SWISS TAKEOVER BOARD

Transaktionen

0857 - DocMorris AG

Verfügung 857/02 vom 25. Januar 2024

Öffentliches Rückkaufangebot von DocMorris Finance B.V. (vormals Zur Rose Finance B.V.) für die von ihr begebene 2.75% CHF 175'000'000 Wandelanleihe (ISIN: CH0536893594) – Ergänzungsgesuch mit Blick auf eine Ausnahme von Rn 16 des UEK-RS Nr. 1

A.
DocMorris AG (vormals Zur Rose Group AG; DocMorris oder [Ziel-]Gesellschaft) ist eine im Handelsregister des Kantons Thurgau eingetragene Aktiengesellschaft mit Sitz in Frauenfeld, Schweiz (UID: CHE-107.471.275). Der (Haupt-)Zweck der Gesellschaft ist der Erwerb, das Halten und die Veräusserung von in- und ausländischen Beteiligungen, insbesondere in medizinischen, pharmazeutischen und damit im Zusammenhang stehenden Branchen. Die Gesellschaft kann alle Geschäfte tätigen, die geeignet erscheinen, den Zweck der Gesellschaft zu fördern, oder die mit diesem zusammenhängen (vgl. Art. 1 Abs. 1 der Statuten von DocMorris).

Das ordentliche Aktienkapital von DocMorris beträgt CHF 411'019'170 und ist eingeteilt in 13'700'639 vollständig liberierte Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 30.00 (DocMorris-Aktien; vgl. Art. 3 der Statuten von DocMorris).

Die DocMorris-Aktien sind an der SIX Swiss Exchange (SIX) im International Reporting Standard kotiert (Valorensymbol: DOCM; ISIN: CH0042615283; Valorennummer: 4261528).

Die Statuten von DocMorris enthalten weder eine Opting up- noch eine Opting out-Klausel.

B.
Am 31. März 2020 hatte DocMorris Finance B.V. (vormals Zur Rose Finance B.V.), eine nach niederländischem Recht gegründete, seit dem 10. März 2020 unter der Firmennummer 77588290 in das Handelsregister der niederländischen Handelskammer eingetragene private Gesellschaft mit beschränkter Haftung (besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid) mit Sitz in Heerlen, Niederlande, die eine 100%ige Tochtergesellschaft von DocMorris (DocMorris Finance B.V. oder Gesuchstellerin) ist, die CHF 175 Mio. Wandelanleihe 2020 – 2025 mit Fälligkeit per 31. März 2025 (Valorensymbol: DOC20; ISIN: CH0536893594; Valorennummer: 53689359; die Wandelanleihe 2025) ausgegeben (die Gesuchstellerin zusammen mit DocMorris und deren konsolidierten Tochtergesellschaften nachfolgend die DocMorris-Gruppe).

C.
Am 6. Oktober 2023 reichte die Gesuchstellerin — vor dem Hintergrund des zwecks Verbesserung der Kapitalstruktur geplanten (Festpreis-)Rückkaufs der von ihr ausgegebenen Wandelanleihe 2025 und deren Ersatz mit einer Wandelanleihe, die 2027 oder gegebenenfalls auch später fällig werden soll (die Wandelanleihe 2027+) (das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm) — gestützt auf Ziffer 6.2 des UEK-Rundschreibens Nr. 1: Rückkaufprogramme vom 27. Juni 2013 (UEK-RS Nr. 1) ein Gesuch bei der Übernahmekommission ein und beantragte, dass das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm unter Gewährung verschiedener Ausnahmen vom UEK-RS 1 unterbreitet werden kann (das Gesuch vom 6. Oktober 2023).

D.
Mit Verfügung 857/01 vom 31. Oktober 2023 in Sachen DocMorris AG (die UEK-Verfügung 857/01) stellte die Übernahmekommission das Wandelanleihe 2020 – 2025-Rückkaufprogramm von den Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote frei und unterstellte es – unter Gewährung sämtlicher von DocMorris Finance B.V beantragter Ausnahmen – den Bestimmungen und Auflagen des UEK-RS Nr. 1.

