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Transaktionen

0292 - SCHMOLZ + BICKENBACH AG

Empfehlung in Sachen SCHMOLZ + BICKENBACH AG vom 03. Oktober 2006

Gesuch der SCHMOLZ + BICKENBACH KG (Düsseldorf/DE) und der SCHMOLZ + BICKENBACH Finanz AG (Wil/SG) um Feststellung des Nichtbestehens einer Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebots gemäss Art. 32 BEHG an die Inhaber von Beteiligungspapieren der SCHMOLZ + BICKENBACH AG (Emmen)

A.
Die SCHMOLZ + BICKENBACH AG (vormals Swiss Steel AG; „S+B AG“ oder „Zielgesellschaft“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Emmen. Sie verfügt über ein Aktienkapital von CHF 188'691'390, eingeteilt in 18'869'139 Aktien, wovon 13'773'094 Namenaktien zu je CHF 10 Nennwert im SWX Local Caps der SWX Swiss Exchange („SWX“) kotiert sind. Die restlichen 5'096'045 Inhaberaktien zu je CHF 10 Nennwert sind nicht kotiert.

B.
Mehrheitsaktionärin der S+B AG ist die SBGE Stahl Holding AG, Bronschhofen/SG („SBGE“), welche zum heutigen Zeitpunkt 7'524'981 Namenaktien sowie sämtliche 5'096'045 nicht kotierten Inhaberaktien der S+B AG hält. Die gesamte Beteiligung der SBGE an der S+B AG beträgt somit rund 67% (Stimm- und Wertrechte).

C.
Die SBGE wird zu 80% indirekt über die SCHMOLZ + BICKENBACH Stahlcenter AG, Wil/SG („S+B Stahlcenter AG“, vormals Schmolz + Bickenbach AG), von der SCHMOLZ + BICKENBACH KG, Düsseldorf/DE („S+B KG“) gehalten. Die anderen 20% werden indirekt über die Gebuka AG, Neuheim/ZG („Gebuka“), durch Dr. Gerold Büttiker, Feldbach/ZH, gehalten.

Die S+B Stahlcenter AG und die Gebuka sind durch einen Aktionärbindungsvertrag („ABV“) datierend vom 6. Januar 2004 verbunden, welcher durch einen Zusatz vom 13. Mai 2005 abgeändert wurde. Neben gegenseitigen Kaufs- und Vorkaufsrechten regelt der ABV, dass die S+B Stahlcenter AG und die Gebuka (zusammen die „Poolaktionäre“ bzw. der „Aktionärspool“) eine ihrem Anteil an der SBGE entsprechende Anzahl Verwaltungsräte für die S+B AG ernennen können, wobei der Gebuka mindestens ein Sitz zukommt und die S+B Stahlcenter AG berechtigt ist, den Präsidenten vorzuschlagen. Der ABV statuiert, das Organisationsreglement der SBGE müsse vorsehen, dass Beschlüsse des Verwaltungsrats der SBGE über die Besetzung des Verwaltungsrates der S+B AG, die Instruktion dieser Verwaltungsratsmitglieder und die Beschlüsse über die Vertretung der Aktienstimmen in der Generalversammlung der S+B AG einstimmig zu treffen sind. Dies wurde im Organisationsreglement der SBGE denn auch gemäss den Vorgaben des ABV festgehalten.

Die aktuellen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnisse können zusammengefasst wie folgt dargestellt werden:

 

D.
Die SCHMOLZ + BICKENBACH Gruppe (bestehend aus der S+B KG einschliesslich ihres Komplementärs und ihrer Kommanditisten, sowie ihrer direkten und indirekten Tochtergesellschaften, einschliesslich der S+B Stahlcenter AG), beabsichtigt nun, im Rahmen einer Sacheinlage den überwiegenden Geschäftsumfang ihrer derzeitigen Aktivitäten in die S+B AG einzubringen. Im Folgenden werden die wesentlichen Transaktionsschritte kurz erörtert. Auf die Details der beabsichtigten Transaktion (nachfolgend insgesamt die „Transaktion“) wird – soweit erforderlich – im Rahmen der rechtlichen Erwägungen näher eingegangen.

