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0158 - Zürich – Swiss Value AG

Empfehlung Zurich - Swiss Value AG vom 28. März 2003

Gesuch der Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main (D), Deutsche Bank (Suisse) SA, Genf, und Rüd, Blass & Cie AG Bankgeschäft, Zürich, um Feststellung des Nichtbestehens einer Angebotspflicht an die Aktionäre der Zürich – Swiss Value AG, Zürich

A.
Die Zürich – Swiss Value AG („ZSV“; vormals Hottinger Züri Valore AG) ist eine Investmentgesellschaft mit Sitz in Zürich. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 10'000'000. Es ist eingeteilt in 100'000 Inhaberaktien mit einem Nennwert von je CHF 100 („ZSV-Aktien“). Die Aktien sind an der SWX Swiss Exchange („SWX“) kotiert.

B.
Am 3. Oktober 2001 schlossen die Bank Hottinger & Cie („Hottinger“) und die Rüd, Blass & Cie AG Bankgeschäft („Rüd, Blass“ oder „Bank“) eine Vereinbarung, wonach sich Hottinger gegenüber der Bank verpflichtete, über 40% der ZSV-Aktien, welche Hottinger damals für ihre Kunden hielt, an Rüd, Blass zu verkaufen. Am 15. Oktober 2001 wurde der Kaufvertrag über die SWX mittels adressierter Offerte der Hottinger an Rüd, Blass vollzogen. Einen Teil der Aktien (23'000 Stück, 23% der Stimmrechte) erwarb Rüd, Blass in eigenem Namen und auf eigene Rechnung, und ein Teil (18'354 Stück, 18.3% der Stimmrechte; zunächst irrtümlich 28'263 Aktien, was zu einem Storno von 9'909 Aktien führte) wurde stellvertretend für Kunden der Bank gekauft. Insgesamt veräusserte Hottinger somit 41'354 ZSV-Aktien, entsprechend 41.3% der Stimmrechte.

C.
Am 23. Oktober 2001 legte die Hottinger Finanz AG (eine Tochtergesellschaft der Hottinger) im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat („VR“) der ZSV ihr Mandat als Portfoliomanagerin der ZSV nieder. Gleichentags beauftragte der VR Rüd, Blass mit dem Portfoliomangement. Gemäss Portfoliomanagementvertrag und entsprechendem Vermögensverwaltungsauftrag zwischen der ZSV und Rüd, Blass verwaltet die Bank alle ZSV-Vermögenswerte, welche auf Konten bei der Bank bzw. bei deren Korrespondenten liegen.

D.
An der Generalversammlung („GV“) der ZSV vom 30. Mai 2002 übte Rüd, Blass einerseits ihre direkt gehaltenen 23% Stimmrechte an der Gesellschaft aus. Zudem vertrat sie als Depotvertreterin im Sinne von Art. 689d OR nach spezieller Rücksprache mit ihren Kunden weitere 25.3% Stimmrechte, wobei mit diesen Stimmen im Sinne des VR gestimmt werden sollte. An der GV wurde der ZSV-Verwaltungsrat von sechs auf fünf Mitglieder verkleinert. Vier bisherige Verwaltungsräte traten zurück und wurden durch drei neue Mitglieder ersetzt, die der Geschäftsleitung von Rüd, Blass angehören.

E.
Am 5. Februar 2003 haben die Deutsche Bank AG und die Deutsche Bank (Suisse) SA (beide zusammen „Deutsche Bank“) als Käuferinnen einerseits und die Zürich Financial Services („ZFS“) als Verkäuferin andererseits einen Aktienkaufvertrag über den Erwerb aller Aktien der Rüd, Blass unterzeichnet. Der Kaufvertrag ist noch nicht vollzogen.

F.
Mit Gesuch vom 28. Februar 2003 beantragten die Deutsche Bank und Rüd, Blass der Übernahmekommission, es sei festzustellen, dass Rüd, Blass vor dem 5. Februar 2003 nicht verpflichtet gewesen sei, ein öffentliches Übernahmeangebot für alle Aktien der ZSV zu unterbreiten, und es sei festzustellen, dass die Deutsche Bank und Rüd, Blass im Falle eines Erwerbs der Aktien der Rüd, Blass durch die Deutsche Bank nicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Übernahmeangebots für alle Aktien der ZSV verpflichtet seien.

G.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Ulrich Oppikofer (Präsident), Frau Claire Huguenin und Herrn Peter P. Hügle gebildet.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Verkauf von 41.3% der Stimmrechte an ZSV durch Hottinger

1.1 Der am 3. Oktober 2001 unterzeichnete Kaufvertrag zwischen Rüd, Blass und Hottinger betraf eine Beteiligung von über 40% an ZSV. Es stellt sich deshalb die Frage, ob bei diesem Aktientransfer Rüd, Blass – allenfalls nur für kurze Zeit – den Grenzwert von 33 1/3% der Stimmrechte an der ZSV überschritt.