E. 
Am 10. Januar 2024 reichte die Gesuchstellerin Bezug nehmend auf das Wandelanleihe 2020 – 2025-Rückkaufprogramm und die in dieser Hinsicht erlassene UEK-Verfügung 857/01 ein Ergänzungsgesuch (inklusive verschiedener Beilagen) bei der Übernahmekommission ein. Das Ergänzungsgesuch wurde nach Rückmeldung seitens der Übernahmekommission überarbeitet und in aktualisierter Form am 12. Januar 2024 erneut eingereicht (das Ergänzungsgesuch vom 12. Januar 2024).

Im Rahmen des Ergänzungsgesuchs vom 12. Januar 2024 stellte DocMorris Finance B.V. die folgenden Anträge:

«1. Es sei festzustellen, dass das Rückkaufangebot [Anmerkung: d.h. das Wandelanleihe 2020 – 2025-Rückkaufprogramm] unter der folgenden Bedingung unterbreitet werden kann:

"Das Rückkaufsangebot [Anmerkung: d.h. das Wandelanleihe 2020 – 2025-Rückkaufprogramm] steht unter der Bedingung, dass der Übernahmevertrag (Bond Purchase Agreement) bezüglich der neuen Wandelanleihe 2027+ nicht durch die übernehmenden Banken vor Vollzug der Ausgabe der Wandelanleihe 2027+ gekündigt wird [die Vollzugsbedingung]. Diese Bedingung ist jedoch nicht anwendbar, falls der geltend gemachte Kündigungsgrund durch die DocMorris Finance oder die DocMorris zu vertreten ist."

2. Es sei die Publikation der Verfügung mit der Gesuchstellerin zu koordinieren, d.h. erst vorzunehmen, wenn das Rückkaufangebot [Anmerkung: d.h. das Wandelanleihe 2020 – 2025-Rückkaufprogramm] mit dessen Rückkaufsinserat bekannt gemacht wird, und die Verfügung sei zusammen mit der UEK-Verfügung vom 31. Oktober 2023 zu veröffentlichen.

3. Für den Fall, dass die Übernahmekommission der Auffassung ist, dass die beantragte Verfügung zeitlich begrenzt sein soll, sei die zeitliche Begrenzung nicht kürzer vorzusehen als bis Ende Juni 2024.»

Auf die Begründung der Anträge wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

F.
Am 19. Januar 2024 bestätigte DocMorris gegenüber der Übernahmekommission, dass sie keine Stellungnahme zum Gesuch abgeben will.

G.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus der Präsidentin Mirjam Eggen, Thomas Vettiger und Mario Rossi gebildet.

 

Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

 

1.  Notwendigkeit der Freistellung des Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramms per Verfügung (Antrag, Ziff. 1)

[1] Gemäss Rn 1 des UEK-RS Nr. 1 und der ständigen Praxis der Übernahmekommission stellen öffentliche Angebote einer Gesellschaft zum Rückkauf eigener Beteiligungspapiere öffentliche Kaufangebote im Sinne von Art. 2 lit. i FinfraG dar. Dazu gehört auch die Bekanntgabe der Absicht einer Gesellschaft, eigene Beteiligungspapiere an der Börse zurückzukaufen (grundlegend dazu Verfügung der EBK vom 4. März 1998 in Sachen Pharma Vision 2000 AG, BK Vision AG und Stillhalter Vision AG, Erw. 2; einschlägig mit Bezug auf den Rückkauf von Wandelanleihen u.a. die UEK-Verfügung 857/01, Erw. 1.2, Rn 2 m.w.H.).

[2] Die Wandelanleihe 2025 ist ein Beteiligungspapier im Sinne von Art. 2 lit. i FinfraG, womit das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm grundsätzlich dem vierten Kapitel des FinfraG über öffentliche Kaufangebote untersteht (vgl. zum Ganzen auch die UEK-Verfügung 857/01, Erw. 1.2, Rn 3 ff.).

[3] Nach Art. 4 Abs. 1 UEV kann die Übernahmekommission von Amtes wegen oder auf Gesuch hin Ausnahmen von einzelnen Bestimmungen der UEV gewähren, sofern diese Ausnahmen durch überwiegende Interessen gerechtfertigt sind. Die Übernahmekommission kann gemäss Art. 4 Abs. 2 UEV namentlich den Anbieter davon befreien, einzelne Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote zu beachten, wenn sich sein Angebot auf eigene Beteiligungspapiere bezieht, Gleichbehandlung, Transparenz, Lauterkeit sowie Treu und Glauben gewährleistet sind (lit. a) und keine Hinweise auf eine Umgehung des FinfraG oder anderer Gesetzesbestimmungen vorliegen (lit. b).