D.1
Bei den einzubringenden Unternehmensteilen handelt es sich um die Distributions- und Weiterverarbeitungsgesellschaften des SCHMOLZ + BICKENBACH Konzerns, welche unter der Holdinggesellschaft SCHMOLZ + BICKENBACH Distributions GmbH, Deutschland („S+B Distributions GmbH) zusammengefasst und anschliessend mittels Sacheinlage in die S+B AG eingebracht werden sollen. Ferner soll die neu erworbene Ugitech Gruppe zusammen mit einigen weiteren Gesellschaften unter der SCHMOLZ + BICKENBACH France S.A.S, Frankreich („S+B France S.A.S.“) gebündelt und durch die S+B Stahlcenter AG in die SCHMOLZ + BICKENBACH Finanz AG, Wil/SG („S+B Finanz AG“) und von dort ebenfalls mittels Sacheinlage in die S+B AG eingebracht werden.

D.2
Die Einbringung der Gesellschaften wird gegen Ausgabe von S+B AG Aktien erfolgen. Aus diesem Grund soll das Aktienkapital der S+B AG unter Ausschluss des Bezugsrechts der bisherigen Aktionäre von bisher CHF 188'691'390 (wovon 137'730'940 an der SWX kotiert sind) auf CHF 300'000'000 erhöht werden. Die Sacheinlage erfolgt zunächst durch Ausgabe von nicht kotierten Inhaberaktien unter Ausschluss der Bezugsrechte der bisherigen Aktionäre. Es ist beabsichtigt, sämtliche ausstehenden Inhaberaktien bis spätestens am 30. November 2006 in Namenaktien umzuwandeln. Die neuen Namenaktien sollen anschliessend an der SWX kotiert werden. Nach Abschluss der Transaktion soll das Aktienkapital somit aus 30'000'000 an der SWX kotierten Namenaktien zu je CHF 10 bestehen.

D.3
Sämtliche im Zusammenhang mit der Umsetzung der Transaktion notwendigen Generalversammlungsbeschlüsse seitens der S+B AG wurden anlässlich der ausserordentlichen Generalversammlung vom 20. September 2006 gefällt. Unter anderem haben die Aktionäre anlässlich dieser Generalversammlung eine Änderung der Firma Swiss Steel AG in SCHMOLZ+BICKENBACH AG beschlossen. Die Änderung der Firma wurde am 21. September 2006 ins Handelsregister des Kantons Luzern eingetragen.

E.
Durch die Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der bisherigen Aktionäre reduziert sich die bisherige Beteiligung der SBGE von 67% auf 42%. Die neu hinzukommenden Aktionäre der S+B AG, die S+B KG und die S+B Finanz AG, sind zu 100% dem SCHMOLZ + BICKENBACH Konzern zuzurechnen. Nach Abschluss der Transaktion soll die heutige S+B AG die Muttergesellschaft des grössten Teils des SCHMOLZ + BICKENBACH Konzerns sein und ihr Aktienkapital wird wie folgt gehalten werden: 42% von der SBGE, 10% von der S+B KG, 27% von der S+B Finanz AG und 21% von den Publikumsaktionären. Zusammenfassend lassen sich die Beteiligungsverhältnisse nach der beabsichtigten Transaktion wie folgt darstellen:

 

F.
Mit Eingabe vom 8. September 2006, ergänzt am 22. September 2006, haben die S+B KG und die S+B Finanz AG (zusammen „die Gesuchstellerinnen“) bei der Übernahmekommission ein Gesuch eingereicht mit folgendem Antrag:

„Es sei im Rahmen einer Präsidialauskunft festzustellen, dass die geplante Einbringung (mittels Sacheinlage) der SCHMOLZ + BICKENBACH Distributions GmbH durch die SCHMOLZ + BICKENBACH KG, Düsseldorf/DE und der SCHMOLZ + BICKENBACH France S.A.S durch die SCHMOLZ + BICKENBACH Finanz AG, Wil/SG, in die Swiss Steel AG, Emmen, gegen Ausgabe von Swiss Steel Aktien, keine Angebotspflicht i.S.v. Art. 32 Abs. 1 BEHG auslöst.

