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0294 - SIG Holding AG

Empfehlung III in Sachen SIG Holding AG vom 14. November 2006

Öffentliches Kaufangebot der Romanshorn S.A., Luxemburg, für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der SIG Holding AG, Neuhausen am Rheinfall – Gleichbehandlung

A.
Die SIG Holding AG („SIG Holding“ oder „Zielgesellschaft“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Neuhausen am Rheinfall. Ihr Aktienkapital beträgt CHF 39'000'000, aufgeteilt in 6'500'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 6 („SIG-Aktie(n)“). Die Namenaktien sind an der SWX Swiss Exchange kotiert.

B.
Die Romanshorn S.A. („Romanshorn“ oder „Anbieterin“) ist eine Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg. Sie wird gemeinsam beherrscht von Ferd AS, Lysaker, Norwegen [„Ferd“; Eigentümerin der Elopak AS, Spikkestad, Norwegen („Elopak“)] und von durch Tochtergesellschaften der CVC Capital Partners Group Sàrl, Luxemburg, beratenen Fonds („CVC“).

C.
Mit Medienmitteilung vom 24. September 2006 teilte der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft der Öffentlichkeit mit, dass die Anbieterin mit Schreiben vom 22. September 2006 gegenüber der Zielgesellschaft das Interesse bekundet habe, die Aktien der SIG Holding für einen Preis von CHF 325 bis CHF 350 zu übernehmen. Der Verwaltungsrat lehnte – gemäss Medienmitteilung – das geplante Angebot als zu tief ab. Der Verwaltungsrat wies zudem darauf hin, dass er bereits entschieden habe, neben CVC/Ferd auch weiteren Interessenten die Gelegenheit zu geben, eine Akquisition der SIG Holding sorgfältig zu prüfen. Der Verwaltungsrat werde daher in den kommenden Tagen die Modalitäten der Zulassung von potentiellen Kaufinteressenten zu einer „Due Diligence“ festlegen.

D.
Am 25. September 2006 kündigte die Romanshorn in den elektronischen Medien an, dass sie ein öffentliches Übernahmeangebot für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der SIG Holding unterbreiten werde („Voranmeldung“).

E.
Am 26. September 2006 erfolgte die landesweite Publikation der Voranmeldung, indem diese in mehreren Zeitungen in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht wurde. Als Preis des Angebots sind CHF 325 netto je SIG-Aktie vorgesehen.

F.
Die Übernahmekommission erliess am 26. Oktober 2006 eine Empfehlung betreffend die Voranmeldung und weitere mit dem öffentlichen Kaufangebot der Romanshorn zusammenhängende Fragen (vgl. Empfehlung I in Sachen SIG Holding AG – Voranmeldung vom 26. Oktober 2006; nachfolgend „Empfehlung I“). In ihrer Empfehlung hielt die Übernahmekommission unter anderem fest, dass die Zielgesellschaft der Romanshorn die Durchführung einer Due Diligence-Prüfung gewähren muss, sobald diese die für die Zulassung üblichen Verträge unterzeichnet bzw. akzeptiert hat (Empfehlung I, Erw. 5.2.2.2 f.). Weiter führte die Übernahmekommission aus, dass trotz Anspruchs der Anbieterin auf Durchführung einer Due Diligence-Prüfung der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft über Zeitpunkt, Umfang und Modalitäten der Due Diligence-Prüfung entscheidet. Die Übernahmekommission betonte aber, dass die Zielgesellschaft der Anbieterin auch dann eine Due Diligence-Prüfung gewähren muss, wenn sie diese während der Dauer des Angebots potentiellen Konkurrenten gewährt, selbst wenn diese nach Durchführung der Due Diligence-Prüfung kein Angebot unterbreiten (vgl. Empfehlung I, Erw. 5.2.2.3).

G.
Mit verfahrensleitender Anordnung vom 27. Oktober 2006 ordnete der Präsident der Übernahmekommission in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG Folgendes an:

„1. Die Zielgesellschaft wird aufgefordert, der Übernahmekommission alle bisher getroffenen Massnahmen darzulegen, die zur Durchführung des geplanten Bieterprozesses bzw. der angekündigten Due Diligence notwendig sind. Die getroffenen Massnahmen sind mit Zeitangaben zu versehen.

2. Die Zielgesellschaft wird aufgefordert, der Übernahmekommission sämtliche abgeschlossenen „Confidentiality Agreements“ in Kopie und ungeschwärzt einzureichen.

