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Transaktionen

0088 - Sulzer AG

Empfehlung V Sulzer AG vom 18. April 2001

Öffentliches Kauf- und Umtauschangebot der InCentive Capital AG, Zug, für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Sulzer AG, Winterthur – Gesetzeskonformität der Erhöhung des Angebotspreises

A.
Die Sulzer AG (Sulzer) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Winterthur. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 218‘281‘800.-- und ist eingeteilt in 3‘638‘030 Namenaktien von je CHF 60.-- Nennwert. Die Namenaktien sind an der Schweizer Börse kotiert.

B.
Die InCentive Capital AG (InCentive) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zug. Das Aktienkapital beträgt CHF 42‘944‘040.-- und ist eingeteilt in 2‘147‘202 Inhaberaktien von je CHF 20.-- Nennwert, welche an der Schweizer Börse kotiert sind. Weiter besitzt InCentive ein genehmigtes Aktienkapital von CHF 21'472'020, welches in 1'073'601 Inhaberaktien von je CHF 20.-- Nennwert eingeteilt ist.

C.
Am 19. Februar 2001 veröffentlichte InCentive die Voranmeldung eines öffentlichen Kauf- und Umtauschangebotes für alle sich im Publikum befindenden Aktien der Sulzer in den elektronischen Medien. Am folgenden Tag erschien die Voranmeldung landesweit in Tageszeitungen der deutsch- und französischsprachigen Schweiz.

D.
In der Folge publizierte InCentive am 30. März 2001 die Zusammenfassung des Angebotsprospekts in den gleichen Tageszeitungen, in welchen die Voranmeldung erschienen war. Gemäss diesem Prospekt beabsichtigt InCentive eine Abspaltung der Sulzer Medica AG (Medica) mit einem Übernahmeangebot auf den Industrieteil von Sulzer zu kombinieren. Derjenige Sulzer-Aktionär, der das Übernahmeangebot auf den Industrieteil von Sulzer annimmt, wird nach seiner Wahl CHF 410 in bar oder 0.9 InCentive-Aktien erhalten. Mit Empfehlung vom 11. April 2001 stellte die Übernahmekommission fest, dass das öffentliche Kauf- und Umtauschangebot der InCentive den Anforderungen des Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel entspricht.

E.
Am 9. April 2001 veröffentlichte die Anbieterin die Erhöhung ihres Angebotspreises. Dem andienenden Sulzer-Aktionäre werden neu nach seiner Wahl entweder CHF 430 in bar oder 1.0 InCentive-Aktien und 1.0 Contingent Value Right (CVR) angeboten.

Das CVR ist ein selbständig handelbares Wertrecht, welches nur am Verfalldatum vom 13. Dezember 2002 ausübbar ist. InCentive beabsichtigt, der Schweizer Börse ein Gesuch um Zulassung der CVRs zum Handel ab Vollzugsdatum des Übernahmeangebotes einzureichen.

  • Falls der massgebliche InCentive Aktienkurs höher als CHF 400.-- ist, so erhält der Inhaber des CVR keine Zahlung.
  • Falls der massgebliche InCentive Aktienkurs unter CHF 300.-- liegt, so erhält der Inhaber des CVR eine Zahlung von CHF 100.--.
  • Falls der massgebliche InCentive Aktienkurs zwischen CHF 300.-- und CHF 400.-- liegt, so erhält der Inhaber des CVR eine Zahlung im Umfang der Differenz zwischen CHF 400.-- und dem massgeblichen InCentive Aktienkurs.

Die Übernahmekommission gewährte der Zielgesellschaft hinsichtlich der Publikation der Erhöhung des Angebotspreises und danach der Anbieterin hinsichtlich der eingegangenen Stellungnahme das rechtliche Gehör.

F.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit hat der Ausschuss bestehend aus den Herren Ulrich Oppikofer (Präsident), Alfred Spörri und Luc Thévenoz heute getagt.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Zulässigkeit der nachträglichen Erhöhung des Kaufpreises

Ein veröffentlichtes Angebot kann gemäss Art. 15 UEV-UEK bis zum Ablauf der Angebotsfrist geändert werden, wenn sich dies gesamthaft gesehen zugunsten der Empfänger auswirkt. Die Änderung ist dabei in der gleichen Form wie das ursprüngliche Angebot selbst zu veröffentlichen (Art. 15 Abs. 2 UEV-UEK). Indem InCentive den Angebotspreis erhöht und diese Änderung in denselben Medien publiziert hat, in denen schon der Angebotsprospekt veröffentlicht wurde, erfüllt sie in dieser Hinsicht die gesetzlichen Voraussetzungen.