Eventualiter sei den Gesuchstellern im Hinblick auf die bevorstehende Transaktion eine Ausnahmebewilligung i.S.v. Art. 32 Abs. 2 BEHG i.V.m. Art. 34 BEHV-EBK zu erteilen.“

G.
Am 19. September 2006 bzw. am 27. September 2006 (ergänzte Version) hat der Verwaltungsrat der S+B AG bei der Übernahmekommission eine Stellungnahme zum Rechtsbegehren der Gesuchstellerinnen vom 8. September bzw. 22. September 2006 eingereicht. Darin hielt der Verwaltungsrat der S+B AG im Wesentlichen fest, dass er das Rechtsbegehren der Gesuchstellerinnen unterstütze.

H.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Hans Rudolf Widmer (Präsident), Frau Maja Bauer-Balmelli und Frau Susan Emmenegger gebildet.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Bestehen einer Angebotspflicht gemäss Art. 32 BEHG

1.1 Im Allgemeinen

Gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG muss diejenige Person, welche direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die sie bereits besitzt, den Grenzwert von 33 1/3% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, überschreitet, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der Gesellschaft unterbreiten. Wie die Überschreitung des massgeblichen Grenzwerts zu Stande kommt, ist im Grundsatz unerheblich. Dies kann z.B. durch Erwerb von Aktien an der Börse, durch private ausserbörsliche Paketkäufe von Aktien oder – wie im vorliegenden Fall – durch die Ausübung von Bezugsrechten im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlage (s. Empfehlung in Sachen Flughafen-Immobilien-Gesellschaft vom 23. Februar 2000, Erw. 2) stattfinden.

1.2 Beteiligung der Poolaktionäre an der SBGE bzw. der S+B AG

1.2.1 Bevor auf die Frage einzugehen ist, ob die geplante Einbringung (mittels Sacheinlage) der S+B Distributions GmbH durch die S+B KG und der S+B France S.A.S durch die S+B Finanz AG in die S+B AG gegen Ausgabe von S+B AG Aktien eine Angebotspflicht im Sinne von Art. 32 Abs. 1 BEHG auslöst, ist zu prüfen, von welcher Beteiligung der Poolaktionäre an der S+B AG ausgegangen bzw. wem das von der SBGE gehaltene Paket an S+B AG Aktien zugerechnet werden muss.

1.2.2 Wie im Sachverhalt erwähnt (vgl. lit. C und E), beträgt die Beteiligung der SBGE an der S+B AG vor Durchführung der vorgesehenen Transaktion 67%. Nach Durchführung der Transaktion soll die SBGE mit 42% an der S+B AG beteiligt sein.

1.2.2.1 Hinsichtlich des von der SBGE gehaltenen Pakets an S+B AG Aktien machen die Gesuchstellerinnen und der Verwaltungsrat der S+B AG in ihrem Gesuch bzw. in ihrer Stellungnahme geltend, es bestehe zwischen der S+B Stahlcenter AG und der Gebuka eine Vereinbarung, wonach der SCHMOLZ + BICKENBACH Gruppe davon im internen Verhältnis 59% (nach der Transaktion 37%) und der Gebuka 8% (nach der Transaktion 5%) zuzurechnen seien. Basierend auf diesem angeblichen internen Verhältnis ziehen die Gesuchstellerinnen in ihrem Gesuch den Schluss, dass die der SCHMOLZ + BICKENBACH Gruppe, insbesondere der S+B KG, zuzurechnende Beteiligung bereits vor der Transaktion bei 59% liege und somit durch die beabsichtige Transaktion keine Überschreitung des Grenzwerts von 33 1/3% stattfinde. Aus diesem Grunde sei eine Angebotspflicht zu verneinen.