[4] Gestützt auf Art. 4 Abs. 2 UEV wurde das UEK-RS Nr. 1 erlassen (vgl. dazu auch die Verfügung 721/01 vom 1. März 2019 in Sachen ams AG, Erw. 1.4, Rn 7). Entspricht ein Rückkaufprogramm vollständig den Voraussetzungen und Auflagen gemäss den Kapiteln 1 bis 4 des UEK-RS Nr. 1, so ist das Meldeverfahren anwendbar (UEK-RS Nr. 1, Rn 5 in Verbindung mit Rn 31 ff.). Die Anbieterin ist dann davon befreit, die Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote einzuhalten. Andernfalls ist eine Verfügung der Übernahmekommission nötig, um das Rückkaufprogramm von der Anwendung dieser Bestimmungen freizustellen (UEK-RS Nr. 1, Rn 5 in Verbindung mit Rn 35 ff.).

[5] Das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm entspricht nicht vollständig den Voraussetzungen und Auflagen gemäss den Kapiteln 1 bis 4 des UEK-RS Nr. 1. Aus diesem Grund wurde das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm per UEK-Verfügung 857/01 im Sinne von Art. 4 Abs. 2 UEV von der Beachtung einzelner Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote befreit und – unter Gewährung der von der Gesuchstellerin im Rahmen des ursprünglichen Gesuchs vom 6. Oktober 2023 beantragten Ausnahmen von den Voraussetzungen und Auflagen des UEK-RS Nr. 1 – den Bestimmungen des UEK-RS Nr. 1 unterstellt.

[6] Im Rahmen von Antrag, Ziff. 1 des Ergänzungsgesuchs vom 12. Januar 2024 beantragt die Gesuchstellerin, dass das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm zusätzlich auch der Bedingung unterworfen werden darf, dass der Übernahmevertrag (Bond Purchase Agreement) bezüglich der neuen Wandelanleihe 2027+ nicht durch die übernehmenden Banken vor Vollzug der Ausgabe der Wandelanleihe 2027+ gekündigt wird (wobei die Bedingung nicht anwendbar sein soll, falls der geltend gemachte Kündigungsgrund durch DocMorris Finance B.V. oder DocMorris zu vertreten ist).

[7] Die Gesuchstellerin ersucht die Übernahmekommission mit anderen Worten mit Blick auf das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm um Gewährung einer Ausnahme von Rn 16 des UEK-RS Nr. 1, wonach Rückkaufangebote zum Festpreis nicht an Bedingungen geknüpft sein dürfen, weshalb es der vorliegenden Verfügung bedarf.

 

1.1 Ausnahme von Rn 16 des UEK-RS Nr. 1

 

1.1.1 Rechtliches

[8] Gemäss Rn 16 des UEK-RS Nr. 1 darf ein Rückkaufangebot zum Festpreis nicht an Bedingungen geknüpft werden.

[9] Nach Art. 13 Abs. 2 UEV darf ein Angebot grundsätzlich nur an Bedingungen geknüpft werden, deren Eintritt der Anbieter selbst nicht massgeblich beeinflussen kann. Diese Bestimmung bezieht sich im Wesentlichen auf potestative Bedingungen. Bei solchen Bedingungen ist es vom Willen einer Partei abhängig, ob die entsprechende Bedingung eintritt oder nicht (Dieter Gericke/Karin Wiedmer, Kommentar zur Übernahmeverordnung (UEV), 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2020, Rn 27 zu Art. 13 UEV m.w.H.). Mit dem Verbot von Potestativbedingungen soll insbesondere verhindert werden, dass ein Anbieter durch sein Angebot nicht wirklich gebunden ist (Gericke/Wiedmer, zit. hiervor, Rn 28 zu Art. 13 UEV). Bedingungen müssen somit „dem ausschliesslichen Einflussbereich des Anbieters entzogen sein“ (Empfehlung IV 318/4 vom 9. Juni 2007 in Sachen Converium Holding AG, Erw. 11.2; ebenso Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem/Tino Gaberthüel, Öffentliche Kaufangebote, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2020, Rn 471).

