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Transaktionen

0131 - Lonza Group AG

Empfehlung in Sachen Lonza Group AG vom 7. Juni 2002

Anwendbarkeit des Meldeverfahrens gemäss Mitteilung Nr. 1 der UEK vom 28. März 2000 auf Aktienrückkauf der Lonza Group AG durch 100% beherrschte Tochtergesellschaft

A.
Die Lonza Group AG („Lonza“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Basel. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 55‘260‘070. Es ist eingeteilt in 55‘260‘070 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 1. Die Aktien sind an der SWX Swiss Exchange kotiert.

B.
Die Lonza Finance Limited („Lonza Finance“) ist eine von Lonza zu 100% kontrollierte Tochtergesellschaft mit Sitz in St. Helier, Jersey. Ihr ausgegebenes Kapital beträgt CHF 12’500, es ist eingeteilt in 12’500 Aktien mit je CHF 1 Nennwert. Die Lonza Finance wird am 10. Juni 2002 eine Wandelanleihe über CHF 300 Mio. auf Namenaktien der Lonza emittieren. Die Wandelanleihe ist von Lonza garantiert und soll an der SWX Swiss Exchange kotiert werden. Die Sicherstellung der Wandelanleihe soll durch ein öffentliches Kaufangebot von Lonza Finance auf max. 2’200’000 Namenaktien von Lonza, entsprechend 3.98% der Stimmen und des Kapitals von Lonza, erfolgen. Der öffentliche Rückkauf der Lonza Aktien durch Lonza Finance wird mit dem Erlös aus der Emission der Wandelanleihe finanziert. Lonza Finance offeriert pro Namenaktie Lonza CHF 120 netto. Das Angebot wird am 10. Juni 2002 veröffentlicht und wird vom 12. bis 25. Juni 2002 dauern.

C.
Am 4. Juni 2002 gelangten Lonza und Lonza Finance an die Übernahmekommission mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass das Angebot der Lonza Finance für weniger als 10% des Kapitals und der Stimmen der Lonza dem Meldeverfahren gemäss Ziff. III der Mitteilung Nr. 1 der UEK vom 28. März 2000 unterliege.

D.
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus den Herren Hans Caspar von der Crone (Präsident), Peter P. Hügle und Alfred Spörri gebildet.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Gleichbehandlung des indirekten Erwerbs eigener Aktien mit dem direkten Erwerb

1.1 Öffentlich angekündigte Kaufangebote für eigene Beteiligungspapiere unterstehen nach ständiger Praxis der Übernahmekommission den Bestimmungen des BEHG. Nach Prüfung des Angebots kann die Übernahmekommission die Gesellschaft von der Anwendung der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote freistellen, soweit Gleichbehandlung, Transparenz, Lauterkeit sowie Treu und Glauben gewährleistet sind und überdies keine Hinweise auf eine Umgehung des Börsengesetzes oder anderer Gesetzesbestimmungen vorliegen (Verfügung der EBK vom 4. März 1998 in Sachen Pharma Vision et. al., E. 3b). Gestützt auf die Mitteilung Nr. 1 der UEK vom 28. März 2000, die seit dem 1. September 2000 in Kraft ist, werden Aktienrückkäufe von mind. 2% bis max. 10% des Kapitals oder der Stimmrechte im sog. Meldeverfahren von den Bestimmungen des 5. Abschnitts des BEHG ausgenommen, soweit die Bedingungen gemäss den Ziff. III. 1-3 der Mitteilung erfüllt sind.

