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Transaktionen

0765 - MCH Group AG

Verfügung 765/02 vom 20. August 2020

Gesuch der MCH Group AG und von Lupa Systems LLC betreffend die Feststellung der Gültigkeit einer Opting up-Klausel und das Nichtbestehen einer Angebotspflicht betreffend die MCH Group AG – Einsprache der LLB Swiss Investment AG

A.
Mit der Verfügung 765/01 vom 13. Juli 2020 in Sachen MCH Group AG (Verfügung 765/01) traf die Übernahmekommission auf Gesuch der MCH Group AG (MCH Group) und der Lupa Systems LLC (Lupa; MCH Group und Lupa, zusammen, die Gesuchsteller) hin mit Blick auf die auf den 3. August 2020 anberaumte ausserordentliche Generalversammlung der MCH Group (a.o. GV vom 3. August 2020) verschiedene Feststellungen betreffend die Gültigkeit einer Opting up-Klausel sowie das Nichtbestehen der Angebotspflicht (vgl. zu den Feststellungen im Einzelnen insbesondere das Dispositiv der Verfügung 765/01).

B.
Die Verfügung 765/01 wurde am 16. Juli 2020 auf der Webseite der Übernahmekommission veröffentlicht.

C.
Am 23. Juli 2020 erhob die LLB Swiss Investment AG (LLB oder Einsprecher) bei der Übernahmekommission Einsprache gegen die Verfügung 765/01 gemäss Art. 58 Abs. 1 lit. b UEV (Einsprache).

Im Rahmen der Einsprache beantragte die LLB was folgt:

„1. Der Einsprecher sei als qualifizierter Aktionär im Sinne von Art. 56 UEV anzuerkennen und im Verfahren 0765/01 – MCH Group AG als Partei zuzulassen;

2. Die Verfügung vom 13. Juli 2020 sei vollumfänglich aufzuheben; und über das Gesuch der Gesuchsteller sei neu wie folgt zu verfügen:

(1) Es sei festzustellen, dass die generelle Opting Up-Klausel sowie die eventualiter geplante selektive Opting Up- Klausel resp. entsprechende, den Aktionären der MCH Group AG diesbezüglich an der a.o. Generalversammlung  vom 3. August 2020 unterbreiteten Statutenbestimmungen übernahmerechtlich ungültig sind;
(2) Es sei festzustellen, dass die Vereinbarung der Transaktion, insbesondere der Abschluss des Purchase and Subscription Agreement und des Relationship Agreement, und dass die Durchführung der Transaktion,  insbesondere die Beschlussfassungen an der vorgesehenen Generalversammlung der MCH Group AG und deren  Umsetzung, für alle an der MCH Group AG als Aktionäre beteiligten Körperschaften des öffentlichen Rechts, für  Lupa Systems LLC und für die MCH Group AG als Handeln in gemeinsamer Absprache nach Art. 33 FinfraV-FINMA  gilt und die Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Angebots nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG auslöst;
(3) (Es sei festzustellen, dass der Kanton Basel-Stadt, Kanton Basel-Landschaft, Kanton Zürich sowie die Stadt  Zürich als Aktionäre bei der statutarischen Einführung der Opting Up-Bestimmung “nicht“ als  “Minderheitsaktionäre“ gelten und folglich an der a.o. Generalversammlung vom 3. August 2020 nicht mitstimmen können resp. deren Stimmen bei der Ermittlung der “Zustimmung der Mehrheit der Minderheit nicht zu zählen“  sind, und dass das Gleiche auch für Gesuchsteller 2 und/oder James Murdoch und die von diesen bereits vor der  a.o. Generalversammlung vom 3. August 2020 direkt oder indirekt erworbenen Titel des Gesuchstellers 1 gilt;
3. alles unter Auflage der Kosten an die Gesuchsteller[.]“

Auf die Begründung obiger Anträge wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.

D.
Am 24. Juli 2020 stellte die Übernahmekommission der MCH Group, der Lupa, dem Kanton Basel-Stadt sowie der LLB (die Parteien) per E-Mail (und sodann auch postalisch) eine verfahrensleitende Verfügung unter Beilage der Einsprache (die verfahrensleitende Verfügung vom 24. Juli 2020) zu und forderte die MCH Group, die Lupa und den Kanton Basel-Stadt auf, zur Einsprache bis am 28. Juli 2020, 14:00 Uhr, Stellung zu nehmen.

E.
Am 28. Juli 2020 stellten die MCH Group, die Lupa und der Kanton Basel-Stadt der Übernahmekommission fristgemäss ihre Stellungnahmen zur Einsprache (je einzeln die MCH Group-Stellungnahme, die Lupa-Stellungnahme sowie die Basel-Stadt-Stellungnahme, und zusammen die Stellungnahmen zur Einsprache) zu.

Im Rahmen der MCH Group-Stellungnahme beantragte die MCH Group bei der Übernahmekommission was folgt:

„1. Es sei auf die Einsprache mangels Feststellungsinteresse des Einsprechers nicht einzutreten.

2. Eventualiter sei die Verfügung 765/01 vollumfänglich zu bestätigen, und entsprechend die Anträge 2(1) und 2(2) der Einsprache abzuweisen.

3. Eventualiter sei der Antrag 2(3) der Einsprache abzuweisen; und es sei festzustellen, dass der Kanton Basel-Landschaft, der Kanton Zürich sowie die Stadt Zürich als Aktionäre bei der statutarischen Einführung der selektiven Opting up-Bestimmung als "Minderheitsaktionäre" gelten und folglich mitstimmen können resp. deren Stimmen bei der Ermittlung der "Zustimmung der Mehrheit der Minderheit" zu zählen sind; und es sei festzustellen, dass es dem Interesse der MCH Group entspricht, wenn ein selektives Opting up eingeführt wird.

4. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Einsprechers.“

Im Rahmen der Lupa-Stellungnahme beantragte die Lupa bei der Übernahmekommission was folgt:

„1. Es seien die Anträge 2 (inklusive Unteranträge (1)-(3) und 3 der Einsprache LLB Swiss Investment AG vollumfänglich abzuweisen resp. sei das Dispositiv der Verfügung 765/01 vom 13. Juli 2020 in Sachen MCH Group AG vollumfänglich zu bestätigen.

2. Der LLB Swiss Investment AG seien alle Kosten aufzuerlegen.“

Im Rahmen der Basel-Stadt-Stellungnahme beantragte der Kanton Basel-Stadt bei der Übernahmekommission was folgt:

„Ziffer 2 (samt ihre Unteranträge 1 – 3) sowie Ziff. 3 der Anträge des Einsprechers seien abzuweisen und die angefochtene Verfügung sei vollumfänglich zu bestätigen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Einsprechers.“

Auf die Begründung obiger Anträge wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.

F.
Am 29. Juli 2020 stellte die Übernahmekommission den Parteien per E-Mail (und sodann auch postalisch) eine verfahrensleitende Verfügung unter Beilage der Stellungnahmen zur Einsprache (die verfahrensleitende Verfügung vom 29. Juli 2020) zu, mit welcher sie der LLB im Rahmen des Verfahrens 765 in Sachen MCH Group Parteistellung nach Art. 56 Abs. 3 UEV (inkl. Akteneinsichtsrecht) gewährte und die LLB aufforderte, zu den Stellungnahmen zur Einsprache bis am 4. August 2020, 14:00 Uhr, Stellung zu nehmen.

G.
Am 3. August 2020, nach Durchführung der a.o. GV vom 3. August 2020, gab die MCH Group per Medienmitteilung bekannt, dass die Aktionäre der MCH Group allen Anträgen des Verwaltungsrats zugestimmt hätten, womit Letzterer die Umsetzung des vorgelegten Massnahmenpakets vorantreiben könne.

Gemäss dem Generalversammlungs-Protokoll (letztmals abrufbar am 20. August 2020 über den Link https://www.mch-group.com/wp-content/uploads/2020/08/MCH_ao.-GV200803_Protokoll.pdf) wurde anlässlich der a.o. GV vom 3. August 2020 über folgende Traktanden Beschluss gefasst:

  • Traktandum 1: Einführung Opting-up (bedingter Beschluss) (§ 5a der Statuten);

  • Traktandum 2: Ordentliche Kapitalerhöhung unter Aufhebung der Bezugsrechte;

  • Traktandum 3: Ordentliche Kapitalerhöhung mit Gewährung von Bezugsrechten (bedingter Beschluss);

  • Änderung der Zusammensetzung des Verwaltungsrates (bedingter Beschluss) (Änderung § 22 und § 8b) der Statuten);

  • Traktandum 5: Zuwahlen in den Verwaltungsrat (bedingte Wahlen);

  • Traktandum 6: Aufhebung Vinkulierung und Änderung Eintragungsbeschränkungen (bedingte Beschlussfassung) (Änderung § 3 und § 5 der Statuten).

Mit Blick auf die Abstimmung über das hiervor erwähnte Traktandum 1: Einführung Opting-up (bedingter Beschluss) (§ 5a der Statuten) hält das Generalversammlungs-Protokoll bezugnehmend auf den beantragten Text der Statuten, d.h.

Für den Fall und sofern Lupa Systems LLC, New York, USA («Lupa») und/oder deren wirtschaftlich Berechtigter – alleine oder zusammen mit Personen, die Lupa kontrollieren, unter gemeinsamer Kontrolle wie Lupa stehen oder in gemeinsamer Absprache mit Lupa handeln – (i) durch Zeichnung oder Erwerb von Namenaktien der Gesellschaft im Rahmen der Kapitalerhöhung, die im Jahr 2020 durchgeführt wird, und/oder (ii) durch Erwerbsgeschäfte oder ein Handeln in gemeinsamer Absprache nach der im Jahr 2020 durchgeführten Kapitalerhöhung den Grenzwert von 33 1/3 %, jedoch nicht den Grenzwert von 49% der Stimmrechte der Gesellschaft überschreitet, sind Lupa sowie Personen, die Lupa kontrollieren, unter gemeinsamer Kontrolle wie Lupa stehen oder in gemeinsamer Absprache mit Lupa handeln, von der Pflicht zur Unterbreitung eines Übernahmeangebots gemäss Art. 135 des Bundesgesetzes über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel vom 19. Juni 2015 (FinfraG) befreit.",

fest, dass

(i)

die Einführung eines formell selektiven Opting up mit 71.5% der Stimmen genehmigt worden sei, unter Angabe folgender Details zum Abstimmungsergebnis

 

- Vertretene Stimmen 4'680'690 Stimmen

- 2/3-Mehr 3'120'460 Stimmen

- Ja 3'344'451 Stimmen 71.5%

- Nein 1'317'554 Stimmen

- Enthaltungen 18'685 Stimmen






und dass


 

(ii) zusätzlich zum vorgenannten statutarischen Quorum betreffend Statutenänderung auch die Mehrheit der Minderheitsaktionäre dem Antrag mit 50.3% der Stimmen zugestimmt hätte, unter Angabe folgender Details zum Abstimmungsergebnis

- Vertretene Stimmen 4'680'690 Stimmen

- Stimmen Kt. Basel-Stadt 2'013'650 Stimmen

- Enthaltungen 18'685 Stimmen

- Abgegebene Stimmen ohne Kt. Basel-Stadt 2'648'355 Stimmen

- Absolutes Mehr 1'324'178 Stimmen

- Ja 1'330'801 Stimmen 50.3%

- Nein 1'317'554 Stimmen

H.