1.2.2.2 Das von den Gesuchstellerinnen behauptete „interne Verhältnis“ in Bezug auf den jeweiligen indirekt durch die SBGE gehaltenen Anteil an S+B AG Aktien wird zwar in verschiedenen Dokumenten, welche der Übernahmekommission eingereicht wurden (Gesuch der Gesuchstellerinnen, Stellungnahme des Verwaltungsrats, Fairness Opinion zur Beurteilung der finanziellen Angemessenheit des Austauschverhältnisses), sowie im Corporate Governance Bericht der S+B AG (s. Finanzbericht 2005, S. 32) erwähnt. Es wird jeweils angegeben, die S+B KG halte mittelbar über ihre Beteiligung an der SBGE 58.9% und die Gebuka mittelbar und unmittelbar 8.7%, zusammen 67.6% am Aktienkapital der S+B AG. Allerdings wird nirgends erläutert und konnte der Übernahmekommission auch nicht erklärt werden, inwiefern sich dieses „interne Verhältnis“ im Aussenverhältnis auswirkt.

1.2.2.3 Diese behauptete interne Aufteilung ändert nichts an der Tatsache, dass der ganze Aktienanteil von 67% (bzw. von 42% nach der beabsichtigten Transaktion) gesellschaftsrechtlich und somit in Bezug auf die Ausübung der Stimmrechte grundsätzlich der SBGE zuzurechnen ist, da das 67% S+B AG Aktienpaket von der S+B Stahlcenter AG und der Gebuka indirekt über die SBGE gehalten wird (s. Sachverhalt lit. C). Die S+B Stahlcenter AG verfügt über 80% und die Gebuka über 20% der Stimmrechte der SBGE. Die S+B Stahlcenter AG und die Gebuka sind wiederum durch einen ABV verbunden, welcher unter anderem vorsieht, dass die Beschlüsse im Verwaltungsrat der SBGE über die Vertretung der Aktienstimmen in der Generalversammlung der S+B AG einstimmig zu treffen sind. Überdies muss auch ein Beschluss in Bezug auf die Instruktion des Verwaltungsrats der S+B AG einstimmig gefällt werden (s. Sachverhalt lit. C). Damit verfügen beide Poolaktionäre de facto über ein Vetorecht. Ein solches Vetorecht gibt jedem Mitglied des Aktionärspools die Möglichkeit, entscheidenden Einfluss in wichtigen Fragen und Geschäften der S+B AG auszuüben. Kann über eine (wichtige) Frage zwischen der S+B Stahlcenter AG und der Gebuka und dadurch im Verwaltungsrat der SBGE kein Einvernehmen erzielt werden, ist gemäss ABV und Organisationsreglement der SBGE somit davon auszugehen, dass der Vertreter des SBGE Aktienanteils (sei es nun ein externer Dritter oder ein Verwaltungsrat der SBGE) in der Generalversammlung der S+B AG sich (bzw. die SBGE als Aktionärin) für ein bestimmtes Traktandum als nicht vertreten erklären lassen muss (sich also bei der Zugangskontrolle für ein bestimmtes Traktandum streichen lassen muss).

1.2.2.4 Basierend auf dem oben Erörterten ist festzustellen, dass der Aktienanteil der SBGE von 67% (bzw. von 42% nach der beabsichtigten Transaktion) an der S+B AG weder der S+B Stahlcenter AG noch der Gebuka (bzw. indirekt weder der S+B KG noch Gerold Büttiker) eindeutig zuzurechnen ist. Die S+B AG wird heute von der S+B Stahlcenter AG und der Gebuka (bzw. indirekt von der S+B KG und Gerold Büttiker) gemeinsam kontrolliert. Obwohl die S+B Stahlcenter AG über 80% (indirekt die S+B KG) der Stimmrechte der SBGE verfügt, bewirkt das Vetorecht zugunsten der Gebuka (indirekt Gerold Büttiker), welche lediglich über 20% der Stimmrechte der SBGE verfügt, dass die S+B Stahlcenter AG (bzw. die S+B KG) nicht die alleinige Kontrolle über die S+B AG ausüben kann. Die Gebuka (bzw. Gerold Büttiker) hat die Möglichkeit, entscheidenden Einfluss in wichtigen Fragen und Geschäften der S+B AG auszuüben.

