auf Grund der Akten, die der UEK derzeit vorliegen, durch die Vereinbarung und/oder Durchführung der Transaktion weder Lupa noch der Kanton Basel-Stadt noch die MCH Group im Hinblick auf die Beherrschung der MCH Group i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA in gemeinsamer Absprache handeln.

[20] Ebenso kann festgestellt werden, dass auf Grund der Akten, die der UEK derzeit vorliegen, weder die Vereinbarung noch die Durchführung der Transaktion für Lupa, den Kanton Basel-Stadt oder die MCH Group, gemeinsam oder je einzeln, eine Angebotspflicht i.S.v. Art. 135 Abs. 1 FinfraG mit Blick auf die kotierten Beteiligungspapiere der MCH Group auslöst.

3.  Die Sanierungsausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG

3.1 Rechtliches

[21] Nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG ist derjenige zur Unterbreitung eines Angebots für alle kotierten Beteiligungspapiere einer Publikumsgesellschaft verpflichtet, welcher direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere dieser Gesellschaft erwirbt und damit zusammen mit den bereits gehaltenen Beteiligungspapieren den Grenzwert von 33⅓ % der Stimmrechte, ob ausübbar oder nicht, überschreitet. Die Angebotspflicht bezweckt den Schutz der Minderheitsaktionäre vor einem für sie nachteiligen Kontrollwechsel werden, indem diesen eine Ausstiegsmöglichkeit zu festgelegten Bedingungen gewährt wird (Verfügung des Übernahme- und Staatshaftungsausschusses der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA vom 6. Dezember 2019 in Sachen Schmolz + Bickenbach AG [Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019], Rn 34).

[22] Die mit der Angebotspflicht verbundenen Konsequenzen sind einschneidend. Sie können unter gewissen, seltenen Umständen sachlich unerwünschte Folgen haben oder gar kontraproduktiv wirken. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber in Art. 136 Abs. 1 FinfraG einen Korrekturmechanismus mit einen nicht abschliessenden Katalog von Ausnahmen von der Angebotspflicht statuiert (Verfügung des Übernahme- und Staatshaftungsausschusses der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA vom 18. Mai 2021 in Sachen Swiss Steel Holding AG [Verfügung der FINMA vom 18. Mai 2021], Rn 27).

[23] In berechtigten Fällen kann damit die UEK Ausnahmen von der Angebotspflicht gewähren, so namentlich wenn Beteiligungspapiere zu Sanierungszwecken erworben werden (Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG). Der Zweck dieser Bestimmung liegt darin, Sanierungen nicht durch die Angebotspflicht und den damit verbundenen finanziellen Aufwand zu erschweren oder zu gefährden. Die Sanierungsausnahme soll Investoren privilegieren, welche bereit sind, die Gesellschaft in einer prekären Finanzlage zu unterstützen. In solchen Fällen liesse es sich nämlich nur schwer rechtfertigen, dem Investor neben seiner Risikobeteiligung an der sanierungsbedürftigen Gesellschaft mit der Angebotspflicht eine zusätzliche finanzielle Bürde aufzuerlegen (Verfügung der FINMA vom 18. Mai 2021, Rn 28). Die Sanierungsausnahme beruht somit auf der Wertung, dass das Interesse – auch dasjenige der Minderheitsaktionäre – am Fortbestand des Unternehmens gegenüber dem Interesse der Minderheitsaktionäre an der Veräusserung ihrer Titel im Rahmen eines Pflichtangebots überwiegt (Verfügung der FINMA vom 18. Mai 2021, Rn 28; Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 35).

[24] Auf Grund der einschneidenden Rechtsfolgen der Angebotspflicht sind Ausnahmen von der Angebotspflicht im Zweifel zu gewähren (Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 35).

[25] Die Gewährung einer Sanierungsausnahme i.S.v. Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG setzt voraus, dass ein Sanierungsbedarf bei der Gesellschaft besteht (Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 36; vgl. dazu Rn [52] nachfolgend). Ferner müssen die gewählten Sanierungsmassnahmen nach dem normalen Lauf der Dinge mit vernünftiger Wahrscheinlichkeit geeignet sein, den Fortbestand der betroffenen Gesellschaft zu sichern (Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 40; vgl. dazu Rn [55]). Schliesslich ist die Sanierungsausnahme subsidiär zu gewähren (Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 43; vgl. dazu Rn [57]).

[26] Nach dem seit dem 1. Oktober 2020 anwendbaren UEK-Rundschreiben Nr. 5: Sanierungsausnahme / Sanierungskonzept der Zielgesellschaft vom 2. September 2020 (UEK-RS Nr. 5), Rn 1 hat die Zielgesellschaft der UEK ein Sanierungskonzept einzureichen. Dieses Sanierungskonzept muss die finanzielle Situation der Zielgesellschaft darstellen und die Ursachen dafür erläutern (UEK-RS Nr. 5, Rn 2). Ferner muss darin die Höhe des Sanierungsbedarfs quantitativ dargestellt werden und diese ist auch zu begründen. Dabei sind Angaben zur zeitlichen Dringlichkeit zu machen und die Liquiditätsplanung für mindestens die nächsten sechs Monate ist zu erläutern (UEK-RS Nr. 5, Rn 3). Zudem müssen die Details der gewählten Sanierungsmassnahme erläutert werden (UEK-RS Nr. 5, Rn 4). Abschliessend ist darzulegen, welche Massnahmen als Alternativen zum gewählten Sanierungskonzept geprüft und verworfen oder erfolgslos durchgeführt wurden. Die Gründe hierfür sind zu erläutern (UEK-RS Nr. 5, Rn 5).