Am 4. August 2020 stellte die LLB der Übernahmekommission fristgemäss eine sog. Ergänzung der Einsprache (Replik) zu.

Die LLB beantragte im Rahmen der Replik was folgt:


„1. Die Verfügung vom 13. Juli 2020 sei vollumfänglich aufzuheben; und über das Gesuch der Gesuchsteller sei neu wie folgt zu verfügen;
(1) Es sei festzustellen, dass die generelle Opting Up-Klausel sowie die eventualiter geplante selektive Opting Up-Klausel resp. entsprechende, den Aktionären der MCH Group AG diesbezüglich an der a.o. Generalversammlung vom 3. August 2020 unterbreiteten Statutenbestimmungen übernahmerechtlich ungültig sind;
(2) Es sei festzustellen, dass die Vereinbarung der Transaktion, insbesondere der Abschluss des Purchase and Subscription Agreement und des Relationship Agreement, und dass die Durchführung der Transaktion, insbesondere die Beschlussfassungen an der a.o. Generalversammlung der MCH Group AG vom 3. August 2020 und deren Umsetzung, für alle an der MCH Group AG als Aktionäre beteiligten Körperschaften des öffentlichen Rechts, für Lupa Systems LLC und für die MCH Group AG als Handeln in gemeinsamer Absprache nach Art. 33 FinfraV-FINMA gilt und die Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Angebots nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG auslöst;
(3) Es sei festzustellen, dass der Kanton Basel-Stadt, Kanton Basel-Landschaft, Kanton Zürich sowie die Stadt Zürich als Aktionäre bei der statutarischen Einführung der Opting Up-Bestimmung “nicht“ als “Minderheitsaktionäre“ gelten und folglich an der a.o. Generalversammlung vom 3. August 2020 nicht mitstimmen können resp. deren Stimmen bei der Ermittlung der “Zustimmung der Mehrheit der Minderheit nicht zu zählen“ sind, und dass das Gleiche auch für Gesuchsteller 2 und/oder James Murdoch und die von diesen bereits vor der a.o. Generalversammlung vom 3. August 2020 direkt oder indirekt erworbenen Titel des Gesuchstellers 1 gilt;

2. alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich MwSt) zu Lasten der Gesuchsteller und der Stadt-Basel [gemeint wohl der Kanton Basel-Stadt], hinsichtlich Entschädigungsfolgen (zuzüglich MwSt) und unter solidarischer Haftung der Gesuchsteller und der Stadt-Basel [gemeint wohl der Kanton Basel-Stadt].“

Die Anträge der Replik entsprechen im Wesentlichen denjenigen der Einsprache (vgl. Sachverhalt Bst. C). In materieller Hinsicht ergänzt hat der Einsprecher soweit ersichtlich lediglich den Antrag Ziff. 3 der Einsprache, indem er gegenüber den Gesuchstellern und der Stadt-Basel (gemeint wohl der Kanton Basel-Stadt) im Rahmen des Antrags Ziff. 2 der Replik nun auch eine Parteientschädigung sowie MwSt verlangt. Die vorliegende Verfügung wird im Folgenden, wenn immer möglich, auf die Anträge der Einsprache Bezug nehmen. (Gegen-)Anträge der Gesuchsteller und des Kantons Basel-Stadt werden, sofern sie keiner selbständigen Beurteilung in den Erwägungen bedürfen, direkt im Dispositiv erledigt.

Auf die Begründung obiger Anträge wird soweit erforderlich in den Erwägungen eingegangen.

I.
Am 5. August 2020 stellte die Übernahmekommission den Parteien per E-Mail (und sodann auch postalisch) eine verfahrensleitende Verfügung unter Beilage der Replik (die verfahrensleitende Verfügung vom 5. August 2020) zu und forderte die MCH Group, die Lupa und den Kanton Basel-Stadt auf, zur Replik bis am 10. August 2020, 14:00 Uhr, Stellung zu nehmen.

J.
Am 10. August 2020 stellten die MCH Group, die Lupa und der Kanton Basel-Stadt der Übernahmekommission fristgemäss ihre Stellungnahmen zur Replik (je einzeln die MCH Group-Duplik, die Lupa-Duplik sowie die Basel-Stadt-Duplik, und zusammen die Dupliken) zu.

K.
Am 13. August 2020 stellte die Übernahmekommission der LLB die Dupliken per E-Mail zu.

L.
Am 14. August 2020 stellte die LLB der Übernahmekommission unaufgefordert eine Stellungnahme zu den Dupliken (Triplik) zu.

M.
Am 16. bzw. 17. August 2020 stellten die MCH Group und die Lupa der Übernahmekommission unaufgefordert Stellungnahmen zur Triplik (je einzeln die MCH Group-Quadruplik und die Lupa-Quadruplik, und zusammen die Quadrupliken) zu.

N.
Ebenfalls am 17. August 2020 stellte die LLB der Übernahmekommission unaufgefordert eine Stellungnahme zu den Quadrupliken (Quintuplik) zu.

O.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus dem Präsidenten Thomas A. Müller, Lionel Aeschlimann und Mirjam Eggen gebildet.

Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1.  Schutzwürdiges Feststellungsinteresse des Einsprechers (Antrag Ziff. 1 der MCH Group-Stellungnahme)

1.1 Ausführungen der Parteien

[1] Im Rahmen der MCH Group-Stellungnahme wird beantragt, dass auf die Einsprache mangels schutzwürdigem Feststellungsinteresse des Einsprechers nicht einzutreten sei (vgl. Sachverhalt Bst. E).

[2] Die MCH Group macht diesbezüglich im Wesentlichen geltend (vgl. Rn 13 der MCH Group-Stellungnahme), dass der Einsprecher im vorliegenden Fall kein individuelles, aktuelles sowie konkretes Interesse habe, mögliche Unsicherheiten über das Auslösen einer Angebotspflicht im Rahmen der vorgesehenen Sanierung der MCH Group zu klären. Insbesondere habe der Einsprecher kein übernahmerechtliches Feststellungsinteresse, wenn es darum gehe, die Ungültigkeit der Opting up-Klausel, das Bestehen einer Angebotspflicht oder die Berechtigung des Kantons Basel-Stadt, des Kantons Basel-Landschaft, des Kantons Zürich sowie der Stadt Zürich (zusammen die Aktionäre der öffentlichen Hand) zum Mitstimmen beim Entscheid der "Mehrheit der Minderheit" zu prüfen. Dem Einsprecher gehe es nicht um das Gesellschaftsinteresse der MCH Group, sondern lediglich um die Zerschlagung der MCH Group und damit um die Maximierung des Werts seiner Beteiligung an der MCH Group (vgl. Rn 17 der MCH Group-Stellungnahme). Das Instrument der Einsprache würde vorliegend missbraucht, was nicht schützenswert sei (vgl. Rn 19 der MCH Group-Stellungnahme). In Rn 20 der MCH Group-Stellungnahme macht der Einsprecher sodann auch geltend, dass es dem Einsprecher auch an einem konkreten und individuellen Interesse an der Feststellung der Berechtigung der Aktionäre der öffentlichen Hand fehle, beim Entscheid der "Mehrheit der Minderheit" im Rahmen der vorgesehenen Transaktion mitzustimmen.

1.2 Erwägungen und Fazit der Übernahmekommission

[3]  Die Übernahmekommission wacht erstinstanzlich über die Einhaltung der Vorschriften im Bereich der öffentlichen Kaufangebote, wobei für das Verfahren die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG) gelten (Art. 139 Abs. 1 FinfraG), sofern das FinfraG und die UEV keine besonderen Verfahrensvorschriften vorsehen, die im Sinne einer sog. lex specialis bzw. einer sog. lex posterior den Bestimmungen des VwVG vorgehen (Verfügung 672/01 vom 26. Januar 2018 in Sachen SHL Telemedicine Ltd., Erw. 1.2).

[4] Gemäss Art. 139 Abs. 3 FinfraG haben Aktionärinnen und Aktionäre mit mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, Parteistellung, wenn sie diese bei der Übernahmekommission beanspruchen, wobei der Antrag auf Parteistellung u.a. in der Form einer Einsprache gegen eine bereits erlassene Verfügung der Übernahmekommission erfolgen kann (welche immer auch einen Antrag auf Parteistellung beinhaltet; Art. 56 Abs. 3 i.V.m. Art. 58 UEV; vgl. Verfügung 745/02 vom 28. Januar 2020 in Sachen LEM Holding SA).

[5] Vorliegend hat der Einsprecher nachgewiesen, dass er ab der Veröffentlichung der Verfügung 765/01 (insbesondere auch im Zeitpunkt der Einreichung der Einsprache) über mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der MCH Group verfügt. Die Einsprache wurde am 23. Juli 2020 innerhalb der Frist von fünf Börsentagen gemäss Art. 58 Abs. 1 Bst. b UEV bei der Übernahmekommission eingereicht und entsprach den Voraussetzungen gemäss Art. 58 Abs. 3 UEV, weshalb die Übernahmekommission dem Einsprecher per verfahrensleitender Verfügung vom 29. Juli 2020 im Rahmen des Verfahrens 765 in Sachen MCH Group Parteistellung nach Art. 56 Abs. 3 Bst. b UEV verbunden mit dem Recht auf Akteneinsicht gewährte.

[6] Die Übernahmekommission tritt auf die Einsprache bzw. die in deren Rahmen gestellten Anträge zum Streitgegenstand ein (vgl. dazu auch Dieter Gericke/Karin Wiedmer, Kommentar Übernahmeverordnung [UEV], Zürich/Basel/Genf 2020, Rn 14 zu Art. 58).

[7] Der Antrag Ziff. 1 der MCH Group-Stellungnahme wird entsprechend abgewiesen.