2. Zulässigkeit der Abgabe von CVRs

2.1 InCentive wird denjenigen Aktionären, die das Umtauschangebot annehmen, neben einer InCentive-Aktie zusätzlich ein CVR abgeben. Dieses handelbare Wertrecht soll die Inhaber in einem gewissen Umfang gegen einen möglichen Kurszerfall der InCentive-Aktie absichern. Sulzer macht geltend, es gehe nicht hervor, wie die Anbieterin die aus den CVRs entstehenden potentiellen Schulden von bis zu CHF 300 Mio. finanziere. Damit stelle sich auch die Frage, wie die Anbieterin eine solche mögliche Zahlung an ihre neuen Aktionäre, die praktisch einer bedingten Dividende von CHF 0.-- bis CHF 100.-- pro Aktie entspreche, gesellschaftsrechtlich konzipieren wolle, und ob sie die entsprechenden Reserven aufweise. Mithin stelle sich die Frage nach der aktienrechtlichen Zulässigkeit und der Form solcher Zahlungen bzw. der aktienrechtlichen Zulässigkeit der angebotenen CVRs. Dabei sei auch zu beachten, dass die Anbieterin mit der Zielgesellschaft fusionieren und damit auch die nichtannehmenden Sulzer-Aktionäre zwangsweise zu InCentive-Aktionären machen wird.

Die Anbieterin hält den Ausführungen von Sulzer entgegen, dass der Inhaber eines CVRs nicht Aktionär der Anbieterin sein müsse, und es sich bei diesem Wertrecht um einen Teil des Angebotspreises handle, dessen Festlegung im Ermessen der Anbieterin liege.

2.2 Das CVR ist ein selbständig handelbares Wertrecht, welches demjenigen Aktionär, der das Umtauschangebot annimmt, zusätzlich zur InCentive-Aktie zugeteilt wird. Es wird an der Schweizer Börse kotiert sein. Der Wert eines CVRs ist gestützt auf das Optionspreismodell "Black and Scholes" jederzeit bestimmbar. Durch die gewählte Struktur wird das Umtauschangebot um eine bedingte Barkomponente erhöht. Als neuer Bestandteil des Angebotspreises trägt das CVR den börsenrechtlichen Grundsätzen von Gleichbehandlung, Transparenz und Lauterkeit in genügendem Mass Rechnung.

2.3 Der Angebotsprospekt hat gemäss Art. 20 Abs. 1 UEV-UEK Auskunft über die Art der Finanzierung sowie die Bestätigung der Prüfstelle zu enthalten, dass die Mittel zur Finanzierung verfügbar sind. Werden Titel zum Tausch angeboten, so hat der Anbieter zu bestätigen, dass alle zur Beschaffung der Titel notwendigen Massnahmen getroffen worden sind.

In casu hat die Prüfstelle die Angaben der Anbieterin zur Angebotserhöhung überprüft und deren Richtigkeit bestätigt. Insbesondere bestätigt die Prüfstelle, dass die Finanzierung des erhöhten Angebotes sichergestellt ist, die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen und alle zumutbaren Massnahmen getroffen wurden, um das CVR zu schaffen. Die Übernahmekommission sieht keine Veranlassung, an der Richtigkeit des Berichtes der Prüfstelle zu zweifeln. Den Anforderungen des Börsengesetzes ist somit in genügendem Mass Rechnung getragen.

2.4 Die Übernahmekommission berücksichtigt nur offensichtliche Verletzungen gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen (siehe Empfehlung in Sachen Altin AG vom 12. April 1999, E. 3.2). Der Entscheid, ein öffentliches Kaufangebot zu unterbreiten, wie auch die Festlegung der Höhe und die Ausgestaltung des Angebotspreises fallen grundsätzlich in die Kompetenz des Verwaltungsrates der InCentive. Letzterer hat entschieden, die Attraktivität des Umtauschangebotes dadurch zu erhöhen, dass bei einem Kursrückgang des InCentive-Titels dieser Wertverlust durch eine Barabgeltung in entsprechender Höhe wettgemacht werden soll. Eine offensichtliche Verletzung von gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen ist für die Übernahmekommission darin nicht erkennbar.