3.2 Ausführungen der Gesuchsteller

[27] Mit Blick auf die von den Gesuchstellern beantragte Sanierungsausnahme für den Kanton Basel-Stadt wird Folgendes ausgeführt: Laut Gesuch ist die MCH Group seit einigen Jahren vom Wandel in der Messebranche und «erst recht von der COVID-19-Pandemie stark betroffen.» Von Februar 2020 bis September 2021 sei die Veranstaltertätigkeit weitgehend stillgestanden. In diesem Zeitraum seien bis auf eine Ausnahme (Art Basel in Hong Kong 2021) alle Messen abgesagt oder verschoben worden. Das Geschäft der Vermietung der eigenen Räumlichkeiten in Basel und Zürich sei ähnlich hart getroffen worden. Die meisten Gastveranstaltungen, Kongresse, physischen Generalversammlungen seien abgesagt oder verschoben worden. Auch Tätigkeiten im Bereich der individuellen Dienstleistungen seien aufgrund von Absagen oder Verschiebungen der meisten Veranstaltungen in Europa, Amerika und Asien «sehr stark eingeschränkt» gewesen (act. 1/1, Rn 17). So habe 2020 der Jahresverlust der MCH Group CHF 72.2 Mio. betragen, während der Jahresverlust 2021 – unter Einfluss von Sondereffekten wie Kurzarbeit und dem Verkauf einer Liegenschaft – CHF 17.3 Mio. betragen habe. Der operative Cashflow der MCH Group habe sich 2020 auf minus CHF 84.6 Mio. und 2021 auf minus CHF 20.3 Mio. belaufen. Trotz dem geringeren Jahresverlust 2021 habe dies «zu einer weiteren Belastung der flüssigen Mittel und des Eigenkapitals der MCH Gruppe» geführt (act. 1/1, Rn 18).

[28] «Mit dem Anstieg der Corona-Fallzahlen zum Ende des Jahres 2021» habe sich die Situation wieder verschlechtert, so dass für das erste Quartal 2022 geplante Messen und Events (wie Swissbau und Giardina Zürich) nicht wie vorgesehen durchgeführt werden konnten. Die Einnahmen aus diesem Bereich seien also ausblieben. Insgesamt werde das Ergebnis der MCH Group im Jahr 2022 «noch einmal negativ durch COVID-19 betroffen sein» (act. 1/1, Rn 19). Im Mai 2023, also in rund zehn Monaten, werde zudem die 1.875%-Anleihe über CHF 100 Mio. 2018-2023 (ISIN: CH0373476735) zur Rückzahlung fällig. Weitere Rückzahlungsverpflichtungen von ausstehenden Darlehen von insgesamt CHF 75 Mio. stünden ab dem Jahr 2026 an (act. 1/1, Rn 20).

[29] Durch die Kapitalerhöhungen von 2020 habe sich das Eigenkapital der MCH Group um netto CHF 93.3 Mio. erhöht. Durch diese Kapitalerhöhungen habe die MCH Group einen Bruttoerlös in bar von insgesamt CHF 74.4 Mio. erzielt. Dies sei nur möglich gewesen dank dem Einstieg von Lupa, die CHF 48.1 Mio. investiert habe. Daneben hätte der Kanton Basel-Stadt CHF 3.9 Mio. und weitere Investoren hätten insgesamt CHF 22.4 Mio. in bar in die MCH Group investiert. Der Kanton Basel-Stadt habe ausserdem «ein bestehendes nachrangiges zinsloses Darlehen über CHF 30 Mio. im Umfang von CHF 24.2 Mio. in Eigenkapital» der MCH Group gewandelt. Der Restbetrag von CHF 5.8 Mio. solle der MCH Group im Rahmen dieser Transaktion erlassen werden (act. 1/1, Rn 21).

[30] Diese zugeführten Mittel seien gemäss Gesuch für die Bewältigung der Pandemie benötigt worden. Der Kanton Basel-Stadt habe somit insgesamt rund CHF 28.2 Mio. zur Sanierung beigetragen. Ohne die Kapitalerhöhungen von 2020 wäre laut Gesuch «das Eigenkapital heute negativ und die liquiden Mittel bedeutend tiefer als heute» (act. 1/1, Rn 21).

[31] Im Rahmen der Kapitalerhöhungen von 2020 verpflichteten sich sodann Lupa und der Kanton Basel-Stadt, letzterer falls die zuständigen Organe dem zustimmen, «im Fall eines nicht erfolgreichen Umtauschangebotes in Bezug auf die Anleihe über CHF 100 Mio. bis zu einem gewissen Umfang bei der Refinanzierung der Anleihe einzuspringen» (die Backstop Undertakings). Der von Lupa zugesicherte Investitionsbetrag betrage noch CHF 27 Mio. (ursprünglicher maximaler Betrag von CHF 75 Mio. minus CHF 48 Mio., die im Rahmen der Kapitalerhöhungen von 2020 investiert worden seien). Der Kanton Basel-Stadt habe sich bereit erklärt, «im gleichen Umfang Mittel einzuschiessen, woraus sich ein Gesamtbetrag der Backstop Undertakings von CHF 54 Mio. ergibt» (act. 1/1, Rn 22).

[32] Im Gesuch wird sodann erwähnt, «dass die MCH Gruppe wegen ihrer Staatsbeteiligung nicht in dem Ausmass Unterstützung aus dem COVID-19-Härtefallprogramm erhalten konnte, wie rechnerisch gemäss Kriterien der Härtefallverordnung des Bundes Anspruch bestanden hätte.» So sei die MCH Messe Schweiz (Basel) AG, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der MCH Group, vom Kanton Basel-Stadt «mit nur gerade CHF 0.75 Mio. statt der theoretisch möglichen CHF 7.5 Mio. unterstützt» Weitere zwei Tochtergesellschaften der MCH Group in Zürich hätten zusammen CHF 9.8 Mio. erhalten. Insgesamt habe die MCH Group «CHF 10.55 Mio. an Härtefallunterstützung erhalten» (act. 1/1, Rn 23).