2.  Handeln in gemeinsamer Absprache und Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Angebots (Antrag Ziff. 2 [2] der Einsprache)

2.1 Ausführungen der Parteien

[8] Im Rahmen der Einsprache (Antrag Ziff. 2 [2] der Einsprache) beantragt LLB, es sei festzustellen, dass die Vereinbarung der Transaktion, insbesondere der Abschluss des Purchase and Subscription Agreement und des Relationship Agreement, und dass die Durchführung der Transaktion, insbesondere die Beschlussfassungen an der massgeblichen Generalversammlung der MCH Group und deren Umsetzung, für alle an der MCH Group als Aktionäre beteiligten Körperschaften des öffentlichen Rechts, für Lupa und für die MCH Group als Handeln in gemeinsamer Absprache nach Art. 33 FinfraV-FINMA gilt und die Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Angebots nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG auslöst (vgl. Sachverhalt Bst. C und H).

[9] Der Einsprecher begründet den Antrag u.a. wie folgt:

- Die Aktionäre der öffentlichen Hand und die Lupa könnten bzw. würden faktisch, falls die geplante Transaktion vollzogen würde, aufgrund des Umfangs ihrer Aktienstimmen die Generalversammlung und aufgrund der Anzahl ihrer Verwaltungsratsmitglieder (6 von 8 bis 9 Mitgliedern) den Verwaltungsrat in Zukunft gemeinsam beherrschen. Sie könnten allfällige Abreden in Zukunft ohne Weiteres und ohne relevanten Widerstand in der Generalversammlung und im Verwaltungsrat um- und durchsetzen (Rn 43 der Einsprache).
- In Rn 44 der Einsprache führt der Einsprecher verschiedene Abreden auf, welche als solche (und womöglich mit weiteren Abreden) einzeln sowie jedenfalls im Sinne einer Gesamtschau im Sinne von Art. 33 FinfraV-FINMA kontrollrelevant seien.
  • Die Lupa sichere mit Blick auf die Strategie der MCH Group vertraglich zu, die rentablen Messen in Basel und Zürich langfristig weiterzuführen, inkl. Durchführung der für die Geschicke der MCH Group zentralen Messe ART in Basel.

  • Die Aktionäre der öffentlichen Hand würden der Lupa im Rahmen der Transaktion drei Verwaltungsratssitze zusichern (drei weitere Verwaltungsratssitze würden den Aktionären der öffentlichen Hand statutarisch zugesichert).

  • Die Lupa würde u.a. vom Verwaltungsratspräsidenten der MCH Group als strategischer Partner und als Cornerstone-Aktionär bezeichnet. In der Einladung zur a.o. GV vom 3. August 2020 sei ausserdem von der strategischen Kompetenz der Lupa die Rede. Es sei alsdann auch bereits eine gemeinsame Wachstumsstrategie kommuniziert worden, in deren Kern die Weiterentwicklung des Messeformats zu einer Plattform, auf der sich die Community während des ganzen Jahres austausche, stehe. Angesichts dessen liege es nahe, dass man sich hinsichtlich dieser Wachstumsstrategie (zumindest) im Sinne eines Gentlemen’s Agreement bereits abgesprochen habe.

  • Die Aktionäre der öffentlichen Hand würden sich zudem in Bezug auf die Transaktionsstruktur offensichtlich bereits gegenwärtig und wohl auch zukünftig von der Lupa massiv beeinflussen lassen.

  • Die Lupa und der Verwaltungsrat der MCH Group und damit auch die MCH Group selbst und letztlich, über ihre Mehrheit im Verwaltungsrat, auch die Aktionäre der öffentlichen Hand würden sich bereits jetzt über wichtige Themen (bspw. den Verbleib von Dr. Ulrich Vischer als Verwaltungsratspräsident der MCH Group bis zur ordentlichen Generalversammlung im Jahr 2021) absprechen.

  • In einer Gesamtbetrachtung bestehe faktisch bereits jetzt eine derart intensive Bindung zwischen der MCH Group und der Lupa sowie den Aktionären der öffentlichen Hand, welche diese zu einer Abstimmung zumindest zu wichtigen strategischen und anderweitig wichtigen Themen zwinge (wobei unter anderem in Bezug auf die bereits kommunizierte, gemeinsame Wachstumsstrategie bereits jetzt von einem Gentlemen‘s Agreement auszugehen sein dürfte). Dabei seien die MCH Group und die Aktionäre der öffentlichen Hand offensichtlich bereit, auch den Vorstellungen der Lupa Nachachtung zu verschaffen, unter anderem in Bezug auf die bereits kommunizierte, gemeinsame Wachstumsstrategie. Hätten sich die entsprechenden Parteien einmal abgestimmt, könnten sie ihre Absprachen dann, namentlich angesichts der geplanten Mehrheit im Verwaltungsrat, ohne Weiteres auch gemeinsam umsetzen.
- In der Replik finden sich weitere Ausführungen des Einsprechers, welche belegen oder mindestens darauf hinweisen sollen, dass die Aktionäre der öffentlichen Hand und die Gesuchsteller in gemeinsamer Absprache und mit Beherrschungsabsicht handeln (Rn 24 ff. der Replik) bzw. dass die Aktionäre der öffentlichen Hand untereinander und aufgrund kontrollrelevanter Absprachen auch zusammen mit der Lupa eine angebotspflichtige Gruppe bilden (Rn 33 ff. der Replik). In diesem Zusammenhang weist der Einsprecher insbesondere auch auf die Vereinbarung zwischen dem Kanton Basel-Stadt und dem Kanton Basel-Landschaft betreffend MESSE BASEL vom 19. Dezember 2000 hin, welche bis zu deren Teilrevision vom 30. Juli 2020 die folgenden beiden Passagen enthielt

 

Damit den besonderen Interessen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft im Verwaltungsrat der [MCH Group] auch in der neuen Struktur gebührend Rechnung getragen werden kann, verpflichten sich die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, alles zu unternehmen, dass im Verwaltungsrat der XY Holding AG die 3 VertreterInnen des Kantons Basel-Stadt und der eine bzw. die eine VertreterIn des Kantons Basel-Landschaft eine gleichgerichtete Meinung vertreten und entsprechend auch gleichermassen ihr Stimmrecht ausüben."

Die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft werden alles unternehmen, um an den Generalversammlungen der [MCH Group] eine einheitliche Stimmabgabe sicherzustellen. Zu diesem Zweck werden sie sich frühzeitig bei sich allenfalls abzeichnenden Differenzen miteinander in Verbindung setzen mit dem Ziel, eine einheitliche Stimmabgabe zu erreichen, wobei diesbezüglich insbesondere den besonderen Interessen des Kantons Basel-Stadt Beachtung zu schenken ist."

[10] Im Rahmen ihrer Stellungnahmen zur Einsprache bzw. ihrer Dupliken bestreiten die Gesuchsteller sowie der Kanton Basel-Stadt das Vorliegen eines Handelns in gemeinsamer Absprache im Hinblick auf die Beherrschung der MCH Group bzw. einer angebotspflichtigen Gruppe mangels Erfüllung der dafür notwendigen Tatbestandselemente (vgl. Rn 11 ff. der Lupa-Stellungnahme; Abschnitt IV der Basel-Stadt-Stellungnahme; Rn 69 ff. der MCH Group-Stellungnahme; Rn 14 ff. der Lupa-Duplik; Abschnitt III und V der Basel-Stadt-Duplik; Rn 16 ff. der MCH Group-Duplik).

2.2 Erwägungen und Fazit der Übernahmekommission

[11] Nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG muss diejenige Person, welche direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Beteiligungspapieren, die sie bereits besitzt, den Grenzwert von 33⅓% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft überschreitet, ob ausübbar oder nicht, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft unterbreiten.

[12] Art. 33 FinfraV-FINMA hält fest, dass für Personen, die der Angebotspflicht unterliegende Beteiligungen der Zielgesellschaft im Hinblick auf die Beherrschung der Zielgesellschaft in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe erwerben, Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA gilt. Nach Art. 12 Abs. 1 FinfraV-FINMA handelt in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe, wer seine Verhaltensweise im Hinblick auf den Erwerb oder die Veräusserung von Beteiligungspapieren oder die Ausübung von Stimmrechten mit Dritten durch Vertrag oder andere organisierte Vorkehren oder von Gesetzes wegen abstimmt.

[13] Ein Handeln in gemeinsamer Absprache i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA wird nach höchstrichterlicher Rechtsprechung angenommen, wenn der gemeinsame Erwerb von Aktien eine Beherrschung objektiv ermöglicht und auf Grund der Umstände darauf zu schliessen ist, dass eine Beherrschung auch angestrebt wird (BGE 130 II 530 ff., Erw. 6.5.7; vgl. ebenfalls die Verfügung 672/01 in Sachen SHL Telemedicine Ltd. vom 26. Januar 2018, Rn 28 bezüglich dem zitierten BGE und die Rn 29 – 31 zur weitergehenden Praxis zu Art. 33 FinfraV-FINMA sowie die Verfügung 672/09 in Sachen SHL Telemedicine Ltd. vom 11. Juli 2019, Rn 10).

[14] Nach Ansicht der Übernahmekommission sieht die Zweckbestimmung in den Statuten der MCH Group im Wesentlichen bereits vor, was in Ziff. 2 (a) und (c) des Relationship Agreement mit Blick auf Lupa und die Aktionäre der öffentlichen Hand vereinbart wurde.

§ 2 der Statuten der MCH Group:

Die Gesellschaft [d.h. MCH Group] bezweckt in erster Linie den Erwerb, die Veräusserung und die Verwaltung von Beteiligungen an und Finanzierung von in- und ausländischen Unternehmen des Messe- und Kongressbereiches und verwandter Geschäftszweige sowie die Überwachung und Koordination solcher Beteiligungen. Durch Unternehmen, an denen die Gesellschaft beteiligt ist, sollen u.a. Messen, Kongresse und weitere Veranstaltungen namentlich in den vorhandenen Infrastrukturen an den Standorten in Basel, Zürich und Lausanne sowie an anderen Orten im In- und Ausland durchgeführt werden."

Ziff. 2 (a) des Relationship Agreement:

The Investor [d.h. Lupa] acknowledges and agrees that for as long as this Agreement is in force, to act in such a manner as to fully support and comply with the Company’s corporate purpose, this means (i) the registered seat of the Company and its headquarters and corporate center shall be in the City of Basel; (ii) to use commercially reasonable efforts (for the avoidance of doubt, without an obligation to provide additional financing to the Company) that the Exhibitions and Events Buildings continue to be used for exhibitions, shows, congresses and corporate and public events of all kinds (the Events), including Art Basel, all subject to being able to meet health and safety concerns; and to use commercially reasonable efforts to expand the Company's portfolio of Events in order to grow the number of Events and visitors in the City of Basel and the City of Zurich."

Ziff. 2 (c) des Relationship Agreement:

The Public Entity Shareholders acknowledge and agree that for as long as this Agreement is in force, to act in such a manner as to fully support and comply with the Company's corporate purpose."