1.3 Verhältnis der neu hinzutretenden Aktionäre zu den Poolaktionären

Wie oben ausgeführt wurde (s. Sachverhalt lit. D), sollen die Sacheinlegerinnen S+B KG und S+B Finanz AG mit S+B AG Aktien abgegolten werden. Die im Zusammenhang mit der Umstrukturierung an die S+B KG auszugebenden 10% der S+B AG Aktien sowie die an die S+B Finanz AG auszugebenden 27% der S+B AG Aktien sollen gemäss ABV nicht dem ABV unterstellt werden und werden somit nicht dem Aktionärspool zuzurechnen sein. Vielmehr bilden sie ein separates Paket von 37%, welches ausschliesslich (zu 10% direkt und zu 27% indirekt) durch S+B KG kontrolliert wird (s. Sachverhalt lit. E).

1.4 Zwischenergebnis

Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass die beabsichtigte Transaktion aus folgenden Gründen zu einer Angebotspflicht der S+B KG führt: Einzelne Aktionäre sind neben einer Gruppe (hier der Aktionärspool) selbständig zu betrachten und sind angebotspflichtig, wenn sie einzeln den massgebenden Grenzwert überschreiten (BGE 130 II 530, 545, Erw. 5.4.3). Im vorliegenden Fall überschreitet ein Poolmitglied, das heisst die S+B KG (materiell ist diese als Poolmitglied zu betrachten, da sie 100% der Aktien der S+B Stahlcenter AG hält, welche formell Poolmitglied ist), durch die beabsichtigte Transaktion ausserhalb des Pools den Grenzwert von 33 1/3%. Da die Beteiligung der SBGE an der S+B AG aufgrund des Vetorechts der Gebuka (bzw. von Herrn Büttiker) nicht ausschliesslich der S+B KG zuzurechnen sind, kann nicht – wie von den Gesuchstellerinnen geltend gemacht – davon ausgegangen werden, dass die S+B KG bereits vor der Transaktion über dem Grenzwert von 33 1/3% liegt. Wie oben erörtert (s. Erw. 1.2.2.4) hat sie nicht die alleinige Kontrolle über das SBGE Paket, und zwar weder vor noch nach der Transaktion. Hingegen ist das infolge Umstrukturierung zu erwerbende 37% Paket an S+B AG Aktien – wie im Gesuch der Gesuchstellerinnen zu Recht ausgeführt – ausschliesslich der S+B KG zuzurechnen, wodurch diese den angebotspflichtigen Grenzwert von 33 1/3% überschreitet. Bei Durchführung der beabsichtigen Transaktion ist die S+B KG demnach gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG verpflichtet, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der S+B AG zu unterbreiten.

2. Keine Ausnahme von der Angebotspflicht

2.1 Eventualiter beantragen die Gesuchstellerinnen, es sei festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG i.V.m. Art. 34 BEHV-EBK gegeben sind. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass aktienrechtlich die Übernahme von Unternehmen, Unternehmensteilen oder Beteiligungen einen „wichtigen Grund“ gemäss Art. 652b Abs. 2 OR darstelle. In Anlehnung an diese aktienrechtliche Regelung liege im vorliegenden Fall auch börsenrechtlich eine Grundlage für die Erteilung einer Ausnahme von der Angebotspflicht vor, sofern die beabsichtigte Transaktion nicht zu einer Benachteiligung der Minderheitsaktionäre führe. Eine Benachteiligung der Aktionäre durch die beabsichtigte Transaktion sei jedoch nicht erkennbar. Im Übrigen werde die bestehende Gruppe S+B Stahlcenter AG / Gebuka durch die Transaktion im internen Verhältnis nicht verändert und es komme zu keiner Verschiebung der internen Machtverhältnisse. Die Gruppe werde auch nach der Transaktion Hauptaktionärin der S+B AG bleiben, obwohl sich ihr Anteil auf 42% reduzieren werde. Die neuen Aktionäre S+B KG und S+B Finanz AG könnten die S+B AG deshalb nicht kontrollieren. Damit sei auch eine Ausnahme gestützt auf Art. 34 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK möglich. Die Zielgesellschaft macht in ihrer Stellungnahme im Wesentlichen mit derselben Begründung geltend, dass sie die Ansicht der Gesuchstellerinnen teile.

