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0579 - Feintool International Holding AG

Verfügung 579/01 vom 24. September 2014

Gesuch von Michael Pieper, Centinox Holding AG, Artemis Holding AG und Artemis Beteiligungen I AG um Feststellung des Nichtbestehens einer Angebotspflicht, eventualiter um Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht betreffend Feintool International Holding AG

Sachverhalt:

A.
Feintool International Holding AG (Feintool oder Zielgesellschaft) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Lyss/BE. Feintool ist im Bereich der Feinschneidtechnologie tätig und bietet den gesamten Prozess des Feinschneidens vom Engineering über
die Werkzeugkonstruktion bis hin zur Massenproduktion von Feinschneidkomponenten an. Das Aktienkapital von Feintool beträgt CHF 44'629'710 und ist eingeteilt in 4'462'971 vollständig liberierte Namenaktien zu CHF 10 Nennwert (Feintool-Aktien). Die Feintool-Aktien sind an der SIX Swiss Exchange (SIX) gemäss Main Standard kotiert (SIX: FTON).

B.
Artemis Beteiligungen I AG (Artemis I) und Artemis Beteiligungen III AG (Artemis III) sind Aktiengesellschaften mit Sitz in Hergiswil/NW. Ihre hauptsächliche Geschäftstätigkeit besteht in der Beteiligung an anderen Unternehmungen, deren Finanzierung und Beratung sowie Vermögensverwaltung. Sowohl Artemis I als auch Artemis III werden zu 100 % von Artemis Holding AG, Hergiswil/NW (Artemis Holding) gehalten, welche ihrerseits zu 100 % von Centinox Holding AG,
Hergiswil/NW (Centinox) gehalten wird. Michael Pieper hält 100 % der Stimmrechte an Centinox.

C.
Michael Pieper verfügt über eine Beteiligung von insgesamt 2'245'949 Feintool-Aktien, entsprechend 50.324 % der Stimmrechte an Feintool. Davon hält er direkt 12'760 Feintool-Aktien, entsprechend 0.286 % der Stimmrechte, und indirekt 2'233'189 Feintool-Aktien, entsprechend 50.038 % der Stimmrechte, über die von ihm beherrschte Artemis III. Zur Vereinfachung der Struktur soll die von Artemis III gehaltene Feintool-Beteiligung auf Artemis I übertragen werden. Artemis I soll in Zukunft alle wichtigen strategischen Beteiligungen halten. Artemis I wird folglich die von Artemis III gehaltene Feintool-Beteiligung erwerben. Als Preis pro Feintool-Aktie soll der aktuelle Börsenkurs bezahlt werden.

D.
Am 10. September 2014 reichten Michael Pieper, Centinox, Artemis Holding und Artemis I (zusammen die Gesuchsteller) das folgende Gesuch ein:

„1. Es sei festzustellen, dass die Gesuchsteller weder einzeln noch zusammen wegen der Übertragung der Beteiligung der Artemis Beteiligungen III AG an der Feintool International Holding AG auf die Artemis Beteiligungen I AG infolge Erfüllung eines Kaufvertrags betreffend dieser Beteiligung verpflichtet werden, ein öffentliches Kaufangebot für sämtliche sich im Publikum befindlichen Aktien der Feintool International Holding AG zu unterbreiten

2. Eventualiter sei den Gesuchstellern eine Ausnahme von der Angebotspflicht zu gewähren, so dass sie wegen der Übertragung der Beteiligung der Artemis Beteiligungen III AG an der Feintool International Holding AG auf die Artemis Beteiligungen I AG infolge Erfüllung eines Kaufvertrags betreffend dieser Beteiligung nicht verpflichtet werden, ein öffentliches Kaufangebot für sämtliche sich im Publikum befindlichen Aktien der Feintool International Holding AG zu unterbreiten."

E.
Die Stellungnahme des Verwaltungsrats von Feintool wurde der Übernahmekommission zur Vorprüfung eingereicht.

F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Luc Thévenoz (Präsident), Lionel Aeschlimann und Beat Fellmann gebildet.

Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1.  Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots

[1] Gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG muss ein öffentliches Übernahmeangebot unterbreiten, wer direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die er bereits
besitzt, den Grenzwert von 331/3 % der Stimmrechte einer Zielgesellschaft überschreitet. Gemäss Abs. 2 dieser Norm kann die Übernahmekommission in berechtigten Fällen Ausnahmen von der Angebotspflicht gewähren. Nach Abs. 2 lit. a ist dies
namentlich der Fall bei der Übertragung von Stimmrechten innerhalb einer vertraglich oder auf andere Weise organisierten Gruppe.

[2] Centinox, Artemis Holding, Artemis I und Artemis III bilden gemeinsam mit dem sie kontrollierenden Aktionär, Michael
Pieper, eine Gruppe im Hinblick auf die Beherrschung der Zielgesellschaft i.S.v. Art. 32 Abs. 1 BEHG bzw. Art. 31 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 BEHV-FINMA.

2.  Keine Angebotspflicht von Michael Pieper, Centinox und Artemis Holding

[3] Michael Pieper verfügt zurzeit, also vor der geplanten Umstrukturierung direkt über 0.286 % und indirekt über die von ihm beherrschte Artemis III über 50.038 % der Stimmrechte an Feintool, insgesamt also 50.324 % der Stimmrechte. Mit Blick auf die Beherrschung von Feintool bleibt seine Stellung nach der geplanten Umstrukturierung (vgl. Sachverhalt lit. C) unverändert. Die Transaktion hat lediglich zur Folge, dass Michael Pieper die zuvor indirekt über Artemis III gehaltene Feintool-Beteiligung neu indirekt über die ebenfalls von ihm beherrschte Artemis I hält. Seine Beteiligung an Feintool bleibt unverändert und lag bereits zuvor über der pflichtauslösenden Schwelle von Art. 32 Abs.1 BEHG. Michael Pieper wird daher nicht angebotspflichtig.

[4] Dasselbe gilt für die von Michael Pieper beherrschten Centinox und Artemis Holding, welche die Feintool-Beteiligung von 50.038 % der Stimmrechte zuvor indirekt über Artemis III und neu indirekt über die ebenfalls von ihm beherrschte Artemis I halten werden. Mit Blick auf die Beherrschung von Feintool bleibt auch ihre Stellung nach der geplanten Umstrukturierung
gleich.

[5] Das Hauptbegehren ist, sofern es sich auf Michael Pieper, Centinox und Artemis Holding bezieht, gutzuheissen.

3. Ausnahme von der Angebotspflicht für Artemis I

[6] Artemis I verfügt vor der Transaktion über keine Stimmrechte an Feintool und wird nach der geplanten Übertragung neu direkt 50.038 % der Stimmrechte an Feintool halten. Folglich wird Artemis I die pflichtauslösende Schwelle von Art.
32 Abs. 1 BEHG überschreiten und damit grundsätzlich angebotspflichtig. In Bezug auf Artemis I ist das Hauptbegehren daher abzuweisen.

[7] Da es sich bei der Überschreitung durch Artemis I aber um eine solche innerhalb einer Gruppe handelt, die für die Minderheitsaktionäre keinen Kontrollwechsel bewirkt, kann Artemis I in Gutheissung des Eventualbegehrens die in Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHG vorgesehene Ausnahme von der Angebotspflicht gewährt werden.

4.  Stellungnahme des Verwaltungsrats

[8] Wird der Übernahmekommission ein Gesuch um Nichtbestehen einer Angebotspflicht oder um Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht eingereicht, so ist der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft verpflichtet, eine Stellungnahme abzugeben. Darin hat der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft nicht nur seine Überlegungen, sondern auch allfällige Interessenkonflikte seiner Mitglieder sowie die diesbezüglich getroffenen Massnahmen darzulegen (vgl. Verfügung 539/01 vom 24. Juni 2013 in Sachen Logan Capital AG, Erw. 2; Verfügung 547/01 vom 23. September 2013 in Sachen International Minerals Corporation, Erw. 5).

[9] Die im Entwurf vorliegende Stellungnahme des Verwaltungsrats von Feintool erfüllt die erwähnten Anforderungen. Darin unterstützt der Verwaltungsrat das Gesuch.