1.2 Wie ausgeführt, erwarb Rüd, Blass 23'000 Aktien für sich selbst und weitere 28'263 (bzw. nach Berücksichtigung des in lit. B. erwähnten Stornos 18'354) für Kunden der Bank. Rüd, Blass und Hottinger waren sich bei Vertragsunterzeichnung am 3. Oktober 2001 bewusst, dass die Bank sowohl für sich selbst als auch für eigene Kunden handelte. Die Bank war von ihren Kunden gestützt auf mit diesen abgeschlossenen Vermögensverwaltungsverträgen und Verwaltungsvollmachten zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren bevollmächtigt. Rüd, Blass handelte somit als direkte Stellvertreterin ihrer Kunden im Sinne von Art. 32 Abs. 1 OR (Handeln mit entsprechender Vollmacht und in fremden Namen). Damit traten die Rechtswirkungen des Vertrags vom 3. Oktober 2001, soweit sie die Kunden betrafen, unmittelbar bei diesen ein (vgl. dazu Watter Rolf im OR-Basler Kommentar, OR I, Basel 1996, N 23 zu Art. 32). Die Übertragung der Titel an die Kunden erfolgte durch die Zuteilung der jeweiligen Anzahl Aktien an die entsprechenden Kunden der Bank, welche die Aktien damit (als mittelbare Besitzer) zu Eigentum erwarben.

1.3 Somit kann festgehalten werden, dass Rüd, Blass anlässlich des Erwerbs von 23'000 ZSV-Aktien (23% der Stimmrechte) in eigenem Namen und auf eigene Rechnung sowie dem Erwerb von weiteren 18'354 ZSV-Aktien (18.3% der Stimmrechte) für Kunden den Grenzwert von 33 1/3% der Stimmrechte an ZSV nicht überschritt und demzufolge nicht verpflichtet war, ein öffentliches Übernahmeangebot für alle ZSV-Aktien zu unterbreiten.

2. Depotstimmrechte der ZSV-Aktien von Kunden von Rüd, Blass

2.1 Wie in lit. D ausgeführt, übte Rüd, Blass an der GV der ZSV vom 30. Mai 2002 nicht nur die Stimmrechte ihrer direkt gehaltenen 23'000 Aktien (23% der Stimmen) aus, sondern sie vertrat als Vertreterin von Bankkunden nach Rücksprache mit diesen weitere Stimmrechte im Umfang von 25.3%. Insgesamt verfügte Rüd, Blass somit über 48.3% der Stimmrechte an der GV, an der u.a. drei Geschäftsleitungsmitglieder der Bank in den VR von ZSV gewählt wurden.
Per 5. Februar 2003 hielt Rüd, Blass total 24'150 ZSV-Aktien (24.15% der Stimmrechte) in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. 25'331 Aktien (25.33% der Stimmrechte) liegen in Depots von Kunden der Bank. Es stellt sich somit die Frage, ob die Stimmrechte an ZSV derjenigen Aktionäre, die ihre Titel in einem Depot bei Rüd, Blass aufbewahrt haben, seit dem 15. Oktober 2001 aufgrund von Art. 26 i.V.m. Art. 9 Abs. 3 BEHV-EBK Rüd, Blass – bzw. nach dem Vollzug des Kaufvertrags vom 5. Februar 2003 der Deutschen Bank – zugerechnet werden mussten bzw. müssen. Zur Beantwortung dieser Frage ist zu prüfen, ob Rüd, Blass autonom über die Depotstimmrechte verfügt oder verfügen kann.

2.2 Die Ausübung des Depotstimmrechts von Banken richtet sich grundsätzlich nach Art. 689d OR. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung muss der Depotvertreter, i.c. Rüd, Blass, seine Kunden vor jeder GV um Weisungen für die Stimmabgabe ersuchen. Sind solche Weisungen nicht rechtzeitig erhältlich, ist das Stimmrecht nach einer allgemeinen Weisung auszuüben. Fehlt eine solche, so folgt der Vertreter den Anträgen des Verwaltungsrats der Gesellschaft (Abs. 2).

