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Transaktionen

0227 - Büro-Fürrer AG

Empfehlung Büro-Fürrer AG vom 9. März 2005

Öffentliches Kaufangebot der Lyreco S.A., Marly, Frankreich, für alle sich im Publikum befindenden Inhaberaktien der Büro-Fürrer AG, Zürich – Best Price Rule

A.
Die Büro-Fürrer AG („Büro-Fürrer“ oder „Zielgesellschaft“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 100'000, eingeteilt in 400'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 0.10 und 120'000 Inhaberaktien mit einem Nennwert von je CHF 0.50. Jede Aktie verkörpert eine Stimme. Somit handelt es sich bei den Namenaktien um Stimmrechtsaktien. Die Inhaberaktien sind an der SWX Swiss Exchange („SWX“) kotiert. Die Namenaktien sind nicht kotiert.

Die Zielgesellschaft wird durch vier Familienaktionäre, Rudolf H. Fürrer, Rudolf Max Fürrer, Danielle Gloor und Renée Queloz, welche untereinander durch eine Stimmbindung verbunden sind, kontrolliert. Sie halten zusammen sämtliche 400'000 Namenaktien (ca. 76.9% der Stimmrechte) und 15'618 Inhaberaktien (ca. 3% der Stimmrechte), insgesamt also rund 79.9% der Stimmrechte der Zielgesellschaft. Ungefähr 12'919 Inhaberaktien (2.48 % der Stimmrechte) werden durch die Zielgesellschaft als eigene Aktien gehalten. Im Publikum befinden sich noch ca. 91'463 Inhaberaktien, entsprechend ca. 17.59% der Stimmrechte.

Gemäss Statuten der Büro-Fürrer bedarf eine Übertragung der Namenaktien der vorgängigen Zustimmung durch den Verwaltungsrat. Die Zustimmung kann aus wichtigen Gründen verweigert werden, wobei als wichtiger Grund unter anderem die Bewahrung der Gesellschaft als wirtschaftlich selbständiges Unternehmen gilt.

B.
Holding Lyreco International S.A.S. („Lyreco“ oder „Gesuchstellerin“) ist eine nicht kotierte société par actions simplifiée nach französischem Recht mit Sitz in Marly, Frankreich. Ihr Gesellschaftskapital beträgt EUR 104'182'200, eingeteilt in 694'548 Namenaktien mit einem Nennwert von je EUR 150. Lyreco ist eine hunderprozentige Tochtergesellschaft der Lyreco SA, Marly, Frankreich, und damit Teil der Lyreco-Gruppe.

C.
Lyreco beabsichtigt, die Zielgesellschaft vollständig zu übernehmen. Zu diesem Zweck plant sie, von den Familienaktionären (zusammen die „Verkäufer“) sämtliche 400'000 nicht kotierten Namenaktien sowie die 15'618 kotierten Inhaberaktien mittels eines Kaufvertrags (der „Kaufvertrag“) zu kaufen und anschliessend ein öffentliches Übernahmeangebot für die sich im Publikum befindenden Inhaberaktien zu unterbreiten. Im Vergleich zum Angebotspreis unter dem öffentlichen Kaufangebot sollen die Familienaktionäre unter dem Kauvertrag eine Kontrollprämie erhalten.

D.
Zusammenfassend präsentieren sich die ins Auge gefasste Transaktionsstruktur und der Zeitplan wie folgt:

 

9. März 2005

Unterzeichnung des Kaufvertrages

10. März 2005

Voranmeldung des öffentlichen Kaufangebots in den elektronischen Medien

12. April 2005

Ordentliche Generalversammlung der Büro-Fürrer AG, u.a. mit den Traktanden Abschaffung der Vinkulierung der Namenaktien und Wahlen von Lyreco-Vertretern in den Verwaltungsrat

Anschliessend

Vollzug des Kaufvertrags

Anschliessend

Veröffentlichung des öffentlichen Kaufangebots


Der Vollzug des Kaufvertrags soll erst nach der Generalversammlung vom 12. April 2005 stattfinden und ist an die folgenden aufschiebenden Bedingungen geknüpft:

-         Die an der Generalversammlung vom 12. April 2005 beschlossene Dividende überschreitet CHF 3 brutto pro Namenaktie und CHF 15 brutto pro Inhaberaktie nicht;

-         die Büro-Fürrer hat zwischen Unterzeichnung und Vollzug des Kaufvertrags keine ausserordentlichen Geschäfte ohne die vorgängige schriftliche Zustimmung des Käufers ausgeführt oder abgeschlossen, welche einen Wert von CHF 1,5 Mio übersteigen;