[33] Mit Blick auf die gegenwärtige finanzielle Situation der MCH Group i.S.v. UEK-RS Nr. 5, Rn 2 führt das Gesuch aus, dass sie «per 31. Dezember 2021 auf konsolidierter Basis über flüssige Mittel in Höhe von CHF 113.7 Mio. und Eigenkapital in Höhe von CHF 47.8 Mio.» verfügte. Dem standen «kurzfristiges Fremdkapital von CHF 110.3 Mio. und langfristiges Fremdkapital von rund CHF 245.7 Mio. gegenüber, wovon CHF 237.9 Mio. auf langfristige Finanzverbindlichkeiten entfielen.» Die Nettoverschuldung der MCH Group habe CHF 132.7 Mio. betragen (act. 1/1, Rn 24). Die Eigenkapitalquote der MCH Group betrug «bei einer Bilanzsumme von CHF 403.9 Mio. nur gerade 11.7%, was einem Verschuldungsgrad von rund 7.5 : 1 entspricht.» Gemäss dem Einzelabschluss der MCH Group per 31. Dezember 2021 habe das Eigenkapital CHF 173.6 Mio. betragen. Die Differenz «zum viel tieferen konsolidierten Eigenkapital ist dadurch zu erklären, dass in der Konzernrechnung Goodwill aus Akquisitionen nach Swiss GAAP FER jeweils mit dem Eigenkapital verrechnet wurde» (act. 1/1, Rn 25).

[34] Die MCH Group hatte gemäss Gesuch «per 31. Dezember 2021 kurz- und langfristige Finanzverbindlichkeiten von insgesamt CHF 246.4 Mio.». Dazu zählen in erster Linie folgende (act. 1/1, Rn 26):

    •  
die Anleihe über CHF 100 Mio. mit Fälligkeit im Mai 2023;
    •  
ein hypothekarisch gesichertes Darlehen über CHF 40 Mio. im Rahmen eines Kreditvertrags mit der Basler Kantonalbank vom 16. Dezember 2021 (der BKB-Kredit) mit Fälligkeit im September 2027;

    •  
ein verzinstes, hypothekarisch gesichertes Darlehen des Kantons Basel-Landschaft über CHF 35 Mio. (das BL-Darlehen) mit Fälligkeit im März 2026;

    •  
der Restbetrag von CHF 5.8 Mio. eines nachrangigen, zinslosen Darlehens des Kantons Basel-Stadt;

    •  
ein zinsloses, bedingt rückzahlbares Darlehen des Kantons Basel-Landschaft über CHF 30 Mio.; sowie

    •  
ein zinsloses, nicht rückzahlbares Darlehen des Kantons Basel-Stadt mit einem ausstehenden Betrag von CHF 27.5 Mio. per 31. Dezember 2021.

 

[35] Der BKB-Kredit enthält verschiedene Zusicherungen (die Covenants). Darunter finden sich insbesondere Minimalschwellen in Bezug auf den konsolidierten EBITDA und das konsolidierte Eigenkapital der MCH Group. Die Zusicherung betreffend des Eigenkapital der MCH Group per 31. Dezember 2020 wurde nicht eingehalten. Die BKB hat aber auf deren Einhaltung verzichtet. Per 31. Dezember 2021 konnten laut Gesuch beide Covenants eingehalten werden (act. 1/1, Rn 27).

[36] Das BL-Darlehen vom 28. Juli 2020 sieht laut Gesuch vor, «dass Cash-Bestände nur in dem Umfang zur Refinanzierung der Anleihe über CHF 100 Mio. verwendet werden dürfen, der einen Mindestbestand an Cash von CHF 50 Mio. überschreitet.» Das BL-Darlehen würde somit kündbar, falls die MCH Group nach Rückzahlung der Anleihe über weniger als CHF 50 Mio. an flüssigen Mitteln verfügen sollte (act. 1/1, Rn 28).

[37] Zu den Fragen der Liquiditätsplanung und zum Sanierungsbedarf i.S.v. UEK-RS Nr. 5, Rn 3 wird im Gesuch Folgendes ausgeführt: Aufgrund der beschriebenen, nach wie vor kritischen wirtschaftlichen Situation rechne die MCH Group für 2022 mit einem Jahresverlust in zweistelliger Millionenhöhe und mit flüssigen Mitteln von deutlich weniger als CHF 100 Mio. per Ende 2022. Nach der aktuellen Liquiditätsplanung «wird MCH ohne Kapitalmassnahmen im Mai 2023 nicht über genügend flüssige Mittel verfügen, um die dannzumal fällige Anleihe über CHF 100 Mio. zurückzuzahlen.» Dazu kommt, dass das BL-Darlehen über CHF 35 Mio. fällig gestellt werden könne, «wenn die flüssigen Mittel nach Rückzahlung der Anleihe den Betrag von CHF 50 Mio. unterschreiten» (act. 1/1, Rn 29). Daraus ergebe sich, «dass die MCH Gruppe ohne Kapitalmassnahmen innerhalb von zwölf Monaten zahlungsunfähig» Die Annahme der Fortführung (going concern) sei somit nicht gegeben, wenn keine Aussicht auf Sanierung bestünde (act. 1/1, Rn 30).

[38] Insgesamt gingen der Verwaltungsrat und die Konzernleitung der MCH Group «derzeit von einem kurzfristigen Mittelbedarf von mindestens CHF 68 Mio. aus, damit die MCH Group unmittelbar nach Rückzahlung der Anleihe über CHF 100 Mio. immer noch über die notwendigen flüssigen Mittel von CHF 50 Mio. verfügt.» Der voraussichtliche Mittelbedarf der MCH Group könne sich auch noch vergrössern, «insbesondere falls sich das Geschäftsergebnis aufgrund konjunktureller Faktoren oder eines Wiederaufflammens der COVID-19-Pandemie verschlechtern und damit zu einem weiteren Mittelabfluss führen sollte» (act. 1/1, Rn 31).