2.3 Die Eigentümer der rund 25'000 ZSV-Depotaktien, welche bei Rüd, Blass hinterlegt sind, haben mit der Bank entweder eine „Verwaltungsvollmacht“ oder einen „Vermögensverwaltungsvertrag“ abgeschlossen. Zusätzlich sind die Vertragsbeziehungen der Kunden mit der Bank in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt. Die diversen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Bank und ihren Kunden räumen Rüd, Blass keine Ermächtigung zur Ausübung des Stimmrechts nach freiem Ermessen ein. Damit gilt grundsätzlich die gesetzliche Regelung des Art. 689d OR, wonach der Depotvertreter bei fehlenden speziellen oder allgemeinen Weisungen des Depotkunden im Sinne des VR zu stimmen hat und folglich über keine Autonomie bei der Stimmabgabe verfügt.
Aus den zu den Akten gereichten Unterlagen geht hervor, dass Rüd, Blass in der Praxis das Depotstimmrecht jeweils nur nach spezifischer Weisung ihrer Kunden für eine GV ausübt. Ohne eine solche Weisung vertritt Rüd, Blass ihre Depotkunden nicht an einer GV. Zu beachten ist, dass solche „spezifische Weisungen“ von Depotkunden natürlich dahingehend lauten können, im Sinne des Verwaltungsrats zu stimmen. In einem solchen Fall würde Rüd, Blass aufgrund der Tatsache, dass sie auch die Mehrheit der Mitglieder im VR bei der ZSV stellt, zusammen mit den eigenen Aktien über eine beherrschende Stimmenmacht an einer GV verfügen. Diese Stimmenmacht käme jedoch nicht aufgrund einer Autonomie von Rüd, Blass in Bezug auf die Depotstimmrechte zustande, sondern wäre das Resultat individueller Entscheide der entsprechenden Aktionäre. In der verliegenden Konstellation wäre es jedoch sicherlich wünschenswert, wenn allenfalls ausgeübte Depotstimmen nicht durch Rüd, Blass vertreten würden, sondern in den Händen eines unabhängigen Aktionärsvertreters liegen würden.

Auch ohne Autonomie von Rüd, Blass in Bezug auf die Depotstimmrechte ist nicht zu übersehen, dass die Bank eine dominierende Rolle bei der ZSV spielt. Letztlich basiert jedoch diese Dominanz nicht auf einer Beteiligung von Rüd, Blass an der ZSV von mehr als 33 1/3% der Stimmrechte, hinsichtlich deren Ausübung die Bank nach freiem Ermessen entscheiden kann, sondern auf der Übernahme des Portfoliomanagements der Gesellschaft von Hottinger, dem Aufbau einer eigenen starken Aktionärsstellung (rund 25% der Stimmrechte) sowie der Einsitznahme von Geschäftsleitungsmitgliedern von Rüd, Blass im VR von ZSV. Für die Angebotspflicht spielen diese Faktoren jedoch keine entscheidende Rolle. Hierfür ist grundsätzlich nur das Überschreiten des Grenzwerts nach Art. 32 Abs. 1 BEHG massgebend.

2.4 Zusammenfassend kann deshalb festgehalten werden, dass die Depotstimmrechte der Aktionäre, welche ihre ZSV-Aktien bei Rüd, Blass hinterlegt haben, nicht der direkt gehaltenen ZSV-Beteiligung von Rüd, Blass hinzuzurechnen sind. Daraus folgt, dass auch der Erwerb von Rüd, Blass durch die Deutsche Bank keine Angebotspflicht auslöst.

3. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird am 31. März 2003 nach ihrer Eröffnung an die Gesuchsteller gestützt auf Art. 23 Abs. 3 BEHG auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

4. Gebühr

In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK erhebt die Übernahmekommission für die Prüfung der Anfrage eine Gebühr. Der Ausschuss setzt die Gebühr auf CHF 20'000 fest.


Gestützt auf diese Erwägungen erlässt die Übernahmekommission die folgende Empfehlung:

  1. Es wird festgestellt, dass Rüd, Blass & Cie AG Bankgeschäft, Zürich, anlässlich des Erwerbs vom 15. Oktober 2001 (Vollzug des Kaufvertrags vom 3. Oktober 2001) von 23'000 Aktien (23% der Stimmrechte) der Zürich - Swiss Value AG, Zürich, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung sowie dem Erwerb von weiteren 18'354 Aktien (18.3% der Stimmrechte) der Zürich - Swiss Value für ihre Kunden den Grenzwert von 33 1/3% der Stimmrechte an Zürich - Swiss Value nicht überschritt und demzufolge nicht verpflichtet war, ein öffentliches Übernahmeangebot für alle Aktien der Zürich - Swiss Value zu unterbreiten. 

  2. Es wird festgestellt, dass die Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main (D), Deutsche Bank (Suisse) SA, Genf, und Rüd, Blass im Falle des Erwerbs der Rüd, Blass durch die Deutsche Bank nicht verpflichtet sind, ein öffentliches Übernahmeangebot für alle Aktien der Zürich - Swiss Value zu unterbreiten. 

  3. Diese Empfehlung wird am 31. März 2003 nach ihrer Eröffnung an die Gesuchsteller auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht. 

  4. Die Gebühr zu Lasten der Deutsche Bank AG, Deutsche Bank (Suisse) SA sowie der Rüd, Blass beträgt CHF 20'000. Die Gesuchsteller haften hierfür solidarisch.

     

Der Präsident des Ausschusses:

Ulrich Oppikofer

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.


Mitteilung an:

  • Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main (D), Deutsche Bank (Suisse) SA, Genf, Rüd, Blass & Cie AG Bankgeschäft, Zürich (durch ihre Vertreter);
  • die EBK.