-         die Verkäufer haben zwischen Unterzeichnung und Vollzug des Kaufvertrags weder Inhaber- oder Namenaktien noch Optionen auf Inhaber- oder Namenaktien der Büro-Fürrer über dem Angebotspreis erworben, mit dem Ergebnis, dass der Angebotspreis erhöht werden muss und die Verkäufer den Käufer nicht für die Erhöhung des Angebotspreises entsprechend entschädigt haben;

-         die Büro-Fürrer hat zwischen der Unterzeichnung des Kaufvertrags und der Eintragung der Beschlüsse der Generalversammlung vom 12. April 2005 in das Handelsregister weder Inhaber- oder Namenaktien noch Optionen auf Inhaber- oder Namenaktien der Büro-Fürrer über dem Angebotspreis erworben, mit dem Ergebnis, dass der Angebotspreis erhöht werden muss und die Verkäufer den Käufer nicht für die Erhöhung des Angebotspreises entsprechend entschädigt haben.

Im Übrigen sieht der Kaufvertrag im Wesentlichen die folgenden vertraglichen Pflichten der Verkäufer vor:

-         Die Verkäufer werden sich nach Kräften bemühen („use their best endeavours“) sicherzustellen, dass der Verwaltungsrat der Büro-Fürrer die Aktionäre in Einklang mit dem Gesetz und den Statuten der Gesellschaft zur Generalversammlung vom 12. April 2005 einlädt und alles tranktandiert, was notwendig ist, um die Bestimmungen in den Statuten über die Vinkulierung der Namenaktien aufzuheben und die Herren Eric Bigeard und Rudolf Tschäni als neue Mitglieder des Verwaltungsrats zu wählen;

-         die Verkäufer werden ihre Stimmrechte an der Generalversammlung vom 12. April 2005 zugunsten der Aufhebung der oben genannten statutarischen Vinkulierungsbestimmungen ausüben und werden sich nach Kräften bemühen, zusammen mit dem Käufer dafür besorgt zu sein, dass die Änderung der Statuten so schnell wie möglich nach der Generalversammlung vom 12. April 2005 in das Handelsregister eingetragen wird;

-         die Verkäufer werden ihre Stimmrechte an der Generalversammlung vom 12. April 2005 zugunsten der Wahl der Herren Eric Bigeard und Rudolf Tschäni als neue Mitglieder des Verwaltungsrats ausüben und werden sich nach Kräften bemühen, zusammen mit dem Käufer dafür besorgt zu sein, dass diese neuen Mitglieder so schnell wie möglich nach der Generalversammlung vom 12. April 2005 in das Handelsregister eingetragen werden;

-         die Herren Rudolf H. Fürrer und Rudolf M. Fürrer werden mit Wirkung auf das Datum der Generalversammlung vom 12. April 2005 als Verwaltungsräte zurücktreten und werden schriftlich erklären, dass sie per 12. April 2005 keine Ansprüche gegenüber Büro-Fürrer haben, welche aus ihrer Tätigkeit als Verwaltungsräte der Büro-Fürrer resultieren;

die Verkäufer werden sich nach Kräften bemühen sicherzustellen, dass die Herren Kurt E. Feller und Mario Fontana mit Wirkung auf das Datum der Generalversammlung vom 12. April 2005 als Verwaltungsräte zurücktreten und schriftlich erklären, dass sie per 12. April 2005 keine Ansprüche gegenüber Büro-Fürrer haben, welche aus ihrer Tätigkeit als Verwaltungsräte der Büro-Fürrer resultieren.

E.
Mit Schreiben vom 1. März 2005 und Ergänzung vom 4. März 2005 reichte der Vertreter der Gesuchstellerin der Übernahmekommission ein Gesuch ein mit folgenden Anträgen:

1. Es sei festzustellen, dass der geplante Kauf von 400'000 Namenaktien und 15'618 Inhaberaktien der Büro-Fürrer durch Lyreco von den vier Familienaktionären der Büro-Fürrer zu einem Kaufpreis, welcher über dem Angebotspreis des nachfolgenden öffentlichen Kaufangebots liegt, nicht in den Anwendungsbereich der in Art. 10 Abs. 6 UEV-UEK festgelegten Best Price Rule fällt, sondern dass es sich um einen vorausgegangenen Erwerb von Beteiligungspapieren im Sinne von Art. 32 Abs. 4 BEHG und Art. 38 BEHV-EBK handelt.
 

2. Eventualiter sei der Lyreco gestützt auf Art. 4 UEV-UEK eine Ausnahme von der Best Price Rule gemäss Art. 10 Abs. 6 UEV-UEK zu gewähren.