[15] Mit anderen Worten bekennen sich die Lupa und die Aktionäre der öffentlichen Hand im Relationship Agreement lediglich zum bereits bekannten Inhalt der Statuten der MCH Group und setzen u.a. in Aussicht, den Messe- und Veranstaltungsbetrieb im bisherigen Rahmen weiterzuführen bzw. auszubauen, sofern dies unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbar ist, was noch keine gemeinsame strategische Verpflichtung oder Vereinbarung mit Blick auf die Beherrschung der MCH Group darstellt. Vielmehr geht es primär, wie bereits in der Verfügung 765/01, Erw. 5.4.2 erwähnt, um die Weiterführung der bisherigen Tätigkeiten bzw. Absichten der MCH Group. Konkrete Hinweise darauf, dass es in Bezug auf die Strategie der MCH Group auf Stufe des Verwaltungsrats oder auf Stufe der Aktionäre irgendwelche Absprachen oder Vereinbarungen gibt, welche über das Gesagte hinausgehen, sind nicht ersichtlich.

[16] Hinsichtlich der Vereinbarung zwischen dem Kanton Basel-Stadt und dem Kanton Basel-Landschaft betreffend MESSE BASEL vom 19. Dezember 2000 schliesst sich die Übernahmekommission im Wesentlichen den Argumenten des Kantons Basel-Stadt (Abschnitt V der Basel-Stadt Duplik) an: Die zitierten Passagen, welche im Rahmen der Teilrevision vom 30. Juli 2020 aus der Vereinbarung entfernt wurden, sahen lediglich eine gegenseitige Konsultationspflicht zwischen dem Kanton Basel-Stadt und dem Kanton Basel-Landschaft, jedoch keine Vetorechte, Stimmenthaltungspflichten bei Nichterreichen eines gemeinsamen Standpunkts oder dergleichen vor. Eine gemeinsame Absprache im Sinne von Art. 33 FinfraV-FINMA liegt damit nicht vor.

[17] Auch die offenlegungsrechtliche Gruppenmeldung vom 17. Juli 2020, welche im Wesentlichen auf die im Relationship Agreement vorgesehene Verpflichtung der Aktionäre der öffentlichen Hand zurückgeht, ihre Stimmrechte bei Traktanden zur Wahl oder Wiederwahl der Vertreter von Lupa an den zukünftigen Generalversammlungen der MCH Group auszuüben, vermag an obiger Beurteilung nichts zu ändern (vgl. dazu auch Verfügung 765/01, Erw. 5.4.1, Rn [41]).

[18] Im Übrigen hält die Übernahmekommission vollumfänglich an ihren Ausführungen in Erw. 5.4 der Verfügung 765/01 fest, insofern diese die Einwendungen des Einsprechers im Rahmen dieses Einsprache-Verfahrens betreffen (Stichwort: Zusicherungen gegenüber der Lupa betreffend deren Vertretung im Verwaltungsrat der MCH Group, Einräumung einer Option zu Gunsten von Lupa sowie weitere Vereinbarungen im Purchase and Subscription Agreement bzw. Relationship Agreement betreffend Lock up, Verpflichtungen auf Insiderrecht und Reglemente sowie Zugang zu Finanzinformationen etc.).

[19] In einer Gesamtbetrachtung kann festgestellt werden, dass es im vorliegenden Fall keine (genügend konkreten) Hinweise auf kontrollrelevante Absprachen mit Blick auf die MCH Group gibt. Auch sind keine sozialen oder faktischen Bindungen erkennbar, welche eine Intensität aufweisen, dass bestimmte Aktionäre nicht mehr frei über ihre Stimmrechtsausübung entscheiden könnten (vgl. Verfügung der Übernahmekammer der EBK vom 29. Mai 2008 in Sachen Sulzer AG, Rn 52).

[20] Weder die Lupa, noch die Aktionäre der öffentlichen Hand, noch die MCH Group handeln auf Grund der derzeit bekannten Umstände in gemeinsamer Absprache im Sinne der Angebotspflicht nach Art. 33 FinfraV-FINMA. Im vorliegenden Fall entsteht somit weder für Lupa, noch für die Aktionäre der öffentlichen Hand und/oder für die MCH Group eine Angebotspflicht gegenüber den Aktionären der MCH Group i.S.v. Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG i.V.m. Art. 33 FinfraV-FINMA, womit die Frage, ob die Zielgesellschaft Teil einer angebotspflichtigen Gruppe i.S.v. Art. 33 FinfraV-FINMA sein kann, auch an dieser Stelle wieder offengelassen werden kann.

[21] Der Antrag Ziff. 2 (2) der Einsprache wird abgewiesen.

3.  Gültigkeit der Opting up-Klausel (Antrag Ziff. 2 [1] der Einsprache)

3.1 Generelle Ausführungen der Parteien

[22] Im Rahmen der Einsprache (Antrag Ziff. 2 [1] der Einsprache) beantragt LLB, es sei festzustellen, dass die generelle Opting up-Klausel sowie die eventualiter geplante selektive Opting up-Klausel resp. entsprechende, den Aktionären der MCH Group diesbezüglich an der a.o. GV vom 3. August 2020 unterbreiteten Statutenbestimmungen übernahmerechtlich ungültig sind (vgl. Sachverhalt Bst. C und H).

[23] Der Einsprecher macht dabei im Kern geltend (vgl. Rn 10 ff. der Einsprache sowie Rn 56 ff. der Replik), dass die für die nachträgliche Einführung einer Opting up-Klausel notwendigen Voraussetzungen gemäss der aktuellen Praxis der Übernahmekommission (vgl. dazu Luc Thévenoz/Lukas Roos, Opting out, in: Mergers & Acquisitions XVII, Hrsg.: Rudolf Tschäni, Zürich/Basel/Genf 2015, S. 40) nicht erfüllt seien. Namentlich seien (i) die Aktionäre nicht transparent über die Einführung des Opting up informiert worden und (ii) habe die Mehrheit der Minderheitsaktionäre an der a.o. GV vom 3. August 2020 der Einführung des Opting up auch gar nicht zugestimmt.

[24] Die Gesuchsteller und der Kanton Basel-Stadt beantragen die Abweisung des genannten Antrags des Einsprechers (vgl. Rn 36 ff. der MCH Group-Stellungnahme; Rn 1 ff. der Lupa-Stellungnahme; Abschnitt III und V der Basel-Stadt-Stellungnahme; Rn 30 ff. der MCH Group-Duplik; Rn 3 ff. der Lupa-Duplik; Abschnitt IV der Basel-Stadt-Duplik).

3.2 Weiteres Vorgehen

[25] Mit Blick auf die Beantwortung der Frage der übernahmerechtlichen Gültigkeit des zur Debatte stehenden Opting up, welche dem Antrag Ziff. 2 (1) der Einsprache zugrunde liegt, gilt es verschiedene Themen bzw. (Vor-)Fragen auseinanderzuhalten.

[26] Aus diesem Grund gliedern sich die folgenden Ausführungen in die Erw. 3.3, in welcher sich die Übernahmekommission zunächst der Frage des Gegenstands der vorliegenden Verfügung (generelles Opting up und/oder formell selektives Opting up) annimmt. In der Erw. 3.4 wird sodann überprüft, ob die Gültigkeitsvoraussetzungen (Transparenz und Mehrheit der Minderheit) für das Opting up erfüllt sind, was insbesondere auch die Klärung der (Vor-)Frage voraussetzt, wer an der Sonderabstimmung der Mehrheit der Minderheit als Minderheitsaktionär teilnehmen darf (Erw. 3.4.1). Das Fazit findet sich schliesslich in Erw. 3.5.

3.3 Formell selektives Opting up als Gegenstand der vorliegenden Verfügung

3.3.1 Ausführungen der Parteien

[27] Der Antrag Ziff. 2 (1) der Einsprache beschränkt sich nicht auf die selektive Opting up-Klausel, über welche an der a.o. GV vom 3. August 2020 abgestimmt wurde, sondern bezieht sich insbesondere auch auf die generelle Opting up-Klausel, welche ebenfalls Gegenstand der Verfügung 765/01 bildete.

[28] Die Gesuchsteller und der Kanton Basel-Stadt sind der Ansicht, dass die entsprechenden Anträge zur generellen Opting up-Klausel gegenstandslos sind, da an der a.o. GV vom 3. August 2020 über das formell selektive Opting up abgestimmt wurde (Rn 1 der Lupa-Stellungnahme; Abschnitt III der Basel-Stadt-Stellungnahme; Rn 36 der MCH Group-Stellungnahme).

3.3.2 Erwägungen und Fazit der Übernahmekommission

[29] Unter Vorbehalt der Einhaltung der für die nachträgliche Einführung einer Opting up-Klausel notwendigen Gültigkeitsvoraussetzungen (d.h. Transparenz und Mehrheit der Minderheit) hatte die Übernahmekommission mit der Dispositiv-Ziff. 1 ihrer Verfügung 765/01 im Vorfeld zur a.o. GV vom 3. August 2020 festgestellt, dass die der Übernahmekommission von den Gesuchstellern im Rahmen ihres Gesuchs präsentierte generelle Opting up-Klausel sowie die eventualiter geplante formell selektive Opting up-Klausel resp. die entsprechenden den Aktionären der MCH Group zu unterbreitenden Statutenbestimmungen übernahmerechtlich gültig seien.

[30] Anlässlich der a.o. GV vom 3. August 2020 wurde über die formell selektive Opting up-Klausel Beschluss gefasst (vgl. zum Wortlaut dieser Klausel Sachverhalt Bst. G). Die ursprünglich von den Gesuchstellern beabsichtigte generelle Opting up-Klausel (vgl. zum Wortlaut dieser Klausel Sachverhalt Bst. K der Verfügung 765/01) gelangte anlässlich der a.o. GV vom 3. August 2020 nicht zur Abstimmung und bildet daher nicht mehr länger Gegenstand des vorliegenden Verfahrens 765 in Sachen MCH Group.

[31] Der Antrag Ziff. 2 (1) der Einsprache ist mit Blick auf die generelle Opting up-Klausel gegenstandslos.

3.4 Gültigkeitsvoraussetzung der Mehrheit der Minderheit

[32] Hinsichtlich der formell selektiven Opting up-Klausel, über welche anlässlich der a.o. GV vom 3. August 2020 abgestimmt wurde, gilt es im Folgenden seitens der Übernahmekommission zu überprüfen, ob die für deren nachträgliche Einführung notwendigen Gültigkeitsvoraussetzungen der Transparenz und der Mehrheit der Minderheit erfüllt sind (siehe dazu Erw. 3.4.2 unten). Dies setzt wie erwähnt zunächst die Klärung der (Vor-)Frage voraus, wer an der Sonderabstimmung der Mehrheit der Minderheit als Minderheitsaktionär überhaupt teilnehmen darf (siehe nachfolgende Erw. 3.4.1).