[39] Die zur Sanierung der MCH Group gewählte Massnahme i.S.v. UEK-RS Nr. 5, Rn 4 wird anschliessend im Gesuch erläutert: Die MCH Group habe am 13. April 2022 bekannt gegeben, dass sie noch dieses Jahr eine Kapitalerhöhung plane, bei der die Bezugsrechte der bisherigen Aktionäre der MCH gewahrt würden. Gleichentags gab die MCH Group bekannt, dass der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt dem Grossen Rat beantragt habe, «sich mit bis zu CHF 34 Mio. an der geplanten Kapitalerhöhung zu beteiligen, und dass unter dieser Bedingung auch Lupa bis zu CHF 34 Mio. in die MCH Gruppe investiere[n] würde.» Zudem habe der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt dem Grossen Rat beantragt, auf die Rückzahlung des erwähnten Restdarlehens von CHF 5.8 Mio. zu verzichten (act. 1/1, Rn 32).

[40] Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt hiess mittlerweile die genannten Anträge des Regierungsrats gut. Unter der Voraussetzung, dass die 42-tägige Referendumsfrist am 3. August 2022 unbenutzt ablaufe, plane der Verwaltungsrat der MCH Group, «gegebenenfalls noch im dritten Quartal 2022 eine ausserordentliche Generalversammlung (GV) einzuberufen und dieser eine ordentliche Kapitalerhöhung zu beantragen.» Stimme die Generalversammlung der MCH Group dem Antrag des Verwaltungsrates zu, könne die Bezugsrechtsemission im Anschluss lanciert werden (act. 1/1, Rn 33).

[41] Auch wenn die Bezugsrechte der Aktionäre gewahrt werden, geht man laut Gesuch nicht davon aus, «dass eine nennenswerte Anzahl Publikumsaktionäre ihre Bezugsrechte ausüben wird oder dass neue Investoren an einer Beteiligung interessiert» Die Gründe dafür seien laut Gesuch die finanzielle Situation der MCH Group, der Börsenkurs der MCH-Aktie, «der seit Anfang 2022 um ca. 24% gefallen ist, sowie das derzeitige, u.a. aufgrund der geopolitischen Situation und der unerwartet hohen Inflation äusserst volatile und vom Zinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank vom 16. Juni 2022 noch zusätzlich verunsicherte Kapitalmarktumfeld» (act. 1/1, Rn 34). Angesichts dessen hätten sich die beiden Ankeraktionäre der MCH Group, also der Kanton Basel-Stadt (unter dem Vorbehalt eines möglichen Referendums) sowie Lupa bereit erklärt, «im Rahmen der Kapitalerhöhung MCH-Aktien im Wert von je bis zu CHF 34 Mio. (minimal je CHF 27 Mio. und darüber hinaus als Backstop) zu zeichnen bzw. zu erwerben» (act. 1/1, Rn 35; die Commitments).

[42] Die MCH Group beabsichtige dazu, mit dem Kanton Basel-Stadt und Lupa je ein separates Commitment Agreement abzuschliessen. Dem Gesuch liegen die von der MCH Group hierzu erstellten, von den Parteien laut eigenen Angaben noch nicht verhandelten Entwürfe bei (act. 1/19 für das Commitment Agreement zwischen der MCH Group und dem Kanton Basel-Stadt und act. 1/20 für das Commitment Agreement zwischen der MCH Group und Lupa). Die Commitments seien gegenseitig bedingt. Das Commitment «des einen Ankeraktionärs wird nur wirksam, wenn dasjenige des anderen ebenfalls wirksam ist.» Die Investitionen das Kantons Basel-Stadt und von Lupa würden «voraussichtlich grundsätzlich zu gleichen Teilen» erfolgen, «wobei jene des Kantons Basel-Stadt in jedem Fall so hoch sein wird, dass die Aktionäre der öffentlichen Hand (Kanton Basel-Stadt, Kanton Zürich und Stadt Zürich) auch nach Vollzug der Kapitalerhöhung gesamthaft mindestens 33 1/3% des Kapitals und der Stimmrechte der MCH halten.» Wenn dies nicht der Fall wäre, könnten die Anleihe über CHF 100 Mio. und der BKB-Kredit über CHF 40 Mio. vorzeitig zur Rückzahlung fällig gestellt werden (act. 1/1, Rn 36).

[43] Die Commitments würden, wenn sie umgesetzt werden, die Backstop Undertakings des Kantons Basel-Stadt und von Lupa aus dem Jahr 2020 ersetzen (act. 1/1, Rn 38). Das maximale Gesamtvolumen der Kapitalerhöhung bzw. der Bezugsrechtsemission und der Bezugspreis sowie die Höhe der Commitments werden dabei «voraussichtlich kurz vor der GV bzw. vor Beginn der Bezugsfrist festgelegt und öffentlich bekanntgegeben.» Die tatsächliche Anzahl ausgegebener MCH-Aktien und der tatsächliche Bruttoerlös würden davon abhängen, «wie viele berechtigte Aktionäre im Rahmen der Kapitalerhöhung Bezugsrechte ausüben.» Durch die Commitments stelle die MCH Group jedoch sicher, dass der MCH Group «aus der ordentlichen Kapitalerhöhung ein minimaler Bruttoerlös von CHF 68 Mio. zufliesst» (act. 1/1, Rn 39).

[44] Angesichts des erwarteten bescheidenen Interesses der Publikumsaktionäre an der Bezugsrechtsemission ist es sodann gemäss Gesuch «rechnerisch wahrscheinlich, dass der Kanton Basel-Stadt und Lupa nach dem Vollzug der Kapitalerhöhung je mehr als 33 1/3% der MCH-Aktien halten werden, da die Beteiligung der beiden Ankeraktionäre schon jetzt je über 30% beträgt» (act. 1/1, Rn 40). Da das bestehende formell selektive Opting up zugunsten von Lupa Systems und der mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen nach § 5a der Statuten anwendbar würde, werden Lupa und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen durch den Vollzug der Kapitalerhöhung nicht angebotspflichtig (act. 1/1, Rn 41). Ein analoges Opting up zugunsten des Kantons Basel-Stadt bestehe jedoch nicht. So habe der Kanton Basel-Stadt «seine Investition über bis zu CHF 34 Mio. an die Bedingung (geknüpft), dass er hierdurch nicht nach Art. 135 FinfraG angebotspflichtig wird» (act. 1/1, Rn 42).