F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Hans Caspar von der Crone (Präsident), Frau Claire Huguenin und Frau Maja Bauer-Balmelli.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Best Price Rule

Gemäss Art. 10 Abs. 6 UEV-UEK i.V.m. Art. 12 Abs. 1 lit. c UEV-UEK dürfen die Anbieterin und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen nach Veröffentlichung des Angebots keine Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft zu einem über dem Angebotspreis bzw. dem Wert des Angebots liegenden Preis erwerben, ohne diesen allen Empfängern des Angebots anzubieten (sog. „Best Price Rule”). Gemäss Praxis der Übernahmekommission gilt diese Regel ab Veröffentlichung der Voranmeldung während der ganzen Dauer des Angebots und während sechs Monaten nach Ablauf der Nachfrist (siehe u.a. , Erw. 4.1.1).

2. Abgrenzung Best Price Rule und vorausgegangener Erwerb

2.1 Von der Best Price Rule abzugrenzen ist der Preis des vorausgegangenen Erwerbs von Beteiligungspapieren im Sinne von Art. 32 Abs. 4 BEHG und Art. 38 BEHV-EBK. Während die Best Price Rule für Transaktionen der Anbieterin mit Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft nach Veröffentlichung des Angebots bzw. der Voranmeldung relevant ist, befasst sich der sog. vorausgegangene Erwerb mit Transaktionen der Anbieterin vor Veröffentlichung des Angebots bzw. der Voranmeldung.

2.2 Finden der Vertragsschluss und dessen Vollzug vor Veröffentlichung des Angebots bzw. der Voranmeldung statt, liegt ein Fall von „vorausgegangenem Erwerb“ von Beteiligungspapieren im Sinne von Art. 38 BEHV-EBK vor. Dasselbe gilt im Grundsatz, wenn der Vertragsschluss für den Erwerb der Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft vor dem Angebot bzw. der Voranmeldung, der Vollzug jedoch erst nachher stattfindet. Auch hier liegt „vorausgegangener Erwerb“ vor, allerdings nur dann, wenn der Erwerb der Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft durch die Anbieterin (bzw. durch eine mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnde Person) nicht durch eine aufschiebende oder auflösende Bedingung an das Angebot bzw. an den Erfolg des Angebots geknüpft wird (, Erw. 2.2).

2.3 Im vorliegenden Fall führen die im Kaufvertrag enthaltenen aufschiebenden Bedingungen (vgl. Sachverhalt lit. D.) nicht zu einer Verknüpfung zwischen dem Erwerb des Kontrollpakets und dem Angebot. Ebensowenig führen die im Vertrag aufgeführten vertraglichen Pflichten der Verkäufer zu einer Verknüpfung zwischen dem Erwerb des Kontrollpakets und dem nachfolgenden Angebot bzw. dessen Erfolg. Da die Transaktionen trotz Vorliegen von Bedingungen, welche den Vollzug des Kaufvertrags auf einen Zeitpunkt nach Veröffentlichung der Voranmeldung aufschieben, nicht miteinander verknüpft sind, kann somit festgehalten werden, dass der geplante Kauf von 400'000 Namenaktien und 15'618 Inhaberaktien der Büro-Fürrer durch Lyreco von den vier Familienaktionären der Büro-Fürrer nicht in den Anwendungsbereich der in Art. 10 Abs. 6 UEV-UEK festgelegten Best Price Rule fällt, sondern dass es sich um einen vorausgegangenen Erwerb von Beteiligungspapieren im Sinne von Art. 32 Abs. 4 BEHG und Art. 38 BEHV-EBK handelt.

3. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG am Tag der Publikation der Voranmeldung in den Zeitungen, d.h. am 14. März 2005, auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

4. Gebühr

In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für die Behandlung des vorliegenden Gesuchs eine Gebühr erhoben. Der Ausschuss setzt die Gebühr auf CHF 15'000.-- fest.



Gestützt auf diese Erwägungen erlässt die Übernahmekommission die folgende Empfehlung:

  1. Der geplante Kauf von 400'000 Namenaktien und 15'618 Inhaberaktien der Büro-Fürrer AG, Zürich, von den vier Familienaktionären der Büro-Fürrer AG, Zürich, durch die Holding Lyreco International S.A.S, Marly, Frankreich, fällt nicht in den Anwendungsbereich der in Art. 10 Abs. 6 UEV-UEK festgelegten Best Price Rule, sondern ist als vorausgegangener Erwerb von Beteiligungspapieren im Sinne von Art. 32 Abs. 4 BEHG und Art. 38 BEHV-EBK zu qualifizieren. 

  2. Diese Empfehlung wird am 14. März 2005 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht. 

  3. Die Gebühr zu Lasten der Holding Lyreco International S.A.S, Marly, Frankreich, beträgt CHF 15'000.

 

Der Präsident:


Hans Caspar von der Crone

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.


Mitteilung an:

  • Holding Lyreco International S.A.S, durch ihren Vertreter
  • Büro-Fürrer AG, durch ihren Vertreter;
  • die Eidgenössische Bankenkommission