 

1.1.2 Antragsbegründung der Gesuchstellerin

[10] Im Hinblick auf die beantragte Ausnahme von Rn 16 des UEK-RS Nr. 1 führt die Gesuchstellerin in ihrem Ergänzungsgesuch vom 12. Januar 2024 aus, dass das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm und die Emission der Wandelanleihe 2027+ gegenseitig abhängig und in dieser Hinsicht als Gesamttransaktion zu betrachten seien. Falls nämlich die Wandelanleihe 2027+ nicht ausgegeben und vollzogen würde, aber der Rückkauf gemäss dem Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm erfolgen müsste, dürften bei der DocMorris-Gruppe — insbesondere vor dem Hintergrund der im November 2024 zur Rückzahlung fällig werdenden CHF 200'000'000 Anleihe 2019-2024 (ISIN: CH0505011897) —nicht ausreichend Barmittel vorhanden sein, um den Liquiditätsbedarf für die nächsten zwölf Monate zu decken. Ein solcher prognostizierter Liquiditätsengpass stelle die Fortführungsannahme (Going Concern) bezüglich der DocMorris-Gruppe in Frage. Die Folge davon wäre, dass ohne Nachweis einer zusätzlichen Finanzierung mindestens eine entsprechende Qualifizierung (Going Concern-Vorbehalt) im Testat der Revisionsstelle von DocMorris für den Jahresabschluss vom 31. Dezember 2023 nötig würde.

[11] Da der prognostizierte Liquiditätsengpass für das Jahr 2024 jedoch nur dann auftrete, wenn das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm vollzogen werden muss, ohne dass die Emission der Wandelanleihe 2027+ vollzogen wird, möchte die Gesuchstellerin das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm von der im Antrag, Ziff. 1 genannten Vollzugsbedingung (vgl. dazu Sachverhalt Bst. E) abhängig machen. Die Vollzugsbedingung soll dabei einerseits auf den sog. Vollzugszeitraum und andererseits auf Fälle einer nicht von der DocMorris-Gruppe zu vertretenden Kündigung des Bond Purchase Agreement durch das Bankensyndikat beschränkt werden, wobei sich die Situation im Detail wie folgt darstellen lasse:

    •  

Das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm werde entsprechend dem in der UEK-Verfügung vom 31. Oktober 2023 auf Seite 7 f. wiedergegebenen Zeitplan nur publiziert, wenn das Angebot der Wandelanleihe 2027+ und die Allokation der entsprechend auszugebenden Anleihensobligationen bereits abgeschlossen ist. Damit beschränke sich das Risiko, dass die Vollzugsbedingung nicht erfüllt ist, auf den Zeitraum zwischen der Platzierung und der (provisorischen) Allokation der Wandelanleihe 2027+ (T0) und deren Vollzug (geplant auf T+12) (der Vollzugzeitraum).

    •  

Die Gesuchstellerin und DocMorris seien während dem Vollzugszeitraum an das Bond Purchase Agreement bezüglich der Wandelanleihe 2027+ mit den betreuenden Banken, Goldman Sachs Bank Europe SE und UBS AG (die Joint Bookrunner), gebunden und könnten dieses grundsätzlich nicht kündigen. Die Kündigung sei hingegen in bestimmten Fällen durch die Joint Bookrunner möglich. Die Gesuchstellerin verweist in dieser Hinsicht insbesondere auf die Ziff. 7.5 Bst. a und c, 7.6 Bst. a bis f und 7.7 des Bond Purchase Agreement (die genannten Ziffern sehen eine einseitige Kündigungsmöglichkeit des Bond Purchase Agreement durch die Joint Bookrunner im Falle sog. wesentlicher nachteiliger Auswirkungen [Material Adverse Effect], höherer Gewalt [Force Majeure] und Bail-in-Aktionen [Bail-in Actions] vor).