5.  Publikation

[10] Gemäss Art. 61 Abs. 3 und 4 UEV veröffentlicht die Zielgesellschaft die Stellungnahme ihres Verwaltungsrates, das Dispositiv der Verfügung der Übernahmekommission und den Hinweis, innert welcher Frist und zu welchen Bedingungen eine qualifizierte Aktionärin oder ein qualifizierter Aktionär Einsprache gegen die Verfügung der Übernahmekommission
erheben kann. Art. 6 bis 6b UEV betreffend die elektronische Veröffentlichung und die Veröffentlichung in den
Zeitungen sind auf die Stellungnahme des Verwaltungsrats sinngemäss anwendbar (vgl. Verfügung 539/01 vom 24. Juni 2013 in Sachen Logan Capital AG, Erw. 2; Verfügung 547/01 vom 23. September 2013 in Sachen International Minerals Corporation, Erw. 5).

[11] Die vorliegende Verfügung wird in Anwendung von Art. 61 Abs. 2 UEV am Tag der Publikation der Stellungnahme des
Verwaltungsrats von Feintool auf der Webseite der Übernahmekommission veröffentlicht.

6.  Gebühr

[12] Gemäss Art. 69 Abs. 6 UEV wird für die Prüfung von Gesuchen betreffend Angebotspflicht eine Gebühr erhoben.
Angesichts der vergleichsweise geringen Komplexität des Sachverhalts und der sich stellenden Rechtsfragen erscheint eine Gebühr von CHF 10'000 als angemessen. Michael Pieper, Centinox, Artemis Holding und Artemis I haften dafür solidarisch.

Die Übernahmekommission verfügt:

  1. Es wird festgestellt, dass die Übertragung der von Artemis Beteiligungen III AG gehaltenen Aktien an Feintool International
    Holding AG auf Artemis Beteiligungen I AG für Michael Pieper, Centinox Holding AG und Artemis Holding AG keine Angebotspflicht auslöst.
  2. Artemis Beteiligungen I AG wird im Zusammenhang mit der Übertragung der von Artemis Beteiligungen III AG gehaltenen Aktien an Feintool International Holding AG auf Artemis Beteiligungen I AG eine Ausnahme von der Pflicht gewährt, den Aktionären von Feintool International Holding AG ein öffentliches Kaufangebot zu unterbreiten.
  3. Feintool International Holding AG hat die Stellungnahme ihres Verwaltungsrats samt Dispositiv der vorliegenden Verfügung
    und Hinweis auf das Einspracherecht gemäss Art. 6 bis 6b UEV zu veröffentlichen.
  4. Diese Verfügung wird am Tag der Publikation der Stellungnahme des Verwaltungsrats von Feintool International Holding AG auf der Webseite der Übernahmekommission veröffentlicht.
  5. Die Gebühr zu Lasten von Michael Pieper, Centinox Holding AG, Artemis Holding AG und Artemis Beteiligungen I AG beträgt CHF 10'000, unter solidarischer Haftung.

Der Präsident:

Prof. Luc Thévenoz


Diese Verfügung geht an die Parteien:

  • Michael Pieper, Centinox Holding AG, Artemis Holding AG und Artemis Beteiligungen I AG (vertreten durch Matthias Courvoisier, Baker & McKenzie)
  • Feintool International Holding AG (vertreten durch Matthias Courvoisier, Baker & McKenzie).

Rechtsmittelbelehrung:

Beschwerde (Art. 33c des Börsengesetzes, SR 954.1):

Gegen diese Verfügung kann innerhalb von fünf Börsentagen Beschwerde bei der Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern erhoben werden. Die Frist beginnt am ersten Börsentag nach Eröffnung der Verfügung per Telefax oder auf elektronischem Weg zu laufen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 33c Abs. 2 BEHG und Art. 52 VwVG zu genügen.

Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):

Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens 3 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV), kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben.

Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission (Selnaustrasse 30, Postfach, CH - 8021 Zürich, counsel@takeover.ch, Telefax: +41 58 499 22 91) innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung des Dispositivs der vorliegenden
Verfügung in den Zeitungen einzureichen. Die Frist beginnt am ersten Börsentag nach der Veröffentlichung zu laufen.

Die Einsprache muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 UEV enthalten.