3.4.1 Stimmberechtigung als Minderheitsaktionär in Bezug auf das formell selektive Opting up (Antrag Ziff. 2 [3] der Einsprache)

3.4.1.1 Ausführungen der Parteien

[33] Im Rahmen der Einsprache (Antrag Ziff. 2 [3] der Einsprache) beantragt LLB, es sei festzustellen, dass die Aktionäre der öffentlichen Hand als Aktionäre bei der statutarischen Einführung der Opting up-Bestimmung nicht als Minderheitsaktionäre gelten und folglich an der a.o. GV vom 3. August 2020 nicht mitstimmen können resp. deren Stimmen bei der Ermittlung der Zustimmung der Mehrheit der Minderheit nicht zu zählen sind, und dass das Gleiche auch für Lupa und/oder James Murdoch und die von diesen bereits vor der a.o. GV vom 3. August 2020 direkt oder indirekt erworbenen Titel der MCH Group gilt.

[34] Zur Begründung des Antrags bringt der Einsprecher in seiner Einsprache und Replik zahlreiche Argumente vor. So würden die Aktionäre der öffentlichen Hand bspw. die MCH Group aufgrund statutarischer Bestimmungen (Vinkulierung etc.) mit einem Stimmrechtsanteil von insgesamt 49% gemeinsam kontrollieren bzw. hätten sich die Aktionäre der öffentlichen Hand bezüglich der Ausübung ihrer Stimmen an der a.o. GV vom 3. August 2020 bereits verbindlich abgesprochen (vgl. Rn 16 ff. der Replik). Auch würden die Aktionäre der öffentlichen Hand und die Gesuchsteller in gemeinsamer Absprache (und mit Beherrschungsabsicht) handeln und eine (angebotspflichtige) Gruppe bilden, die von der Transaktion gemeinsam profitiere (vgl. Rn 24 ff. der Replik). Dass die Aktionäre der öffentlichen Hand tatsächlich je einzeln und auch zusammen als Mehrheitsaktionäre zu gelten hätten, ergäbe sich auch aus den statutarischen Privilegien (Vinkulierung gemäss § 5 Abs. 2 der Statuten der MCH Group; Delegations- bzw. Entsendungsrecht der Aktionäre der öffentlichen Hand gemäss § 8 lit. b i.V.m. § 22 der Statuten der MCH Group), welche den Aktionären der öffentlichen Hand zustünden (vgl. Rn 51 ff. der Einsprache). Die Aktionäre der öffentlichen Hand würden aufgrund verschiedener Absprachen (kostenlose Zuteilung der Bezugsrechte der öffentlichen Hand an die Lupa; gegenseitige Vorkaufsrechte unter den Aktionären der öffentlichen Hand zwecks Sicherung der Kontrolle über die MCH Group) des Weiteren auch untereinander, aber auch mit Lupa in gemeinsamer Absprache handeln, was u.a. auch die offenlegungsrechtliche Gruppenmeldung vom 17. Juli 2020 belegen würde (Rn 56 der Einsprache).

[35] In Rn 24 ff. der Lupa-Stellungnahme wird darauf hingewiesen, dass die Definition der in der Sonderversammlung stimmberechtigten Minderheitsaktionäre in der Verfügung 518/01 vom 11. Oktober 2012 in Sachen Advanced Digital Broadcast Holdings AG festgelegt werde, wonach diejenigen Aktionäre nicht stimmberechtigt seien, welche in erster Linie von dem Opting out oder up profitieren würden. Wörtlich hiesse es in Rn 19 dieser Verfügung: „Il suffit d’examiner le résultat du vote lors de l’assemblée générale en ne comptant pas les droits de vote des actionnaires bénéficiant en premier lieu de la clause d’opting out ou d’opting up […] pour déterminer, aux fins de la présomption discutée plus haut, quel aurait été le résultat théorique d’un vote des actionnaires minoritaires." Gemäss Lupa sei diese ursprüngliche Praxis der Übernahmekommission gemäss der Verfügung 518/01 vom 11. Oktober 2012 in Sachen Advanced Digital Broadcast Holdings AG, Erw. 4.1, Rn 19 sowie Erw. 4.2, Rn 21 ff., auf das beabsichtigte formell selektive Opting up anzuwenden (und das formell selektive Opting up sei im Vergleich zum generellen Opting up dabei als Sonderfall zu behandeln, weil nur ein Aktionär resp. eine definierte Aktionärsgruppe profitiere). Keiner der öffentlich-rechtlich organisierten Aktionäre werde durch die Einführung des selektiven Opting up in irgend einer Weise begünstigt und gelte folglich als Aktionär „bénéficiant en premier lieu de la clause d’opting out ou d’opting up". Dies gelte an sich auch für den Kanton Basel-Stadt, auch wenn seine Ausgangsbeteiligung resp. Beteiligung im Zeitpunkt der Beschlussfassung mehr als 33⅓% betrage. In der Sonderauszählung der Beschlussfassung der Minderheitsaktionäre seien die Stimmen des Kantons Basel-Landschaft, des Kantons Zürich und der Stadt-Zürich nach der bisherigen Praxis zweifellos zu berücksichtigen. Die Einführung des formell selektiven Opting up begünstige ausschliesslich Lupa, welche die Einführung des selektiven Opting up verlangt bzw. beantragt habe.

[36] Der Kanton Basel-Stadt argumentiert in Abschnitt V 2 f. der Basel-Stadt-Stellungnahme, dass eine schematische Behandlung des Kantons Basel-Stadt den konkreten Umständen dieses Spezialfalls und dem Charakter des Unternehmens als gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft nach Art. 762 OR nicht gerecht würde. Einerseits strebe der Kanton Basel-Stadt keine Profitmaximierung an, sondern es gehe ihm einzig um den langfristigen Erhalt des Messestandorts Basel. Der Kanton Basel-Stadt habe ein eminentes Interesse daran, dass die mit der Transaktion angestrebte Sanierung der Gesellschaft im Interesse ihres langfristigen Erhalts zustande komme. Der Kanton Basel-Stadt sei vor diesem Hintergrund vom beantragten Opting up in der gleichen Weise negativ betroffen wie alle übrigen stimmberechtigten Aktionäre der MCH Group. Auch der Kanton Basel-Stadt verliere nämlich beim Opting up ein potentielles Pflichtangebot seitens von Lupa bzw. vom potentiellen Erwerber des Lupa-Pakets beim Ausstieg von Lupa. Aus diesem Grund erleide auch der Kanton Basel-Stadt aus der Einführung des Opting up einen „préjudice potentiel", wie dies die Übernahmekommission in ihrer Verfügung 518/01 vom 11. Oktober 2012 i.S. Advanced Digital Broadcast Holdings AG bei der Ermittlung des stimmberechtigten Aktionärskreises für die Sonderabstimmung festgelegt habe. Da die Interessenlage des Kantons Basel-Stadt in dieser Frage somit gleich sei wie die der übrigen in der Sonderversammlung stimmberechtigten Aktionäre, habe der Kanton Basel-Stadt deshalb ein eminentes Interesse an einer stimmberechtigten Mitwirkung bei dieser Sonderabstimmung. Die Aktionäre der öffentlichen Hand seien allesamt zur Abstimmung über das formell selektive Opting up als Minderheitsaktionäre zuzulassen.

[37] Gemäss den Ausführungen in Rn 75 ff. der MCH Group-Stellungnahme sei mit Blick auf die Sonderabstimmung der Mehrheit der Minderheit die begünstigte Lupa nicht stimmberechtigt; stimmberechtigt seien indessen alle Aktionäre, die weder allein noch in gemeinsamer Absprache mit anderen Aktionären handelnd den angebotspflichtigen Grenzwert überschritten hätten. Sodann weist die MCH Group in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass durchaus Argumente bestünden, wonach auch der Kanton Basel-Stadt mit Blick auf die Sonderabstimmung der Mehrheit der Minderheit stimmberechtigt sein sollte.

3.4.1.2 Erwägungen und Fazit der Übernahmekommission

[38] Als Minderheitsaktionär in der Sonderversammlung stimmberechtigter Minderheitsaktionäre mit Blick auf die Einführung eines (formell selektiven) Opting up gilt nach ständiger Praxis der Übernahmekommission, wer weder direkt noch indirekt, noch in gemeinsamer Absprache mit anderen einen Anteil von 33⅓% der Stimmrechte an der Zielgesellschaft hält noch den Antrag auf Einführung des (formell selektiven) Opting up beim Verwaltungsrat gestellt hat (Verfügung 745/02 vom 28. Januar 2020 in Sachen LEM Holding SA, Rn [43] f. und Verfügung 745/01 vom 25. Oktober 2019 in Sachen LEM Holding SA, Rn [26] f. mit Blick auf ein generelles Opting out; Verfügung 686/01 vom 20. März 2018 in Sachen Addex Therapeutics Ltd., Rn [8] mit Blick auf ein selektives Opting out).

[39] Das Gegenstand dieser Verfügung bildende Opting up (vgl. Erw. 3.3) bezieht sich auf Lupa (inklusive der hinter Lupa stehenden Personen und Gesellschaften) und soll für diese die Angebotspflicht bezüglich der MCH Group aufheben (vgl. zum Wortlaut des formell selektiven Opting up Sachverhalt Bst. G). Zusätzlich soll die Angebotspflicht auch für Personen aufgehoben werden, die mit Lupa in gemeinsamer Absprache handeln (vgl. Verfügung 765/01, Erw. 3.4.2, Rn [20]). Damit wird der Kreis der durch das Opting up Begünstigten eingegrenzt. Es handelt sich mit anderen Worten um ein formell selektives Opting up.

[40] Im Gegensatz zu einem generellen Opting up wird bei einem selektiven Opting up (nur) ein bestimmter Kreis von Begünstigten von der Angebotspflicht ausgenommen, dies typischerweise im Zusammenhang mit einer bestimmten Transaktion. In einem solchen Fall erfährt die Position des kontrollierenden Aktionärs insofern keine Verbesserung, als ein möglicher künftiger Verkauf seines Pakets nicht privilegiert wird. Der Käufer dieses Pakets würde angebotspflichtig und könnte keinen Paketzuschlag bezahlen (vgl. Art. 135 Abs. 2 FinfraG).