    •  

Während des Vollzugszeitraums würde die Wandelanleihe 2027+ zwar von den Joint Bookrunner in Abstimmung mit der Gesuchstellerin bestimmten Investoren zum Kauf alloziert, jedoch würden der Verkauf und die entsprechende Einzahlung der Anleihensobligationen noch nicht durchgeführt. Bei einer Kündigung des Bond Purchase Agreements vor dem Vollzug würden die übernehmenden Banken als Zeichnerinnen bzw. erste Nehmerinnen der Wandelanleihe 2027+ den Ausgabebetrag nicht der Gesuchstellerin zahlen und sie würden den Weiterverkauf der übernommenen Anleihensobligationen an die Endanleger nicht durchführen. Die Gesuchstellerin verfüge im Übrigen auch über keine direkten Kaufverträge mit den Endanlegern der Wandelanleihe 2027+, die einen Verkauf der Anleihe ungeachtet einer Kündigung der Joint Bookrunner zuliessen. Im Falle einer Kündigung durch die Joint Bookrunner im Vollzugszeitraum finde der Verkauf der Anleihensobligationen somit nicht statt und der Gesellschaft würden keinerlei neue Mittel zufliessen. Solche Kündigungen im Vollzugszeitraum seien höchst selten und auf ausserordentliche Ereignisse zurückzuführen. Nur in diesen Fällen, und nur wenn der Kündigungsgrund nicht von der Gesuchstellerin oder DocMorris zu vertreten sei, greife die Vollzugsbedingung.

    •  

Die Vollzugsbedingung sichere somit einen Fall ab, der zwar unwahrscheinlich, jedoch ausserhalb der Kontrolle der Gesuchstellerin und von DocMorris sei und dessen Eintreten verheerende Folgen für die DocMorris-Gruppe haben könnte.

 

[12] Abschliessend hält die Gesuchstellerin in ihrem Ergänzungsgesuch vom 12. Januar 2024 unter Verweis auf die mit Verfügung 762/01 vom 17. April 2020 in Sachen Basilea Pharmaceutica AG, 3.3.2, Rn. 17 f. etablierte Praxis fest, dass die Vollzugsbedingung gemäss Antrag, Ziff. 1 ökonomisch notwendig sei, um das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm abzuwickeln. Die Vollzugsbedingung sei auf Fälle der Kündigung durch die Joint Bookrunner beschränkt, die nicht von der DocMorris-Gruppe zu vertreten sind. Damit handle es sich naturgemäss nicht um eine Bedingung, die im Ermessen der Gesuchstellerin und von DocMorris liegt oder von diesen beeinflusst werden kann. Auch erlaube der konkrete Wortlaut der Vollzugsbedingung, die als Teil des Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramms veröffentlicht werden soll, eine klare und transparente Eingrenzung der Fälle, in denen das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm nicht vollzogen wird.

 

1.1.3 Erwägungen der Übernahmekommission und Fazit

[13] Laut der Gesuchstellerin besteht zwischen dem Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm und der erfolgreichen Begebung der Wandelanleihe 2027+ eine gegenseitige Abhängigkeit: Ein möglicher Liquiditätsengpass bei der DocMorris-Gruppe für die nächsten zwölf Monate lässt sich grundsätzlich nur dann ausschliessen, wenn der DocMorris-Gruppe parallel zur Durchführung des Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramms neue finanzielle Mittel über die Begebung der Wandelanleihe 2027+ zugeführt werden können.

[14] Nach Auffassung der Übernahmekommission ist die Vollzugsbedingung vor diesem Hintergrund in ökonomischer Hinsicht notwendig, um das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm durchführen zu können. Der Eintritt der Vollzugsbedingung ist des Weiteren — wie von der Gesuchstellerin plausibel dargelegt— auch nicht vom Willen der Gesuchstellerin oder der DocMorris abhängig, womit es sich bei der Vollzugsbedingung nicht um eine grundsätzlich unzulässige Potestativbedingung handelt. Und schliesslich beschränkt sich die Vollzugsbedingung vorliegend umfangmässig auch auf den wohl eher unwahrscheinlichen Fall der Kündigung des Bond Purchase Agreement durch die Joint Bookrunner bei Vorliegen wesentlicher nachteiliger Auswirkungen, höherer Gewalt und Bail-in-Aktionen.

[15] Angesichts der Ausführungen hiervor und mangels Hinweisen auf eine Verletzung der übernahmerechtlichen Grundsätze (Lauterkeit, Transparenz, Gleichbehandlung sowie Treu und Glauben) oder einer Umgehung des FinfraG oder anderer Gesetzesbestimmungen (Art. 4 Abs. 2 lit. a und b UEV) erlaubt die Übernahmekommission — auch in Einklang mit der im Rahmen der Verfügung 762/01 vom 17. April 2020 in Sachen Basilea Pharmaceutica AG, Erw. 3.3, Rn 15 ff. etablierten Praxis —, dass das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm der Bedingung unterworfen wird, dass der Übernahmevertrag (Bond Purchase Agreement) bezüglich der neuen Wandelanleihe 2027+ nicht durch die übernehmenden Banken vor Vollzug der Ausgabe der Wandelanleihe 2027+ gekündigt wird, und gewährt der Gesuchstellerin eine entsprechende Ausnahme von Rn 16 des UEK-RS Nr. 1.