[45] Mit Blick auf die Darstellung alternativ geprüfter Massnahmen i.S.v. RS-Nr. 5, Rn 5 führt das Gesuch aus, dass zur Refinanzierung der Anleihe über CHF 100 Mio. bisher ein Umtauschangebot (Bond Exchange Offer) im Vordergrund gestanden habe, d.h. ein Angebot an die Anleihensgläubiger, ihre bestehenden Anleihensanteile in Anteile einer neuen Anleihe mit verlängerter Laufzeit umzutauschen (act. 1/1, Rn 44).

[46] Sodann hätten «Sondierungsgespräche im Kapitalmarkt vor einigen Monaten» klargemacht, «dass angesichts der aktuellen finanziellen Situation der MCH Gruppe – insbesondere im Lichte der schmalen Eigenkapitalbasis – ein erfolgreiches Umtauschangebot unrealistisch ist.» Als Gründe dafür werden im Gesuch die aktuell sehr tiefen Ratings der MCH Group angeführt (Credit Suisse: mid B/negativ; Fedafin: B/stable; Zürcher Kantonalbank: B/negativ). Der mit rund 7.5 : 1 hohe Verschuldungsgrad der MCH Group sowie die Unsicherheit in Bezug auf zukünftige Cashflows würden dies stützen. Aufgrund der neusten Entwicklungen mit der nicht erwarteten Inflation, dem Zinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank vom 16. Juni 2022 und der gegenwärtig hohen Volatilität der Finanzmärkte sei «diese Option noch unrealistischer geworden.» Die instabile geopolitische Lage sowie Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der Pandemie bleiben ebenfalls bestehen. Aus denselben Gründen wären auch die Platzierung einer neuen Anleihe bei neuen Investoren sowie die Emission anderer Fremdkapitalinstrumente derzeit nicht realistisch (act. 1/1, Rn 45).

[47] Die Zürcher Kantonalbank (ZKB), welche die MCH Group mit Blick auf die Refinanzierung berate, sei sodann zum Schluss gekommen, «dass die Platzierbarkeit einer neuen Anleihe nicht primär eine Frage der Zinshöhe ist, sondern in erster Linie von der operativen Finanzkraft der MCH Group abhängt.» Die ZKB beurteile die Finanzkraft der MCH Group als ungenügend, um einen Bond zu platzieren. Ferner weise die ZKB darauf hin, «dass auch die Eigenkapitaldecke deutlich verstärkt werden muss» (act. 1/1, Rn 46).

[48] Weiter wird im Gesuch ausgeführt, dass die MCH Group in den letzten Jahren einige Immobilien veräussert habe (act. 1/1, Rn 47). Ihrer Ansicht nach liessen sich die «verbleibenden von der MCH Gruppe gehaltenen wesentlichen Immobilien (…) nicht oder nicht bis zur Fälligkeit der Anleihe im Mai 2023 veräussern» (act. 1/1, Rn 48). Generell erachte es die MCH Group «als sehr schwierig, Messegebäude an einen Finanzinvestor zu verkaufen, u.a. da diese Gebäude eine sehr spezifische Nutzung aufweisen und das Messegeschäft erheblichen konjunkturellen Schwankungen unterliegt» (act. 1/1, Rn 49).

[49] Auch den «(Not-)Verkauf von Geschäftsbereichen» hätten der Verwaltungsrat und die Konzernleitung der MCH Group «als nicht gangbar verworfen». Die MCH Group verfüge zwar über zwei Geschäftsbereiche, «deren innerer Wert erheblich genug ist, um theoretisch einen ausreichenden Verkaufserlös zu erzielen,» nämlich die Art Basel und der Bereich Experience Marketing, der im Jahr 2021 59% zum konsolidierten Umsatz beigetragen habe. Ein beschleunigter Verkauf eines dieser beiden Geschäftsbereiche – sofern er innerhalb des erforderlichen Zeitrahmens überhaupt möglich sei – «würde im Wesentlichen den Verkauf des "Kronjuwels" und des wichtigsten Cash-generierenden Bereichs bedeuten.» Ein Verkauf eines dieser beiden Geschäftsbereiche würde «die Lebensfähigkeit der übrigen Teile der MCH Gruppe in Frage» Er würde «die Fähigkeit der MCH Gruppe, flüssige Mittel zur Erfüllung ihrer finanziellen Verpflichtungen (über die Rückzahlung von Schulden mit dem Verkaufserlös hinaus) zu generieren, erheblich beeinträchtigen und es der MCH Gruppe damit erheblich erschweren, flüssige Mittel zur Finanzierung künftigen Wachstums zu generieren» (act. 1/1, Rn 50).

[50] Ausserdem könne ein Geschäftsbereich laut Gesuch «zum jetzigen Zeitpunkt, wenn überhaupt, nur zu einer tiefen Bewertung verkauft werden, da die wirtschaftlichen Aussichten insbesondere für die Veranstaltungsbranche negativ sind und die einzelnen Geschäftsbereiche in den Pandemiejahren 2020 und 2021 keinen positiven finanziellen track record vorweisen konnten» (act. 1/1, Rn 51). Abschliessend wird im Gesuch festgehalten, «dass die immer wieder in der Finanzpresse kolportierten Angebote von Finanzinvestoren Schall und Rauch geblieben sind.» Weder habe die MCH Group konkrete Angebote erhalten, noch sei sie überhaupt zu Gesprächen oder Präsentationen eingeladen worden (act. 1/1, Rn 52). Mangels Alternativen seien der Verwaltungsrat und die Konzernleitung der MCH Group zum Schluss gekommen, «dass eine Kapitalerhöhung (mit Bezugsrechten) auf der Basis bestehender, rechtlich durchsetzbarer Finanzzusagen des Kantons Basel-Stadt und von Lupa als die einzige realistische Sanierungsmassnahme erscheint» (act. 1/1, Rn 53).