[41] Entgegen insbesondere der Auffassung von Lupa kann man hieraus jedoch nicht ableiten, dass ein kontrollierender Aktionär bei der Abstimmung über ein selektives Opting up als Minderheitsaktionär bei der Ermittlung der Zustimmung der Mehrheit der Minderheit mitzuzählen ist. Deren entsprechender Antrag wurde zudem von der Lupa zurückgezogen (vgl. Verfügung 765/01, Sachverhalt Bst. R). Denn dies hätte zu Folge, dass der kontrollierende Aktionär mit seiner Stimmkraft (auch) die Abstimmung der Mehrheit der Minderheit dominieren und damit gegebenenfalls über die Köpfe der Minderheitsaktionäre hinweg über die Einführung eines solchen selektiven Opting up und die damit verbundene Zuteilung der Begünstigung an einen Dritten entscheiden könnte. Dies wäre mit dem Schutzgedanken der Voraussetzung der Mehrheit der Minderheit jedoch nicht vereinbar (vgl. auch Verfügung 745/02 vom 28. Januar 2020 in Sachen LEM Holding SA, Erw. 4.2.2, Rn [44]; Verfügung 686/01 vom 20. März 2018 in Sachen Addex Therapeutics Ltd., Rn [4]).

[42] Die Stimmrechte des Kantons Basel-Stadt in dessen Eigenschaft als kontrollierender Aktionär sind somit nicht mitzuzählen, wenn die Mehrheit der Minderheit berechnet wird. Hingegen können alle übrigen Aktionäre, darunter auch der Kanton Basel-Landschaft, der Kanton Zürich und die Stadt Zürich, mangels einer relevanten Koordination mit Blick auf die Einführung des formell selektiven Opting up (vgl. des Weiteren auch die Ausführungen in Erw. 2 oben, wonach die MCH Group, Lupa, der Kanton Basel-Stadt, der Kanton Basel-Landschaft, der Kanton Zürich sowie die Stadt Zürich keine Gruppe bilden oder sonst wie in massgeblicher Weise miteinander in gemeinsamer Absprache im Hinblick auf die Beherrschung der MCH Group handeln) oder anderweitiger Informationen als Minderheitsaktionäre bei der Sonderabstimmung der MCH Group mitstimmen und deren Stimmrechte sind mitzuzählen, wenn die Mehrheit der Minderheit ermittelt wird. An dieser Feststellung vermag auch die offenlegungsrechtliche Gruppenmeldung vom 17. Juli 2020 nichts zu ändern (vgl. Erw. 2.2, Rn [17] oben).

[43] Der Antrag Ziff. 2 (3) der Einsprache wird insofern gutgeheissen, als dass (i) der Kanton Basel-Stadt als Aktionär sowie (ii) die Lupa und/oder James Murdoch mit Blick auf allfällige von diesen bereits vor der a.o. GV vom 3. August 2020 direkt oder indirekt erworbene Titel der MCH Group bei der statutarischen Einführung der Opting up-Bestimmung nicht als Minderheitsaktionäre gelten und folglich an der a.o. GV vom 3. August 2020 nicht mitstimmen können resp. deren Stimmen bei der Ermittlung der Zustimmung der Mehrheit der Minderheit nicht zu zählen sind. Im Übrigen (d.h. mit Blick auf den Kanton Basel-Landschaft, den Kanton Zürich sowie die Stadt Zürich) wird der Antrag Ziff. 2 (3) der Einsprache abgewiesen.

3.4.2 Abstimmungsergebnis zur Einführung des formell selektiven Opting up (Antrag Ziff. 2 [1] der Einsprache)

3.4.2.1 Ausführungen der Parteien

[44] Der Einsprecher hält in Rn 79 seiner Replik zum Ergebnis der für das Opting up notwendigen Sonderabstimmung als Voraussetzung für die Einführung eines Opting up fest, dass die erforderliche Mehrheit der Minderheit (bei weitem) nicht erreicht wurde. Bei der Ermittlung der Mehrheit der Minderheit sei der Einsprecher mit sämtlichen 9.8% seiner Stimmrechte zuzulassen und nicht bloss aufgrund einer statutarischen Vinkulierung mit 5%, denn gerade diese sonst nicht stimmberechtigten 4.8% der Stimmen würden zu der durch die Sonderabstimmung zu schützenden Minderheit gehören. Auch stelle sich die Frage, ob die Enthaltungen nicht als Nein-Stimmen zu werten seien, infolgedessen sich das Abstimmungsergebnis noch mehr zu Gunsten der Minderheit auswirken würde. Damit könnte das Abstimmungsergebnis in der Sonderabstimmung selbst dann kippen, wenn nur der Kanton Basel-Stadt nicht zur Minderheit gezählt würde. In Rn 80 der Replik stellt der Einsprecher zusammenfassend fest, dass die übernahmerechtlichen Voraussetzungen für die gültige Einführung des Opting up (Mehrheit der Minderheit) gemäss der a.o. GV vom 3. August 2020 offensichtlich nicht erfüllt worden seien.

[45] In Rn 13 der Triplik argumentiert der Einsprecher des Weiteren, dass das selektive Opting up zu Gunsten der Lupa nicht nur auf den Erwerb von Aktien im Zusammenhang mit der vorliegenden Transaktion anwendbar sei, sondern unbeschränkt gelte, d.h. auch für den zukünftigen Erwerb von Aktien durch Lupa bis zu 49% der Stimmen. Gemäss der Literatur sei ein Opting out, welches die Angebotspflicht (zeitlich unbefristet und unabhängig von einer bestimmten Transaktion) zu Gunsten einer bestimmten Person wegbedinge, mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbar bzw. schlechterdings nicht zu rechtfertigen (vgl. dazu Luc Thévenoz/Lukas Roos, Opting out, in: Mergers & Acquisitions XVII, Hrsg.: Rudolf Tschäni, Zürich/Basel/Genf 2015, S. 50). Ein über eine spezifische Transaktion hinausgehendes, zeitlich unbefristetes selektives Opting up verstosse demnach eo ipso gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und sei deshalb im Lichte von Art. 706 OR (namentlich dessen Abs. 2 Ziff. 3) für ungültig zu erklären, nachdem aussergewöhnliche und besondere Umstände vorlägen, die eine Überprüfung nach Art. 706 OR erforderlich machten.

[46] In Rn 21 der Triplik erklärt der Einsprecher bezugnehmend auf die Berechnungen, dass die Berufung auf § 14 Abs. 1 der Statuten der MCH Group nicht statthaft, anwendbar vielmehr der § 14 Abs. 4 der Statuten der MCH Group sei, und zwar aus den folgenden Gründen:

- Beim Opting up gehe es um eine Statutenänderung, die unter § 14 Abs. 4 der Statuten falle, und wo die vertretenen Stimmen entscheidend seien. Das gelte nicht nur für die Berechnung des statutarisch verlangten 2/3 Mehrs, sondern auch für die Berechnung der Mehrheit der Minderheit, die bei der Statutenänderung zur Einführung des Opting up zusätzlich notwendig sei. § 14 Abs. 1 der Statuten, der auf Wahlen und alle anderen Abstimmungen (ausser Statutenänderungen) anwendbar sei, komme vorliegend nicht zur Anwendung.
- Es seien also bei beiden Abstimmungen, die für die Statutenänderung zur Einführung des Opting up notwendig seien, die gleichen Spielregeln anzuwenden. D.h., es sei bei beiden Abstimmungen über die gleiche Statutenänderung auch auf die gleiche Statutenbestimmung abzustellen, nämlich auf § 14 Abs. 4 der Statuten. Damit seien bei beiden Abstimmungen die vertretenen Stimmen massgeblich, dies mit der Folge, dass Enthaltungen als Nein-Stimmen zu zählen seien.
- Dies entspreche auch der Praxis der Übernahmekommission. Wie in der Verfügung 765/01 festgehalten, müsse die Mehrheit der Minderheitsaktionäre an der Generalversammlung dem entsprechenden Antrag zustimmen. D.h. eine Mehrheit der an der Generalversammlung anwesenden Stimmen müsse beim Opting up Ja stimmen; falls (im Vergleich zu den Ja-Stimmen) eine Mehrheit aus Nein-Stimmen und Enthaltungen zustande käme, so gehe die Sonderabstimmung zu Ungunsten des Opting up aus (vgl. auch Verfügung 745/01 vom 25. Oktober 2019 in Sachen LEM Holding SA, Erw. 3.4.2, Rn [28]).
- Hinzu käme, dass das Übernahmerecht diese Regel autonom festlege (nota bene im Einklang mit der gesetzlichen Regel von Art. 703 OR), ohne dass es auf die statutarischen Regelungen ankomme (die vorliegend allerdings die gleiche Regel enthielten, dass bei Statutenänderungen Enthaltungen als Nein-Stimmen zu zählen seien) (vgl. dazu auch Rn 4 ff. der Quintuplik).
- Selbst wenn man davon ausgehe, dass nur der Kanton Basel-Stadt nicht zur Minderheit zähle, dann hätten am 3. August 2020 nur 49.9% oder 1'330'801 Stimmen für das Opting up, aber 50.1% oder 1'336'239 (1'317'554 Nein-Stimmen und 18'685 Enthaltungen) dagegen gestimmt, und das genüge für die Einführung einer Opting up-Klausel in die Statuten in jedem Fall nicht. Das Mehrheit der Minderheit-Kriterium sei schon in diesem Fall nicht erfüllt.

[47] In Rn 3 der Lupa-Stellungnahme wird festgestellt, dass die a.o. GV vom 3. August 2020 die Aufnahme der von Lupa vorgeschlagenen und vom Verwaltungsrat der MCH Group zur Annahme empfohlenen selektiven Opting up-Bestimmung in die Statuten beschlossen hätte, und zwar mit der aktienrechtlich erforderlichen Mehrheit für Statutenänderungen und unter Erfüllung des für die übernahmerechtliche Wirksamkeit des selektiven Opting up erforderlichen Zusatzerfordernisses der Zustimmung der Mehrheit der Minderheit. Mit Verweis auf Rn 10 der Lupa-Stellungnahme erklärt Lupa des Weiteren, dass für eine Sonderauszählung zur Feststellung der übernahmerechtlichen Wirksamkeit des selektiven Opting up auch gar kein Anwendungsraum bestehe, da die Statuten der MCH Group bereits für die aktienrechtlich wirksame Einführung des selektiven Opting up ein besonderes Quorum (Zwei-Drittel- statt wie üblich die absolute Mehrheit der vertretenen Stimmen) vorsähen. Auf dieser Basis bedürfe es gar keines übernahmerechtlichen Minderheitenschutzes durch eine zweite rein übernahmerechtlich relevante Auswertung der Stimmabgaben bei der Beschlussfassung über die Einführung des selektiven Opting up (Rn 24 der Lupa-Stellungnahme). Zuletzt weist Lupa (unter Verweis auf Rn 52 der MCH Group-Stellungnahme) darauf hin, dass gemäss der Praxis der Übernahmekommission die übernahmerechtliche Wirksamkeit eines nachträglichen Opting up trotz einer negativen Beschlussfassung der Minderheitsaktionäre gegeben sei, wenn die Übernahmekommission auf Grund einer materiellen Prüfung zum Ergebnis komme, dass das fragliche Opting up im Interesse der Gesellschaft sei (Rn 29 ff. der Lupa-Stellungnahme). Sollte die Übernahmekommission wider Erwartens die übernahmerechtlichen Bestimmungen so anwenden, dass z.B. die Stimmen des Kantons Basel-Landschaft bei der Ermittlung des Ergebnisses der Zustimmung der Minderheit nicht zählten, so habe die Übernahmekommission festzustellen, dass das selektive Opting up im Interesse der MCH Group sei.