3. Steuerrechtliche Konsequenzen der Erhöhung des Kaufpreises

3.1. Sulzer weist darauf hin, dass die CVRs der Einkommenssteuer unterliegen. Im Angebot fehle eine Bestätigung, dass der geschätzte Wert oder ein allfälliger anderer Wert von den Steuerbehörden als für die Einkommenssteuer massgebend bestätigt wurde. Sollte seitens der Eidgenössischen Steuerverwaltung verlangt werden, dass sich das Übernahmeangebot von InCentive für Sulzer-Aktien als steuerneutrale Reorganisation qualifiziere, könnte nach Ansicht von Sulzer durch das CVR-Programm die Bedingung verletzt werden, dass mehr als 50 % des Übernahmepreises durch Aktien der InCentive abzugelten sind. Mit der Verletzung der Sperrfrist entfiele die Steuerneutralität und die Abspaltung der Medica würde zur Erhebung einer Emissionsabgabe von rund CHF 28 Mio. führen. Gleichzeitig wäre bei dieser Sachlage die noch laufende Sperrfrist aus der 1997 erfolgten Abspaltung von Sulzer Medica verletzt, was die Erhebung einer weiteren Emissionsabgabe von ca. CHF 18 Mio. zur Folge hätte. Durch das CVR-Programm würde der Zeitraum der Unsicherheit bezüglich Sperrfristverletzung zudem bis zum 13. Dezember 2001 ausgedehnt.

InCentive führt hierzu aus, dass für den Anbieter keine Pflicht bestehe, jeden steuerrechtlichen Sachverhalt durch entsprechende Steuerrulings der zuständigen Behörden vorweg abzuklären. Dies sei einzig für Sachverhalte notwendig, deren steuerrechtliche Behandlung der Anbieterin von grosser Wichtigkeit und/oder nicht eindeutig präjudiziert erscheine. Hinsichtlich der Frage der Verrechnungssteuerpflicht des CVRs sei dies mit dem Steuerruling vom 4. April 2001 getan worden. Weiter führt InCentive aus, dass es unzutreffend sei, dass die Emissionsabgabe auf der Abspaltung der Sulzer Medica anfalle, sofern mehr als 50 % der Sulzer-Aktionäre das Barangebot und nicht das Umtauschangebot annehmen würden. Im Vorentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 6. März 2001 werde in Ziff. 4 ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf den wirtschaftlichen Zusammenhang der vorgesehenen drei Transaktionsstufen (Abspaltung-Übernahme-Fusion) die Abspaltung der Medica von der Emissionsabgabe befreit sei, sofern nicht ein Aktionär oder eine verbundene Gruppe von Aktionären mehr als 1/3 der Stimmrechte der fusionierten Gesellschaft bzw. der Medica erlange.

3.2. Die Übernahmekommission hat in ihren Empfehlungen I und IV in Sachen Sulzer AG vom 19. März 2001 und 11. April 2001 festgehalten, dass ein Übernahmeangebot unlauter wäre, wenn es derart schwerwiegende steuerrechtliche Konsequenzen für den andienenden Aktionär hätte, dass ein Zustandekommen des Angebotes von vornherein ausgeschlossen werden muss. Eine derartige Wirkung hat die Übernahmekommission bereits bei der Prüfung der Gesetzmässigkeit des Kaufprospektes verneint. Diese Feststellung behält auch bei einer zusätzlichen Abgabe von CVRs ihre Gültigkeit. Zwar entsteht durch die CVRs für private Anleger eine Einkommenssteuerpflicht, die im Umfange ihres Wertes wie ein zusätzliches Barangebot behandelt wird. Da sich jedoch der Wert des CVRs nach Schätzung der Prüfstelle zwischen CHF 15.20 und 20.27 beläuft, wird die steuerliche Belastung gering ausfallen. Weiter unterliegt das CVR gemäss Steuerruling vom 4. April 2001 nicht der Verrechnungssteuer.

Hinsichtlich der Emissionsabgabe kann auf das Steuerruling vom 6. März 2001 abgestellt werden. In dieser bindenden Stellungnahme der Eidgenössischen Steuerbehörden ist die Abspaltung der Medica von der Emissionsabgabe befreit, sofern durch die drei geplanten Transaktionsstufen Abspaltung Medica, Übernahme Sulzer und Fusion von InCentive mit Sulzer nicht ein Aktionär oder eine verbundene Gruppe von Aktionären mehr als 1/3 der Stimmrechte der fusionierten Gesellschaft bzw. der Medica erlangt. Die Abgabe eines CVRs ändert an dieser Beurteilung nichts. Die steuerlichen Auswirkungen der Erhöhung des Angebotspreises werden somit von der Übernahmekommission als zulässig erachtet.

4. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG am Tag der Eröffnung an die Parteien, d.h. am 18. April 2001, auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

5. Gebühr

Die Gebühr wird durch die von InCentive mit Empfehlung vom 11. April 2001 erhobene Gebühr gedeckt.


Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:

  1. Die Erhöhung des Kauf- und Umtauschangebots der InCentive Capital AG vom 9. April 2001 entspricht dem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995.

  2. Diese Empfehlung wird am 18. April 2001 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

 

Der Präsident:

Ulrich Oppikofer

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.


Mitteilung an:

  • die Sulzer AG, durch ihren Vertreter,
  • die InCentive Capital AG, durch ihren Vertreter,
  • EBK.