3.3 Gewährung einer Sanierungsausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG im vorliegenden Fall

3.3.1 Aufbau

[51] Nachfolgend werden zunächst der Sanierungsbedarf (Ziff. 3.2), die Sanierungseignung (Ziff. 3.3.3) und die Subsidiarität der gewährten Sanierungsmassnahme (Ziff. 3.3.4) untersucht. Anschliessend wird geprüft, ob die Sanierungsausnahme allenfalls mit einer Auflage i.S.v. Art. 41 Abs. 3 FinfraV-FINMA verknüpft werden soll (Ziff. 3.3.5), bevor abschliessend ein Fazit gezogen wird (Ziff. 3.3.6).

3.3.2 Sanierungsbedarf

[52] Wird eine Sanierungsausnahme i.S.v. Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG beantragt, muss geprüft werden, ob ein Sanierungsbedarf der Gesellschaft besteht. Dabei wird von einem betriebswirtschaftlichen Sanierungsbegriff ausgegangen. Dieser erfasst alle Massnahmen, die dazu dienen, die einer wirtschaftlich Not leidenden Unternehmung anhaftenden, existenzgefährdenden Schwächen zu beheben und ihre Ertragskraft wiederherzustellen. Es braucht nicht abgewartet zu werden, bis eine Unterbilanz, eine Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft effektiv eintritt (Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 36). Die gewählten Sanierungsmassnahmen müssen aber notwendig sein (Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 40). Die UEK bejahte in ihrer bisherigen Praxis den Sanierungsbedarf, wenn die Bilanz der Gesellschaft klare Anzeichen grosser finanzieller Probleme – insbesondere hohe Verluste und Liquiditätsprobleme – aufzeigte (vgl. Verfügung 709/01 vom 27. November 2018 in Sachen Leclanché SA, Rn 8 f.; Verfügung 681/01 vom 22. Februar 2018 in Sachen Leclanché SA, Rn 7 ff.; Verfügung 587/01 vom 23. Dezember 2014 in Sachen Leclanché SA, Rn 11; Verfügung 544/01 vom 13. August 2013 in Sachen Leclanché SA, Rn 8).

[53] Laut den Gesuchstellern ergibt sich der Sanierungsbedarf der MCH Group u.a. daraus, dass diese «ohne Kapitalmassnahmen nicht in der Lage sein wird, im Mai 2023 die Anleihe über CHF 100 Mio. zurückzuzahlen, und somit in weniger als zwölf Monaten zahlungsunfähig wird» (act. 1/1, Rn 63).

[54] Diese Tatsache sowie die in den Rn [27] – [39] beschriebenen Umstände belegen, dass bei der MCH Group aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Sanierungsbedarf besteht. Diese Folgerung stützten auch die verhältnismässig tiefe Eigenkapitalquote von gerade 11.7%, der Verschuldungsgrad der MCH Group von rund 7.5 : 1 sowie der in den Geschäftsjahren 2020 und 2021 negative operative Cash-Flow von insgesamt CHF 105.1 Mio. Die momentan fortdauernden und im Vergleich zum konsolidierten Eigenkapital erheblichen Verluste bestätigen auch, dass von einem betriebswirtschaftlichen Sanierungsbedarf bei der MCH Group auszugehen ist. Die Voraussetzung des Sanierungsbedarfs (vgl. UEK-RS Nr. 5, Rn 3) ist mithin im vorliegenden Fall erfüllt.

3.3.3 Sanierungseignung

[55] Die gewählten Sanierungsmassnahmen müssen nach dem normalen Lauf der Dinge mit vernünftiger Wahrscheinlichkeit geeignet sein, den Fortbestand der betroffenen Gesellschaft zu sichern. Diese Sanierungseignung ist von der UEK nur mit Zurückhaltung zu überprüfen. So ist jede Massnahme als geeignet zu betrachten, welche dazu dient, bei einer wirtschaftlich notleidenden Unternehmung eine anhaftende, existenzgefährdende Schwäche zu beheben, und die Ertragskraft wieder herzustellen. Es wird hingegen nicht verlangt, dass eine Garantie für den langfristigen Erfolg der Sanierungsmassnahme besteht. Wenn ausgewiesen ist, dass die Fortführung der Geschäftstätigkeit gefährdet ist, wird grundsätzlich angenommen, dass die von der Generalversammlung getroffenen Massnahmen zur Verbesserung der gegenwärtigen finanziellen Situation zweckmässig sind (Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 40). Bei der Beurteilung der Sanierungseignung darf grundsätzlich auf die Angaben der Zielgesellschaft und ihres Verwaltungsrates abgestellt werden (Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 42).

[56] Die vorliegend geplante Kapitalerhöhung ist geeignet, der MCH Group die benötigten flüssigen Mittel zuzuführen und ihre Eigenkapitalquote zu verbessern. Aus der Kapitalerhöhung und der Rückzahlung der Anleihe wird eine Entschuldung der MCH Group resultieren. Auch die Chancen für eine allfällige spätere Fremdfinanzierung werden dadurch deutlich verbessert. Die Durchführung der Transaktion ist damit geeignet, die finanzielle Situation der MCH Group zu verbessern. Die Voraussetzung der Sanierungseignung ist in diesem Fall damit gegeben.