[48] In Rn 1 ff. der Lupa-Quadruplik erklärt Lupa, dass der Fall LEM Holding SA (Verfügung 745/01 vom 25. Oktober 2019 in Sachen LEM Holding SA) entgegen den Ausführungen des Einsprechers kein sog. precedent für die Wertung der Enthaltungen als Nein-Stimmen sei, sondern im Gegenteil gerade beweise, dass die Stimmenwertung der MCH Group korrekt sei, da die Übernahmekommission in Rn [28] der Verfügung 745/01 vom 25. Oktober 2019 in Sachen LEM Holding SA nur den Art. 16 Abs. 2 der Statuten der LEM Holding SA anwende, woraus gefolgert werden könne, dass in Bezug auf die Wertung der Stimmen in der Sonderauszählung das ordentliche aktienrechtlich massgebliche einfache Mehrheitsquorum zur Anwendung käme. Und die Statuten der MCH Group würden bei der Ermittlung der einfachen Mehrheit auf die Mehrheit der abgegebenen Aktienstimmen abstellen und ausdrücklich festhalten, dass Stimmenthaltungen bei der Berechnung des Mehrs nicht berücksichtigt werden (§ 14 Abs. 1 der Statuten der MCH Group). Des Weiteren argumentiert Lupa in Rn 4 ff. bzw. Rn 9 der Lupa-Quadruplik, dass (i) die unverfälschte Willensbildung der Minderheit die Nichtberücksichtigung der Enthaltungen verlange und, dass (ii) die Übernahmekommission aktienrechtlich anwendbare Quoren zur Ermittlung des Ergebnisses einer Beschlussfassung nicht ändern könne.

[49] In Rn 38 der MCH Group-Duplik wird festgehalten, dass bei der Sonderabstimmung die Mehrheit der Minderheit nach den Grundsätzen für nicht-qualifizierte Beschlüsse ermittelt werde. Gemäss § 14 der Statuten der MCH Group sei dies die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei Stimmenthaltungen bei der Ermittlung der Mehrheit nicht berücksichtigt würden. Selbstverständlich sei bei diesen Abstimmungen auch die Vinkulierung zu beachten. Jeder Aktionär, der Aktien der MCH Group gekauft habe, wüsste, dass seine Aktien nur bis 5% mit Stimmrecht im Aktienbuch eingetragen würden. In Rn 53 f. der MCH Group-Stellungnahme wird sodann darauf hingewiesen, dass die Übernahmekommission es sich vorbehalten hätte, auch im Falle der Ablehnung eines Opting up durch die Minderheit eine materielle Prüfung der Interessenlage vorzunehmen und mithin bei Vorliegen von überwiegenden Gesellschaftsinteressen eine Opting up-Klausel als übernahmerechtlich wirksam zu erklären (Verfügung 518/01 vom 11. Oktober 2012 in Sachen Advanced Digital Broadcast Holdings SA, Rn [18]). Solche übergeordneten Gesellschaftsinteressen, welche die übernahmerechtliche Gültigkeit der Opting up-Klausel unabhängig vom Ausgang der Mehrheit der Minderheits-Abstimmung begründeten, bestünden im vorliegenden Fall. Das selektive Opting up gehöre zum Gesamtpaket der Sanierungsmassnahmen der MCH Group. Falls die Opting up-Klausel abgelehnt würde, würden die Kapitalerhöhungen, die Darlehensverlängerungen, der Bond Exchange Offer und der Backstop entfallen und somit die Sanierung der MCH Group scheitern.

[50] In Rn 9 ff. der MCH Group-Quadruplik erklärt die MCH Group, dass der Verweis des Einsprechers auf die Quorumsvorschriften bezüglich Statutenänderungen unzutreffend sei. Vielmehr gelte das allgemeine Quorum von § 14 Abs. 1 der Statuten der MCH Group, das die dispositive Regel des Art. 703 OR abändere. Die Übernahmekommission spreche zwar in ihrer Praxis zur Sonderabstimmung von der Zustimmung der Mehrheit der Minderheit der vertretenen Stimmen, jedoch würde damit keine neue übernahmerechtliche Quorumsbestimmung eingeführt. Vielmehr sei dies ein Verweis auf die dispositive Regel von Art. 703 OR, die bei den meisten Publikumsgesellschaften mangels anderer Bestimmung in den Statuten angewendet werde. Diese dispositive Regel gelte nicht bei der MCH Group, da die Statuten das allgemeine Quorum anders bestimmten.

3.4.2.2 Erwägungen und Fazit der Übernahmekommission

[51] Ein nachträglich eingeführtes Opting up ist übernahmerechtlich nur dann gültig, wenn mit dessen Einführung keine Benachteiligung der Minderheitsaktionäre bewirkt wird (Art. 125 Abs. 4 FinfraG). Mit Blick auf einen entsprechenden Antrag ist deshalb gemäss ständiger Praxis der Übernahmekommission grundsätzlich nicht lediglich (a) die Zustimmung der Mehrheit der an der Generalversammlung vertretenen Stimmen, sondern insbesondere auch (b) die Zustimmung der Mehrheit der Minderheit an der Generalversammlung erforderlich (vgl. zuletzt Verfügung 745/02 vom 28. Januar 2020 in Sachen LEM Holding SA, Erw. 4.2.2). Stimmt die Mehrheit der Minderheitsaktionäre gegen die Einführung des Opting up, so wird vermutet, dass eine Benachteiligung besteht, selbst wenn die Mehrheit der an der Generalversammlung vertretenen Stimmen den Antrag gutheisst. Zur Ermittlung des Abstimmungsergebnisses der Minderheitsaktionäre genügt es, die separate Auszählung gesondert zu ermitteln (Verfügung 539/01 vom 24. Juni 2013 in Sachen Logan Capital AG, Erw. 1.2).

[52] Mit Blick auf die Sonderauszählung zur Feststellung der übernahmerechtlichen Wirksamkeit einer Opting up-Klausel bzw. die Ermittlung der Zustimmung der Mehrheit der Minderheit ist nach der gefestigtenPraxis der Übernahmekommission auf die Mehrheit der an der Generalversammlung vertretenen Stimmen der Minderheitsaktionäre (majorité des voix attribuées aux actions représentées) abzustellen, nicht auf die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (majorité des voix émises; siehe diesbezüglich Verfügung 745/02 vom 28. Januar 2020 in Sachen LEM Holding SA, Rn [52] f. sowie das anschauliche Berechnungsbeispiel in der Verfügung 539/01 vom 24. Juni 2013 in Sachen Logan Capital AG, Erw. 1.2, Rn [13]), weshalb Enthaltungen anlässlich einer solchen Abstimmung – dem materiellen Gehalt des aktienrechtlichen Art. 703 OR (Beschlussfassung und Wahlen) entsprechend – als Nein-Stimmen zählen (vgl. Hans Caspar von der Crone, Aktienrecht, Bern 2014, Rn 177 auf S. 403). Kommt hinzu, dass gemäss § 14 Abs. 4 der Statuten der MCH Group für die "Änderung der Statuten" ein Beschluss der Generalversammlung erforderlich ist, der mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen und die absolute Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte auf sich vereinigt. Die Schlussfolgerung der Lupa, dass in Bezug auf die Wertung der Stimmen in der Sonderauszählung das ordentliche aktienrechtlich massgebliche einfache Mehrheitsquorum zur Anwendung komme (vgl. Erw. 3.4.2.1[48]), greift nicht.

[53] Bei besonderen und aussergewöhnlichen Umständen behält sich die Übernahmekommission vor, trotz der tatsächlichen Vermutung der Richtigkeit des – ablehnenden oder zustimmenden –Entscheids der Mehrheit der Minderheit anlässlich der Sonderabstimmung eine materielle Prüfung von Art. 706 OR (Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen) vorzunehmen, wobei allerdings nicht ohne Not in den Entscheid der Aktionäre an einer Generalversammlung eingegriffen wird (Verfügung 745/02 vom 28. Januar 2020 in Sachen LEM Holding SA, Erw. 4.2.3; Verfügung 539/01 vom 24. Juni 2013 in Sachen Logan Capital AG, Erw. 1.3).

[54] Falls die Mehrheit der Minderheit ein Opting up ablehnt, soll sich gemäss einer Lehrmeinung eine materielle Prüfung von Art. 706 OR namentlich dann rechtfertigen, wenn ein offensichtlich überwiegendes Gesellschaftsinteresse für die Einführung einer solchen Opting up-Klausel spricht, wobei solche Fallkonstellationen allerdings nur schwer vorstellbar seien (vgl. dazu Luc Thévenoz/Lukas Roos, Opting out, in: Mergers & Acquisitions XVII, Hrsg.: Rudolf Tschäni, Zürich/Basel/Genf 2015, S. 46 mit weiteren Hinweisen auf die Verfügung 518/01 vom 11. Oktober 2012 in Sachen Advanced Digital Broadcast Holdings SA, Erw. 4.1, Rn [18]).

[55] Mit Blick auf das im Generalversammlungs-Protokoll festgehaltene Abstimmungsergebnis zum Traktandum 1: Einführung Opting-up (bedingter Beschluss) (§ 5a der Statuten) (vgl. Sachverhalt Bst. G) wurden die Stimmen des Kantons Basel-Stadt korrekterweise nicht berücksichtigt (vgl. dazu auch die Ausführungen in Erw. 3.4.1, insbesondere Erw. 3.4.1.2). Hingegen wurde zur Ermittlung des Abstimmungsergebnisses fälschlicherweise auf die abgegebenen und nicht wie erforderlich auf die vertretenen Stimmen der Minderheitsaktionäre abgestellt. Enthaltungen wurden anlässlich der Abstimmung zum Opting up somit unkorrekterweise nicht als Nein-Stimmen berücksichtigt.

[56] Ermittelt man das Abstimmungsergebnis zum Opting up übereinstimmend mit der hiervor erwähnten Praxis der Übernahmekommission auf Basis der vertretenen Stimmen der Minderheitsaktionäre, so stellt sich das Abstimmungsergebnis wie folgt dar:

- Vertretene Stimmen 4'680'690 Stimmen
- Stimmen Kt. Basel-Stadt 2'013'650 Stimmen
- Vertretene Stimmen ohne Kt. Basel-Stadt 2'667'040 Stimmen
- Absolutes Mehr 1'333'520 Stimmen
- Ja 1'330'801 Stimmen 49.9%
- Nein 1'336'239 Stimmen 50.1%


[57] Das im Rahmen von Traktandum 1 beantragte formell selektive Opting up wurde somit also an der a.o. GV vom 3. August 2020 von den Minderheitsaktionären mit einer knappen Mehrheit von 50.1% der Stimmen abgelehnt.