[16] Dem Antrag, Ziff. 1 der Gesuchstellerin wird somit stattgegeben.

 

1.2 Übrige Voraussetzungen für die Freistellung des Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramms

[17] Die übernahmerechtlichen Grundsätze und übrigen Voraussetzungen gemäss UEK-RS Nr. 1 sind vorliegend, soweit ersichtlich, eingehalten.

[18] Die Gesuchstellerin wird als Anbieterin spätestens am dritten Börsentag nach Ablauf des Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramms bestätigen müssen, dass die weiteren Auflagen gemäss den Kapiteln 2 und 3 der UEK-Rundschreibens Nr. 1 eingehalten sind.

1.3 Ergebnis

[19] Das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm wird von den Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote freigestellt und – unter Gewährung der im Rahmen des vorliegenden Ergänzungsgesuchs vom 12. Januar 2024 beantragten zusätzlichen Ausnahme – den Bestimmungen und Auflagen des UEK-RS Nr. 1 unterstellt (vgl. zu den im Hinblick auf das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm bereits gewährten Ausnahmen die UEK-Verfügung 857/01, Erw. 1.3, 1.4, 1.5, 1.6).

2.  Rückkaufinserat


[20] Gemäss Rn 41 des UEK-RS Nr. 1 hat die Gesuchstellerin das Rückkaufinserat gemäss Art. 6 und 7 UEV zu veröffentlichen.

[21] Das Rückkaufinserat muss (i) die Mindestinhalte gemäss 125 FinfraV bzw. gemäss dem Formular „Meldung eines Rückkaufprogramms“ (Rn 40 des UEK-RS Nr. 1), (ii) das Dispositiv der vorliegenden Verfügung sowie (iii) den Hinweis enthalten, innert welcher Frist und unter welchen Voraussetzungen ein Aktionär Parteistellung beanspruchen und Einsprache gegen diese Verfügung erheben kann (vgl. Art. 61 Abs. 3 UEV).

[22] In dem der Übernahmekommission per 8. Januar 2024 vorgelegten Entwurf des Rückkaufinserats sind die erwähnten (Mindest-)Inhalte enthalten oder mindestens bereits korrekt angelegt.

 

3.  Publikation und keine zeitliche Begrenzung der Verfügung (Antrag, Ziff. 2 und Antrag, Ziff. 3)

 

3.1 Antrag, Ziff. 2 und Antrag, Ziff. 3

[23] Im Rahmen ihres Verfahrensantrags, Ziff. 2 beantragt die Gesuchstellerin, dass die Publikation der Verfügung — zusammen mit der Publikation der UEK-Verfügung 857/01 — erst vorzunehmen sei, wenn das Rückkaufangebot mit dessen Rückkaufsinserat bekannt gemacht wird (vgl. Sachverhalt Bst. E).

[24] Für den Fall, dass die Übernahmekommission der Auffassung sein sollte, dass die beantragte Verfügung zeitlich begrenzt sein muss, beantragt die Gesuchstellerin im Rahmen ihres Antrags, Ziff. 3 die zeitliche Begrenzung nicht kürzer vorzusehen als bis Ende Juni 2024 (vgl. Sachverhalt Bst. E).

 

3.2 Fazit der Übernahmekommission

[25] Die vorliegende Verfügung wird erst nach der Publikation des Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramms durch die Gesuchstellerin mittels eines entsprechenden Rückkaufinserats (vgl. Rn 40 f. des UEK-RS Nr. 1) auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

[26] Für den Fall, dass die Gesuchstellerin nach Eröffnung dieser Verfügung, aber vor der Publikation eines entsprechenden Rückkaufinserats beschliessen sollte, auf das Wandelanleihe 2020 - 2025-Rückkaufprogramm zu verzichten, wird die vorliegende Verfügung nicht veröffentlicht.

[27] Dem Verfahrensantrag, Ziff. 2 der Gesuchstellerin wird somit stattgegeben.

[28] Mangels einer zeitlichen Begrenzung der vorliegenden Verfügung ist der Verfahrensantrag, Ziff. 3 der Gesuchstellerin gegenstandslos und daher abzuschreiben.