1.2 Im vorliegenden Fall wird nicht die Lonza selbst mittels öffentlichem Angebot eigene Aktien zurückkaufen, sondern ihre zu 100% beherrschte Tochter Lonza Finance, die auch die Wandelobligation emittiert hat, welche mit den erworbenen Aktien bedient werden soll. Für die Ausgabe der Wandelanleihe und den Aktienrückkauf von Lonza Finance sind gemäss den Gesuchstellern v.a. steuerliche Gründe massgebend, da die Emission durch eine ausländische Tochtergesellschaft weder der Eidgenössischen Verrechnungssteuer noch der Eidgenössischen Emissionsabgabe unterstehen würde. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass kein Rückfluss der durch die Emission aufgenommenen Mittel in die Schweiz erfolge. Falls die Mittel aus der von Lonza Finance emittierten Anleihe von Lonza benutzt würden, um eigene Aktien zurückzukaufen und diese zur Deckung der Wandelanleihe der Tochtergesellschaft zur Verfügung gestellt würden, könnten dies die Schweizerischen Steuerbehörden als „Rückfluss“ sehen, womit die steuerlichen Vorteile der Begebung der Wandelanleihe im Ausland dahinfielen. Aus diesen Gründen erfolge der Rückkauf über die Lonza Finance. Die von Lonza Finance zurückgekauften Aktien dienen ausschliesslich der Sicherstellung der Wandelanleihe.

1.3 Formal betrachtet stellt das öffentliche Angebot von Lonza Finance ein öffentliches Kaufangebot eines Dritten zum Erwerb von Aktien der Lonza dar, d.h. es liegt kein Erwerb eigener Aktien durch Lonza vor. Es stellt sich die Frage, ob dieser Erwerb von Lonza Aktien durch Lonza Finance als Rückkauf eigener Aktien durch Lonza betrachtet werden kann, wie dies von den Gesuchstellern vorgebracht wird.

1.4 Die Gesuchsteller machen geltend, dass der Rückkauf von Lonza Aktien über die zu 100% kontrollierte Tochtergesellschaft Lonza Finance wirtschaftlich einem direkten Erwerb durch Lonza gleichzustellen sei. Zur Begründung verweisen sie auf Bestimmungen des Börsengesetzes (Art. 20 und 32 Abs. 1 BEHG i.V.m. Art. 9 und 26 BEHV-EBK), des Aktienrechts (Art. 659b Abs. 1 OR) und des Steuerrechts (Art. 4 a VStG), welche allesamt Aktien der Muttergesellschaft, die von einer Tochtergesellschaft gehalten werden, als eigene Aktien der Mutter behandeln. Im vorliegenden Fall sei demzufolge der indirekte Erwerb von Lonza Titeln über die Lonza Finance als Kauf eigener Aktien von Lonza zu betrachten und als solcher mittels Meldeverfahren vom 5. Abschnitt des BEHG freizustellen. Im Übrigen entstünden den Angebotsempfängern durch die Abgabe des Rückkaufsangebots anstelle der Muttergesellschaft keinerlei Nachteile.

1.5 Im vorliegenden Fall würde eine rein formaljuristische Betrachtung (vgl. Ziff. 1.3) der zur Diskussion stehenden Transaktion den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Die Frage, ob der Kauf von Lonza Aktien durch Lonza Finance einem Rückkauf eigener Aktien durch Lonza gleichzustellen ist, ist vielmehr nach wirtschaftlichen Kriterien zu beantworten, wie sie dem Börsengesetz allgemein zugrunde liegen.

1.5.1 Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise eines Sachverhalts im Börsengesetz zeigt sich z.B. bei den Regeln über die Meldepflichten gemäss Art. 20 Abs. 1 BEHG. Gemäss dieser Bestimmung (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 BEHV-EBK) sind grundsätzlich die wirtschaftlich Berechtigten an direkt und indirekt erworbenen Beteiligungspapieren offenlegungspflichtig. Als indirekter Erwerb gilt nach Art. 9 Abs. 3 lit. b BEHV-EBK der Erwerb durch eine direkt oder indirekt beherrschte juristische Person. Überschreitet somit eine Tochtergesellschaft eines Emittenten einen Schwellenwert nach Art. 20 Abs. 1 BEHG durch den Kauf von Aktien der Muttergesellschaft, wird dieser Kauf offenlegungsrechtlich wie ein Kauf eigener Aktien durch die Muttergesellschaft behandelt, falls die Tochter im Sinne von Art. 9 Abs. 3 lit. b BEHV-EBK beherrscht wird.