[58] Die Frage, ob der Einsprecher mit Blick auf die Sonderabstimmung der Mehrheit der Minderheit aufgrund einer statutarischen Vinkulierung nicht bloss mit 5%, sondern mit sämtlichen 9.8% seiner Stimmrechte hätte zugelassen werden sollen (vgl. Erw. 3.4.2.1,Rn [44]), kann vorliegend soweit ersichtlich offengelassen werden, da das Abstimmungsergebnis, wie dargelegt, bereits unter Berücksichtigung der vertretenen Stimmen der Minderheitsaktionäre kippt.

[59] Im Übrigen sind auch keine besonderen und aussergewöhnlichen Umstände ersichtlich, welche es rechtfertigen würden, in den Entscheid der Minderheitsaktionäre der MCH Group einzugreifen. Entgegen den Ausführungen von Lupa und der MCH Group (vgl. Erw. 3.4.2.1) ist sodann insbesondere auch kein offensichtlich überwiegendes Gesellschaftsinteresse erkennbar, das zwingend, im Sinne einer eigentlichen ultima ratio, für die Einführung einer solchen Opting up-Klausel sprechen würde. Die Sanierung der MCH Group dürfte sich auch auf anderem Wege bewerkstelligen lassen (finaliter, wohl auch über eine übernahmerechtliche Sanierungsausnahme, sofern deren Voraussetzungen erfüllt sind), worauf u.a. auch der Einsprecher hinweist (vgl. Rn 43 der Replik). Da das vorliegende formell selektive Opting up im Zusammenhang mit einer bestimmten Transaktion eingeführt wurde (vgl. dazu u.a. die Ausführungen zur sog. vorgesehenen Transaktion in der Verfügung 765/01, Sachverhalt Bst. I), verstösst es entgegen den Ausführungen des Einsprechers nicht eo ipso gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

[60] Nach dem Gesagten ist die Voraussetzung der Zustimmung der Mehrheit der Minderheit für die Gültigkeit des Opting up im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Auf eine Überprüfung der weiteren Gültigkeitsvoraussetzung der Transparenz wird deshalb im Folgenden verzichtet.

3.5 Fazit

[61] Auf Basis der Ausführungen in Erw. 3 hiervor kann festgestellt werden, dass das formell selektive Opting up, über welches anlässlich der a.o. GV vom 3. August 2020 abgestimmt wurde, übernahmerechtlich ungültig ist.

[62] Der Antrag Ziff. 2 (1) der Einsprache wird entsprechend mit Blick auf die formell selektive Opting up-Klausel gutgeheissen. Soweit der Antrag Ziff. 2 (1) der Einsprache die generelle Opting up-Klausel anbelangt ist dieser – wie auch bereits in Erw. 3.3.2 festgestellt wurde – gegenstandslos.

[63] Ein Eingriff in den Entscheid der Minderheitsaktionäre verlangt, wie dargelegt (vgl. Erw. 3.4.2.2), nach einem offensichtlich überwiegenden Gesellschaftsinteresse, das zwingend, im Sinne einer eigentlichen ultima ratio, für die Einführung einer Opting up-Klausel sprechen würde. Der Eventualantrag Ziff. 3 in fine der MCH Group Stellungnahme, wonach festzustellen sei, dass es dem Interesse der MCH Group entspricht, wenn ein selektives Opting up eingeführt wird, ist insofern als gegenstandslos zu betrachten.

 

4.  Gebühr

[64] Gemäss Art. 126 Abs. 5 FinfraG kann die Übernahmekommission von den Parteien in Verfahren in Übernahmesachen Gebühren erheben.

[65] Nach Art. 118 Abs. 1 FinfraV erhebt die Übernahmekommission eine Gebühr, wenn sie in sog. anderen Übernahmesachen entscheidet, insbesondere über das Bestehen einer Angebotspflicht. Die Gebühr beträgt je nach Umfang und Schwierigkeit des Falles bis zu CHF 50'000 Franken.

[66] Vorliegend überschreitet der durch die Einsprache verursachte Aufwand zwar grundsätzlich das Mass, welches üblicherweise mit einer Einsprache einhergeht. Da es jedoch mit dem vorliegenden Entscheid um die Klärung zentraler Fragen geht, welche bereits in der Verfügung 765/01 angelegt waren, und die Übernahmekommission auf diese Fragen, insbesondere jene der Gültigkeit des Opting up im Nachgang zur a.O. Generalversammlung, ohnehin von Amtes wegen hätte zurückkommen müssen, wird darauf verzichtet, von den Parteien eine Gebühr zu verlangen.

[67] Sämtliche Anträge der Parteien betreffend die Auferlegung der Kosten sind abzuweisen, sofern sie nicht gegenstandslos sind.

 

5.  Parteientschädigung

[68] Mit Antrag Ziff. 4 der MCH Group-Stellungnahme, mit dem Antrag der Basel-Stadt-Stellungnahme sowie dem Antrag Ziff. 2 der Replik beantragen die jeweiligen Parteien Parteientschädigungen.

[69] Parteientschädigungen bezwecken den Ersatz derjenigen Kosten, welche eine Prozesspartei zur Verfolgung ihrer geltend gemachten Rechte aufgewendet hat. Art. 64 VwVG regelt die Zusprechung von Parteientschädigungen im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Beschwerdeverfahrens. Auf erstinstanzliche Verfahren kommt Art. 64 VwVG hingegen nicht zur Anwendung, es sei denn, er werde durch eine entsprechende spezialgesetzliche Norm berufen (Verfügung 672/01 vom 26. Januar 2018 in Sachen SHL Telemedicine Ltd., Erw. 11; Verfügung 410/02 vom 16. Juni 2009 in Sachen Quadrant AG, Erw. 7; BGE 132 II 47, Erw. 5.2). Eine solche spezialgesetzliche Norm liegt im Bereich des Übernahmerechts für das Verfahren vor der Übernahmekommission nicht vor.

[70] Sämtliche Anträge der Parteien auf Zusprechung einer Parteientschädigung sind abzuweisen, sofern sie nicht gegenstandslos sind.

 

6.  Publikation

[71] Die MCH Group ist angewiesen, das Dispositiv der vorliegenden Verfügung nach Massgabe des Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV spätestens drei Börsentage nach Eröffnung der vorliegenden Verfügung zu veröffentlichen.

[72] Die vorliegende Verfügung wird am Tag ihrer Veröffentlichung durch die MCH Group gemäss der Randnummer hiervor auf der Webseite der Übernahmekommission publiziert (Art. 138 Abs. 1, 2. Satz FinfraG).

 

Die Übernahmekommission verfügt:

1. Die Einsprache der LLB Swiss Investment AG wird teilweise gutgeheissen und es wird festgestellt, dass
(i) der Kanton Basel-Stadt als Aktionär sowie die Lupa Systems LLC und/oder James Murdoch mit Blick auf allfällige von diesen bereits vor der ausserordentlichen Generalversammlung der MCH Group AG vom 3. August 2020 direkt oder indirekt erworbene Titel der MCH Group AG bei der statutarischen Einführung der formell selektiven Opting up-Klausel nicht als Minderheitsaktionäre gelten und folglich an der ausserordentlichen Generalversammlung der MCH Group AG vom 3. August 2020 nicht mitstimmen können resp. deren Stimmen bei der Ermittlung der Zustimmung der Mehrheit der Minderheit nicht zu zählen sind, und
(ii) die formell selektive Opting up-Klausel, über welche anlässlich der ausserordentlichen Generalversammlung der MCH Group AG vom 3. August 2020 abgestimmt wurde, übernahmerechtlich ungültig ist.
2. Die Eventualanträge Ziff. 2 und Ziff. 3 der MCH Group AG, der Antrag Ziff. 1 der Lupa Systems LLC und der Antrag des Kantons Basel-Stadt werden teilweise gutgeheissen und es wird festgestellt, dass
(i) die Vereinbarung der Transaktion, insbesondere der Abschluss des Purchase and Subscription Agreement und des Relationship Agreement, und die Durchführung der Transaktion, insbesondere die Beschlussfassungen an der ausserordentlichen Generalversammlung der MCH Group AG vom 3. August 2020 sowie deren Umsetzung, für alle an der MCH Group AG als Aktionäre beteiligten Körperschaften des öffentlichen Rechts (d.h. für den Kanton Basel-Stadt, den Kanton Basel-Landschaft, den Kanton Zürich sowie die Stadt Zürich), für Lupa Systems LLC und für die MCH Group AG nicht als Handeln in gemeinsamer Absprache nach Art. 33 FinfraV-FINMA gilt und, vorbehalts einer allfälligen individuellen Schwellenwertüberschreitung, nicht die Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Angebots nach Art. 135 Abs. 1 Satz 1 FinfraG auslöst, und
(ii) der Kanton Basel-Landschaft, der Kanton Zürich sowie die Stadt Zürich als Aktionäre bei der statutarischen Einführung der formell selektiven Opting up-Klausel als Minderheitsaktionäre gelten und folglich mitstimmen können resp. deren Stimmen bei der Ermittlung der Zustimmung der Mehrheit der Minderheit zu zählen sind.
3. Die übrigen Anträge werden abgewiesen, sofern sie nicht gegenstandslos sind.
4. Die MCH Group AG veröffentlicht, das Dispositiv der vorliegenden Verfügung nach Massgabe des Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV spätestens drei Börsentage nach Eröffnung der vorliegenden Verfügung.
5. Die vorliegende Verfügung wird am Tag ihrer Veröffentlichung durch die MCH Group AG gemäss Dispositiv-Ziff. 4  hiervor auf der Webseite der Übernahmekommission publiziert.

 

Der Präsident:

Thomas A. Müller

 

 

Diese Verfügung geht an die Parteien:

- MCH Group AG, vertreten durch Dr. Hansjürg Appenzeller und Stefan Blunschi, Homburger AG;
- Lupa Systems LLC, vertreten durch Prof. Dr. Rolf Watter und Dr. Dieter Dubs, Bär & Karrer AG;
- Kanton Basel-Stadt, vertreten durch Prof. Dr. Peter Nobel und Dr. Christoph Peter, Nobel & Hug Rechtsanwälte;
- LLB Swiss Investment AG, vertreten durch Dr. André E. Lebrecht und Dr. Matthias Kuert, CMS von Erlach Poncet AG.


Rechtsmittelbelehrung:

Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):

Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.