2.1.1 Zu den Argumenten der Gesuchstellerinnen und der Zielgesellschaft kann Folgendes festgestellt werden: Das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von Art. 652b Abs. 2 OR bedeutet nicht eo ipso, dass auch ein wichtiger Grund gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG bzw. Art. 34 Abs. 1 BEHV-EBK vorliegt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Funktion, Rechtsnatur und Bedeutung des Bezugsrechts nicht dieselben sind wie bei der Angebotspflicht. Das Bezugsrecht soll den Aktionär im Rahmen einer Kapitalerhöhung vor einer Kapital-, Gewinn- und Stimmrechtsverwässerung schützen ( Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3.A., Zürich/Basel/Genf 2004, § 2 N 273f.; Gaudenz G. Zindel/Peter R. Isler, in: Honsell et. al. eds., Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht II, Art. 530-1186 OR, 2.A., Basel 2002, N 2 zu Art. 652b OR). Schutzobjekt der Angebotspflicht gemäss Art. 32 BEHG ist hingegen das Vertrauen der (Minderheits)-Aktionäre in die Kontinuität der gegebenen Aktionärsstrukturen. Die Minderheitsaktionäre sollen im Falle der Übernahme der Kontrolle der Gesellschaft durch einen (neuen) Mehrheitsaktionär das Recht haben, aus der Gesellschaft auszusteigen (Ausstiegsrecht). Aus diesem Grund wird dem neuen kontrollierenden Aktionär die Pflicht auferlegt, den übrigen Aktionären ein öffentliches Angebot zu unterbreiten (BGE 130 II 530, E . 5.3.1., S. 545; Botschaft vom 24. Februar 1993 zu einem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel, Sonderdruck, S. 21; statt vieler Karl Hofstetter, in: Nedim Peter Vogt/Rolf Watter eds., Kommentar zum schweizerischen Kapitalmarktrecht, Basel 1999, N 2 f. zu Art. 32 BEHG). Im Gegensatz zur aktienrechtlichen Regelung in Art. 652b Abs. 2 OR (Bezugsrecht) gilt unter dem börsenrechtlichen Regime von Art. 32 BEHG bzw. Art. 34 BEHV-EBK (Angebotspflicht) die Übernahme von Unternehmen, Unternehmensteilen oder Beteiligungen nicht per se als wichtiger Grund, der eine Ausnahme rechtfertigen würde.

2.1.2 Des Weitern machen die Gesuchstellerinnen geltend, die beabsichtigte Transaktion führe nicht zu einer Benachteiligung der Minderheitsaktionäre. Damit verkennen die Gesuchstellerinnen die ratio legis der Angebotspflicht. Wie oben erörtert, soll die Angebotspflicht den (Minderheits)-Aktionären im Falle des Wechsels der Kontrolle an der Zielgesellschaft eine Ausstiegsmöglichkeit gewähren. In Art. 32 BEHG vermutet das Gesetz bei Überschreitung des massgeblichen Grenzwerts einen Kontrollwechsel , welcher grundsätzlich zu einem Pflichtangebot führt, und zwar auch ohne Nachweis eines zusätzlichen Nachteils für die Minderheitsaktionäre. Das Gesetz lässt nur in speziellen Situationen zu, dass trotz Kontrollwechsel kein Pflichtangebot gemacht werden muss, insbesondere in den Fällen von Art. 32 Abs. 2 lit. e BEHG (Sanierung), Art. 32 Abs. 3 BEHG (Schenkung, Erbgang, Erbteilung, eheliches Güterrecht oder Zwangsvollstreckung) und Art. 34 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK (Holdingübernahme).