1.5.2 Auch bei der Frage der Angebotspflicht stellt das BEHG auf den wirtschaftlich Berechtigten ab und verweist in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Bestimmungen über die Meldepflicht (vgl. Art. 32 Abs. 1 BEHG i.V.m. Art. 26 und 9 BEHV-EBK). Erwirbt eine von der Muttergesellschaft beherrschte Tochtergesellschaft eine die Angebotspflicht auslösende Beteiligung an einem kotierten Unternehmen, so wird grundsätzlich die Muttergesellschaft als wirtschaftlich Berechtigte angebotspflichtig.

1.5.3 Ebenso behandelt das Aktienrecht den Erwerb von Aktien der Muttergesellschaft durch eine Tochtergesellschaft, an der die Muttergesellschaft mehrheitlich beteiligt ist, gleichermassen wie den Erwerb eigener Aktien durch die Mutter (Art. 659b Abs. 1 OR).

1.5.4 Auch die Verrechnungssteuerbehörden behandeln den Erwerb von Aktien der Muttergesellschaft durch eine Tochtergesellschaft als Erwerb durch die Gesellschaft selbst (vgl. Ziff. 2.3. des Kreisschreibens Nr. 5 vom 19. August 1999 zu Art. 4 a VStG).

1.5.5 Gestützt auf diese Ausführungen ergibt sich, dass der indirekte Rückkauf von Aktien einer Muttergesellschaft durch eine zu 100% kontrollierte Tochtergesellschaft einem direkten Rückkauf durch die Muttergesellschaft gleichgestellt werden kann. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Kauf von Lonza Aktien durch die zu 100% kontrollierte Lonza Tochter Lonza Finance einen Erwerb eigener Aktien durch Lonza darstellt.

2. Rückkauf über Tochtergesellschaft im Meldeverfahren

2.1. Gestützt auf dieses Ergebnis und die Tatsache, dass die Übernahmekommission im Übrigen keinen Anlass hat anzunehmen, dass im vorliegenden Fall Gleichbehandlung, Transparenz, Lauterkeit sowie Treu und Glauben nicht gewährleistet sind, ist der Antrag der Gesuchsteller um Befreiung des Rückkaufs von den Bestimmungen des 5. Abschnitts des BEHG im Meldeverfahren gemäss der Mitteilung Nr. 1 der UEK vom 28. März 2000 gutzuheissen. Selbstverständlich gilt dies unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden Bedingungen der Mitteilung erfüllt sind.

2.2. Im Hinblick auf künftige Fälle indirekter Rückkäufe eigener Aktien durch kotierte Gesellschaften im Meldeverfahren bleibt Folgendes zu präzisieren: Mit dem Meldeverfahren sollen Aktienrückkäufe in einem einfachen und raschen Verfahren abgewickelt werden. Voraussetzung dazu ist, dass sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht klare Verhältnisse vorliegen. Aus diesem Grund kann ein indirekter Rückkauf von Aktien einer Muttergesellschaft nur dann im Meldeverfahren erfolgen, falls die Tochtergesellschaft, welche Aktien der Mutter erwirbt, direkt und zu 100% durch Letztere kontrolliert wird.

3. Veröffentlichung der Empfehlung

Die vorliegende Empfehlung wird gestützt auf Art. 23 Abs. 3 BEHG am Tag der Publikation des Rückkaufangebots, d.h. am 10. Juni 2002 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

4. Gebühr

In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für die vorliegende Empfehlung eine Gebühr in der Höhe von CHF 20’000 festgelegt. Für die effektive Freistellung des Rückkaufs im Meldeverfahren wird keine weitere Gebühr erhoben.


Gestützt auf diese Erwägungen erlässt die Übernahmekommission die folgende Empfehlung:

  1. Das Rückkaufsangebot der Lonza Finance Limited auf Lonza Group AG Namenaktien kann im Meldeverfahren gemäss Mitteilung Nr. 1 der UEK vom 28. März 2000 von der Anwendung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote freigestellt werden, falls die entsprechenden Bedingungen der Mitteilung erfüllt sind. 

  2. Die heutige Empfehlung wird am 10. Juni 2002 auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht. 

  3. Die Gebühr beträgt CHF 20’000.

 

Der Präsident:

Hans Caspar von der Crone


Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.


Mitteilung an:

  • die Lonza Group AG und die Lonza Finance Limited (durch ihren Vertreter),
  • die EBK.