3.3.4 Subsidiarität der Sanierungsausnahme

[57] Gemäss dem Grundsatz, dass eine Sanierungsausnahme subsidiär ist, soll eine solche Ausnahme von der Angebotspflicht nach ihrem Sinn und Zweck (erst) in einer Situation gewährt werden, in welcher sich ohne eine solche Ausnahme kaum ein Investor finden liesse (Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 43). Auch wenn theoretisch andere Möglichkeiten bestehen, reicht es aus, dass die im konkreten Einzelfall «vorgeschlagene Vorgehensweise aus heutiger Sicht als die erfolgsversprechendste und realistischste Option erscheint» (Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 57).

[58] Wie in den Rn [45] – [50] ausgeführt, haben der Verwaltungsrat und die Konzernleitung der MCH Group verschiedene Massnahmen geprüft, um die MCH Group zu sanieren. Nicht zuletzt erscheint ihnen eine Refinanzierung der Anleihe der MCH Group über CHF 100 Mio. am Kapitalmarkt, insbesondere laut der Einschätzung der ZKB, derzeit nicht als möglich (vgl. Rn [47]).

[59] Im Lichte der in Rn [57] zitierten jüngsten Praxis der FINMA zur Sanierungsausnahme kann die UEK das Weiteren nicht verlangen, dass die MCH Group zuerst Betriebsteile veräussert oder dies zumindest erfolglos versucht.

[60] Hinzu kommt, dass der Erlös aus einem Verkauf der Messeimmobilien oder anderer Betriebsteile der MCH Group pandemiebedingt sehr tief sein dürfte. Zudem würde selbst ein beschleunigter Verkaufsprozess mehrere Monate dauern und wäre mit der Unsicherheit verbunden, ob sich überhaupt ein Käufer findet und ob dieser bereit wäre, einen für die MCH Group vertretbaren Preis zu bezahlen. Zudem müsste ein solcher Verkauf abgeschlossen und auch vollzogen werden, bevor die MCH Group über den eingehenden Kaufpreis verfügen könnte. Diese Risiken erscheinen derzeit besonders gross, da momentan doch bedeutende makroökonomische Unsicherheiten bestehen. Mangels anderer gangbarer Alternativen erscheint damit eine Kapitalerhöhung als die einzige tragfähige und realistische Sanierungsmassnahme für die MCH Group.

[61] Von Bedeutung ist im vorliegenden Fall zudem auch die Tatsache, dass den Publikumsaktionären der MCH Group die Bezugsrechte gewährt werden sollen. Die Publikumsaktionäre können also an der geplanten Kapitalerhöhung teilnehmen, was seitens der Gesuchsteller auch erwünscht ist (vgl. act. 1/1, Rn 79). Auf diese Weise sind die Möglichkeiten der Publikumsaktionäre, eine Verwässerung ihrer Beteiligung an der MCH Group zu verhindern, grundsätzlich gewahrt.

[62] Weil schliesslich die Commitments von Lupa und vom Kanton Basel-Stadt reduziert werden können, sofern die Publikumsaktionäre ihre Bezugsrechte in erheblichem Umfang ausüben sollten, hängt es letztlich vom Vorgehen der Publikumsaktionäre ab, ob und inwieweit der Kanton Basel-Stadt die Schwelle von 33 1/3% der Stimmrechte an der MCH Group überschreiten wird. Auf diese Weise ist die Subsidiarität im vorliegenden Fall bereits zu einem wesentlichen Teil in die Struktur der geplanten Transaktion eingebaut.

[63] Somit kann auf Grund der Erwägungen in den Rn [58] – [62] festgestellt werden, dass die Voraussetzung der Subsidiarität der gewählten Sanierungsmassnahme im vorliegenden Fall erfüllt ist.

3.3.5 Keine Auflage nach Art. 41 Abs. 3 FinfraV-FINMA

[64] Nach Art. 41 Abs. 3 FinfraV-FINMA können mit der Gewährung von Ausnahmen von der Angebotspflicht Auflagen verbunden werden. Dies kann namentlich angezeigt sein, wenn es entweder im Sinne der Verhältnismässigkeit angebracht erscheint oder wenn unangemessene Ergebnisse vermieden werden sollen. Insbesondere können dabei der erwerbenden Person Verpflichtungen für die Zukunft auferlegt werden. So kann die Gewährung einer Ausnahme mit einer Befristung verbunden werden (Verfügung der FINMA vom 18. Mai 2021, Rn 31; Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 59).

[65] Solche Auflagen i.S.v. Art. 41 Abs. 3 FinfraV-FINMA dienen dem Schutz der Rechte der Minderheitsaktionäre. Sie sollen sicher stellen, dass der betreffende Erwerber ein Pflichtangebot unterbreiten muss, wenn der Grund für die Gewährung einer Ausnahme weggefallen ist (Verfügung der FINMA vom 6. Dezember 2019, Rn 59). Auf alle Fälle müssen die erlassenen Auflagen dem Schutz der Minderheitsaktionäre dienen sowie sachgerecht und verhältnismässig sein (Verfügung der FINMA vom 18. Mai 2021, Rn 31).

[66] Die Gesuchsteller sind der Ansicht, dass es angezeigt sei, eine Sanierungsausnahme ohne Auflagen zu erhalten (act. 1/1, Rn 81), und beantragen dies in ihrem Antrag 2 explizit.

[67] Vorliegend erscheint es weder als im Sinne der Verhältnismässigkeit angebracht noch als nötig, um unangemessene Ergebnisse zu vermeiden, die Sanierungsausnahme mit einer Auflage i.S.v. Art. 41 Abs. 3 FinfraV-FINMA zu gewähren. Dem Antrag der Gesuchsteller kann somit stattgegeben werden. Die Sanierungsausnahme wird ohne Auflage i.S.v. Art. 41 Abs. 3 FinfraV-FINMA gewährt.