 

4.  Gebühr


[29] Für die Prüfung des vorliegenden Gesuchs wird eine Gebühr zu Lasten der Gesuchstellerin in der Höhe von CHF 20'000 erhoben (Rn 39 des UEK-RS Nr. 1 in Verbindung mit Art. 118 Abs. 1 und 2 FinfraV).
 

 

Die Übernahmekommission verfügt:

 

1.

Das geplante Angebot von DocMorris Finance B.V. zum Festpreis zum Zweck des Rückkaufs ihrer an der SIX Swiss Exchange kotierten Wandelanleihe 2020 – 2025 (CH0536893594) (nachfolgend das «Wandelanleihe 2020 – 2025-Rückkaufprogramm»), welches die Übernahmekommission mit Verfügung 857/01 vom 31. Oktober 2023 in Sachen DocMorris AG von den Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote freigestellt und den Bestimmungen und Auflagen des UEK-RS Nr. 1 unterstellt hatte, kann unter der Bedingung unterbreitet werden, dass der Übernahmevertrag (Bond Purchase Agreement) bezüglich der sog. Wandelanleihe 2027+ nicht durch die übernehmenden Banken vor Vollzug der Ausgabe der Wandelanleihe 2027+ gekündigt wird. Diese Bedingung ist nicht anwendbar, falls der geltend gemachte Kündigungsgrund durch DocMorris Finance B.V. oder DocMorris AG zu vertreten ist.

2.

Die vorliegende Verfügung wird — zusammen mit der Verfügung 857/01 vom 31. Oktober 2023 in Sachen DocMorris AG — erst nach der Publikation des Wandelanleihe 2020 – 2025-Rückkaufprogramms durch DocMorris Finance B.V. mittels eines entsprechenden Rückkaufinserats auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht. Für den Fall, dass DocMorris Finance B.V. nach Eröffnung dieser Verfügung, aber vor der Publikation eines entsprechenden Rückkaufinserats beschliessen sollte, auf das Wandelanleihe 2020 – 2025-Rückkaufprogramm zu verzichten, wird die vorliegende Verfügung nicht veröffentlicht.

3.

Das Rückkaufinserat hat (i) die Mindestinhalte gemäss 125 FinfraV sowie gemäss dem Formular „Meldung eines Rückkaufprogramms“ (Rn 40 des UEK-RS Nr. 1), (ii) das Dispositiv der vorliegenden Verfügung (und der Verfügung 857/01 vom 31. Oktober 2023 in Sachen DocMorris AG) und (iii) den Hinweis zu enthalten, innert welcher Frist und unter welchen Voraussetzungen ein Aktionär Parteistellung beanspruchen und Einsprache erheben kann.

4.

Antrag, Ziff. 3 von DocMorris Finance B.V. wird als gegenstandslos abgeschrieben.

5.

Die Gebühr zu Lasten von DocMorris Finance B.V. beträgt CHF 20'000.

 

 

Die Präsidentin:

 

Mirjam Eggen

 

Diese Verfügung geht an folgende Parteien:



-

DocMorris Finance B.V., vertreten durch Dr. Matthias Courvoisier und Dr. Yves Mauchle, Baker McKenzie Zürich.

-

DocMorris AG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Beschwerde (Art. 140 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes, SR 958.1):

Diese Verfügung kann innert einer Frist von fünf Börsentagen bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, Laupenstrasse 27, CH-3003 Bern, angefochten werden. Die Anfechtung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen. Die Beschwerde hat den Erfordernissen von Art. 52 VwVG zu genügen.

 

Einsprache (Art. 58 der Übernahmeverordnung, SR 954.195.1):

Ein Aktionär, welcher eine Beteiligung von mindestens drei Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, nachweist (qualifizierter Aktionär, Art. 56 UEV) und am Verfahren bisher nicht teilgenommen hat, kann gegen die vorliegende Verfügung Einsprache erheben. Die Einsprache ist bei der Übernahmekommission innerhalb von fünf Börsentagen nach der Veröffentlichung der vorliegenden Verfügung einzureichen. Sie muss einen Antrag und eine summarische Begründung sowie den Nachweis der Beteiligung gemäss Art. 56 Abs. 3 und 4 UEV enthalten (Art. 58 Abs. 3 UEV).