Das System der Angebotspflicht geht demzufolge davon aus, dass ein Kontrollwechsel per se eine wesentliche Veränderung (Benachteiligung) der Stellung der Minderheitsaktionäre darstellt. Eine zusätzliche Verschlechterung ihrer Position muss nicht nachgewiesen werden. Im Gegenteil, die Einführung eines solchen zusätzlichen Kriteriums würde Sinn und Zweck der Angebotspflicht geradezu widersprechen. Es war keinesfalls die Intention des Gesetzgebers und wäre im Übrigen auch nicht zweckmässig, die (ökonomische) Entscheidung, ob eine zusätzliche Benachteiligung der Minderheitsaktionäre vorliegt, der Übernahmekommission oder einer anderen Behörde zu übertragen. Im Falle eines Kontrollwechsels, ist es einzig Aufgabe der Aktionäre, im Rahmen des Pflichtangebots zu beurteilen, ob sie den Wechsel der Kontrolle und eine allenfalls damit zusammenhängende Transaktion (vorliegend die Einbringung der Produktions-, Verarbeitungs- und Distributionsaktivitäten der bestehenden SCHMOLZ + BICKENBACH Gruppe mit rund 3'481 Mitarbeitern und 2.1. Mia. Umsatz als Sacheinlage in die S+B AG) als (ökonomisch) vorteilhaft betrachten oder nicht, und demnach, ob sie das Pflichtangebot annehmen wollen oder nicht. Demzufolge ist das von den Gesuchstellerinnen geltend gemachte Argument, es liege keine Benachteiligung der Aktionäre vor, unerheblich.

2.2 Gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG bzw. Art. 34 Abs. 1 BEHV-EBK kann ein angebotspflichtiger Erwerber in berechtigten Fällen von der Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots befreit werden. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn sich die Kontrollverhältnisse in Bezug auf die Zielgesellschaft nicht ändern (siehe Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts vom 2. Juli 2001 in Sachen Baumgartner Papiers Holding SA c. Übernahmekammer der Eidgenössischen Bankenkommission u.a., Erw. 5c; Empfehlung in Sachen Bank Sarasin & Cie vom 26. März 2002, Erw. 2.2; Empfehlung II in Sachen Afipa SA vom 13. Juli 2001, Erw. 2.3). Vorliegend ist also lediglich zu prüfen, ob die Kontrollverhältnisse bei der S+B AG – trotz Überschreiten des massgeblichen Schwellenwerts von 33 1/3% durch S+B KG – unverändert bleiben.

2.2.1 Wie bereits ausgeführt (s. oben Erw. 2.1), machen die Gesuchstellerinnen und die Zielgesellschaft im Wesentlichen geltend, dass kein Kontrollwechsel stattfinde, da die bestehende und intern unveränderte Gruppe S+B Stahlcenter AG / Gebuka Hauptaktionärin der S+B AG bleiben werde. Demnach könnten die neuen Aktionäre S+B KG und S+B Finanz AG die S+B AG nicht kontrollieren. Damit sei sowohl eine Ausnahme nach der Allgemeinklausel von Art. 32 Abs. 2 BEHG i.V.m. Art. 34 BEHV-EBK als auch eine Ausnahme gestützt auf Art. 34 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK möglich.

2.2.2 Der Ansicht der Gesuchstellerinnen und der Zielgesellschaft kann nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, dass sich die (Macht-)Verhältnisse innerhalb des Aktionärspools aufgrund der beabsichtigten Transaktion nicht verändern. Allerdings würde im vorliegenden Fall ein (indirektes) Poolmitglied seine Beteiligung ausserhalb des Aktionärspools massiv erhöhen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass – wie bereits erörtert (s. oben Erw. 1.2.2.3 f.) – der von der SBGE und somit vom Aktionärspool gehaltene Aktienanteil keinem der Poolmitglieder eindeutig zugeordnet, sondern gemeinsam kontrolliert werden kann. Daran würde sich aufgrund der beabsichtigen Transaktion nichts ändern. Hinzu kommt, dass die S+B KG als (indirektes) Poolmitglied (über die S+B Stahlcenter AG) dank ihrem Vetorecht das von der SBGE gehaltene Paket an S+B AG Aktien faktisch „neutralisieren“ kann, indem sie das Zustandekommen der vom ABV für die Vertretung der Aktienstimmen in der GV der S+B AG und für die Instruktion der Verwaltungsräte der S+B AG geforderten Einstimmigkeit verhindert. Dadurch kann sie mit dem ausserhalb des Aktionärspools gehaltenen Aktienanteils von 37% die S+B AG alleine kontrollieren, was aufgrund der heute bestehenden Verhältnisse nicht möglich ist. Dadurch findet bei der S+B AG eine Änderung der Kontrollverhältnisse statt.