3.3.6 Fazit

[68] Die Voraussetzungen des Sanierungsbedarfs (vgl. Ziff. 3.2 oben), der Sanierungseignung (vgl. Ziff. 3.3.3 oben) und der Subsidiarität (vgl. Ziff. 3.3.4 oben) sind vorliegend erfüllt. Die Sanierungsausnahme kann in diesem Fall zudem ohne Auflage i.S.v. Art. 41 Abs. 3 FinfraV-FINMA gewährt werden (vgl. Ziff. 3.3.5 oben). Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände wird dem Kanton Basel-Stadt damit im Zusammenhang mit der Transaktion eine Sanierungsausnahme i.S.v. Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG von der Angebotspflicht mit Blick auf die Aktien der MCH Group ohne Auflagen gewährt.

4.  Publikation

[69] Nach Art. 61 Abs. 3 UEV veröffentlicht die Zielgesellschaft die allfällige Stellungnahme ihres Verwaltungsrates (lit. a) und das Dispositiv der Verfügung der UEK (lit. b). Zudem veröffentlicht die Zielgesellschaft den Hinweis, innert welcher Frist und unter welchen Voraussetzungen ein qualifizierter Aktionär Einsprache gegen die Verfügung der UEK erheben kann (Art. 61 Abs. 3 lit. c UEV). Art. 6 und 7 UEV sind auf diese Veröffentlichung anwendbar (Art. 61 Abs. 4 UEV).

[70] Im vorliegenden Fall beantragen die Gesuchsteller im Rahmen ihres Antrags Ziff. 3, dass die Verfügung der UEK in Absprache mit der MCH Group zu veröffentlichen ist. Ausserdem führen die Gesuchsteller aus, dass der Verwaltungsrat der MCH Group nicht plant, eine Stellungnahme vor Erlass der Verfügung nach Art. 61 Abs. 1bis UEV einzureichen oder eine solche nach Art. 61 Abs. 3 lit. a UEV zu veröffentlichen (act. 1/1, Rn 5).

[71] Im Lichte dessen hat die MCH Group eine allfällige Stellungnahme ihres Verwaltungsrates, das Dispositiv der vorliegenden Verfügung und den Hinweis auf die Möglichkeit der qualifizierten Aktionäre, Einsprache gegen diese Verfügung zu erheben, in Anwendung von Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV zu veröffentlichen.

[72] Die vorliegende Verfügung wird somit im Nachgang zu deren Veröffentlichung durch die MCH Group gemäss Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV auf der Webseite der UEK publiziert.

5.  Gebühr

[73] Gemäss Art. 126 Abs. 5 FinfraG kann die UEK von den Parteien in Verfahren in Übernahmesachen Gebühren erheben.

[74] Nach Art. 118 Abs. 1 FinfraV erhebt die UEK eine Gebühr, wenn sie in anderen Übernahmesachen entscheidet, insbesondere über das Bestehen einer Angebotspflicht. Die Gebühr beträgt je nach Umfang und Schwierigkeit des Falles bis zu CHF 50'000 Franken (Art. 118 Abs. 2 FinfraV).

[75] Für die Prüfung des vorliegenden Gesuchs wird angesichts von Komplexität und Umfang der zu beurteilenden Sach- und Rechtsfragen eine Gebühr in der Höhe von CHF 40'000 zulasten der Gesuchsteller erhoben. Die Gesuchsteller haften solidarisch für diese Gebühr.


Die Übernahmekommission verfügt:

1. Es wird auf Grund der derzeit der Übernahmekommission vorliegenden Akten festgestellt, dass (i) durch die Vereinbarung und/oder Durchführung der beschriebenen Transaktion weder Lupa Investment Holdings, LP noch Lupa Systems LLC noch der Kanton Basel-Stadt noch die MCH Group AG im Hinblick auf die Beherrschung der MCH Group AG in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA handeln und (ii) weder die Vereinbarung noch die Durchführung der beschriebenen Transaktion für Lupa Investment Holdings, LP, Lupa Systems LLC, den Kanton Basel-Stadt oder die MCH Group AG, gemeinsam oder je einzeln, die Angebotspflicht i.S.v. Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG in Bezug auf die kotierten Beteiligungspapiere der MCH Group AG auslöst.

2. Auf Grund der derzeit der Übernahmekommission vorliegenden Akten wird dem Kanton Basel-Stadt im Zusammenhang mit der beschriebenen Transaktion eine Ausnahme gemäss Art. 136 Abs. 1 lit. e FinfraG von der Angebotspflicht i.S.v. Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG in Bezug auf die kotierten Beteiligungspapiere der MCH Group AG ohne Auflagen gewährt.

3. MCH Group AG veröffentlicht das Dispositiv der vorliegenden Verfügung und den Hinweis auf die Möglichkeit der qualifizierten Aktionäre, Einsprache gegen diese Verfügung zu erheben, in Anwendung von Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV.

4. Die vorliegende Verfügung wird im Nachgang zu deren Veröffentlichung gemäss Dispositiv-Ziff. 3 hiervor auf der Webseite der Übernahmekommission publiziert.

5. Die Gebühr zulasten der MCH Group AG, des Kantons Basel-Stadt und von Lupa Investment Holdings, LP beträgt unter solidarischer Haftung CHF 40'000.

 

 

 

Die Präsidentin:

Mirjam Eggen

 

 

Diese Verfügung geht an die Parteien:

  • MCH Group AG, Kanton Basel-Stadt und Lupa Investment Holdings, LP, vertreten durch Dr. Daniel Daeniker und Prof. Dr. Daniel Häusermann, Homburger AG.

 

Diese Verfügung geht zur Kenntnisnahme an:

  • Dr. Peter Nobel, Nobel Baudenbacher Rechtsanwälte, zweiter Vertreter des Kantons Basel-Stadt;

  • Dr. Rolf Watter und Dr. Dieter Dubs, Bär & Karrer AG, zweite Vertreter von Lupa Investment Holdings, LP.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):

Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.

Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):

Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben. Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung der vorliegenden Verfügung einzureichen. Sie muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 Abs. 3 und 4 UEV enthalten (Art. 58 Abs. 3 UEV).