2.2.3 Aufgrund des Erörterten ist – entgegen der Ansicht der Gesuchstellerinnen und der Zielgesellschaft – a uch eine Ausnahme gestützt auf Art. 34 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK ausgeschlossen. Einerseits kann vorliegend wirtschaftlich nicht wirklich von einer „anderen Person“ oder einer „anderen Gruppe“ gesprochen werden, da die im Rahmen der Umstrukturierung auf die S+B KG (10%) sowie auf die S+B Finanz AG (27%) zu übertragenden 37% an der S+B AG vollumfänglich der S+B KG zuzurechnen sind, welche wiederum indirekt Poolmitglied und somit Teil dieser „anderen Gruppe“ ist, welche formell über einen höheren Stimmenanteil verfügt. Hinzu kommt, dass – wie oben soeben erörtert – die S+B KG diesen formell von der SBGE gehaltenen höheren Stimmenanteil dank ihrem Vetorecht faktisch neutralisieren und mit dem neuen 37% Paket somit die Zielgesellschaft kontrollieren kann.

2.3 Abschliessend kann somit festgehalten werden, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG bzw. Art. 34 Abs. 1 oder Art. 34 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK nicht erfüllt sind.

3. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird gemäss Art. 23 Abs. 3 BEHG im Anschluss an ihre Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

4. Gebühr

In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird eine Gebühr erhoben. Der Ausschuss setzt die Gebühr auf CHF 20'000 fest. Die Gesuchstellerinnen haften hierfür solidarisch.


Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:

  1. Es wird festgestellt, dass die SCHMOLZ + BICKENBACH KG, Düsseldorf/DE im Falle einer Durchführung der geplanten Einbringung (mittels Sacheinlage) der SCHMOLZ + BICKENBACH Distributions GmbH durch die SCHMOLZ + BICKENBACH KG, Düsseldorf/DE und der SCHMOLZ + BICKENBACH France S.A.S durch die SCHMOLZ + BICKENBACH Finanz AG, Wil/SG, in die SCHMOLZ + BICKENBACH AG, Emmen, gegen Ausgabe von SCHMOLZ + BICKENBACH AG Aktien, verpflichtet ist, ein Angebot für alle kotierten Beteiligungspapiere der SCHMOLZ + BICKENBACH AG, Emmen, zu unterbreiten.
  2. Der Antrag um Gewährung einer Ausnahme von der Angebotspflicht gemäss Art. 32 Abs. 2 BEHG bzw. Art. 34 Abs. 1 oder Art. 34 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK wird abgelehnt.
  3. Die vorliegende Empfehlung wird im Anschluss an ihre Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.
  4. Die Gebühr zu Lasten der SCHMOLZ + BICKENBACH KG (Düsseldorf/DE) und der SCHMOLZ + BICKENBACH Finanz AG (Wil/SG) beträgt CHF 20'000, unter solidarischer Haftung.

 

Der Präsident:

Hans Rudolf Widmer

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.

 

Mitteilung an:

  • SCHMOLZ + BICKENBACH KG , durch ihren Vertreter
  • SCHMOLZ + BICKENBACH Finanz AG (Wil/SG) , durch ihren Vertreter
  • SCHMOLZ + BICKENBACH AG, Emmen, durch ihren Vertreter
  • Eidgenössische Bankenkommission