3. Die Zielgesellschaft wird aufgefordert, die Übernahmekommission über den gegenwärtigen Stand des „Bieterprozesses“ im Detail zu unterrichten.

4. Die Zielgesellschaft wird aufgefordert, den ganzen von ihr vorgesehenen „Bieterprozess“ im Detail unter Angabe jedes einzelnen konkret geplanten Verfahrensschrittes und des zeitlichen Ablaufs zu beschreiben (Bis wann müssen „non-binding offers“ vorliegen? Bis wann wird der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft Anbieter auswählen, die zur Due Diligence zugelassen werden? Wann soll spätestens die Due Diligence beginnen bzw. der Datenraum geöffnet werden? Wie lange wird der Datenraum offen sein? Etc.). Bestehende Process Letters oder Entwürfe davon sind der Übernahmekommission einzureichen.

5. Die Zielgesellschaft wird aufgefordert, der Übernahmekommission mitzuteilen, wann (an welchem Datum) sie die Anbieterin zur Durchführung einer Due Diligence zulassen wird.

6. Die Zielgesellschaft wird aufgefordert, die Übernahmekommission ab sofort laufend über den Stand des „Bieterprozesses“ zu informieren.

7. Die in Ziffer 1 bis 5 dieser Anordnung einverlangten Dokumente und Informationen sind der Übernahmekommission bis spätestens Dienstag, 31. Oktober 2006, 18.00 Uhr (Eingang in leserlicher Form per Fax) zuzustellen. Diese Frist ist nicht erstreckbar. Die in Ziffer 6 verlangten Informationen sind laufend und unverzüglich einzureichen.“

H.
Mit Eingabe vom 30. Oktober 2006 erhob die Zielgesellschaft Einsprache gegen Ziffer 1 bis 4 und Ziffer 6 der verfahrensleitenden Anordnung vom 27. Oktober 2006. Darin verlangte sie die Rücknahme der Ziffern 1 bis 4 und 6. Eventualiter sei über diese Punkte eine Empfehlung durch den zuständigen Ausschuss zu erlassen. Zur Beantwortung der in Ziffer 5 der verfahrensleitenden Anordnung anbegehrten Information teilte die SIG Holding der Übernahmekommission mit, die Anbieterin sei bereits zur Due Diligence-Prüfung zugelassen worden. Auf diese Eingabe wird – soweit erforderlich – in den Erwägungen eingegangen.

I.
Mit Eingabe vom 31. Oktober 2006 reichte die Zielgesellschaft ein Gesuch ein, mit folgendem Antrag:

„Es sei der Zielgesellschaft eine Ausnahme im Sinne von Art. 48 Abs. 2 UEV-UEK zu gewähren, indem ihr erlaubt wird, folgende Informationen nur Anbieterinnen offen zu legen, die nicht Konkurrentinnen der Zielgesellschaft sind, d.h. diese Informationen insbesondere der Romanshorn S.A. sowie anderen Personen, die mit der Zielgesellschaft in Konkurrenz stehen, vorzuenthalten:

- Verträge mit Kunden, Agenten und Distributoren;

- Sämtliche Dokumente und anderen Unterlagen zu den Produkten bzw. Projekten Plasmax, Asbofill und Combisafe, soweit diese Informationen über den genauen Stand der Forschung und Entwicklung dieser Produkte bzw. Projekte oder nicht öffentlich zugängliche Informationen über die zugrunde liegenden Technologien beinhalten;

- Weitere Dokumente und Unterlagen über Forschung und Entwicklung, soweit sich diese auf die laufenden Forschungsprojekte beziehen oder Detailinformationen über Produktionstechniken bzw. Produktionsanlagen beinhalten;

- Produktionskosten- und Margenanalysen und Informationen über den Preismix;

- Verträge mit Haupt-Lieferanten (Karton, PE, Aluminium); sowie

- Vertrag mit Tetra Laval betreffend den Verkauf der Simonazzi-Gruppe.“

Auf die Begründung der Zielgesellschaft zum Gesuch um Ausnahme gemäss Art. 48 Abs. 2 UEV-UEK wird – soweit erforderlich – in den Erwägungen eingegangen.

J.
Mit verfahrensleitender Anordnung vom 1. November 2006 wurde die Anbieterin aufgefordert, zu den Eingaben der Zielgesellschaft (vgl. lit. H und I) bis zum 3. November 2006 Stellung zu nehmen.

K.
Mit Empfehlung II vom 2. November 2006 äusserte sich die Übernahmekommission ablehnend zum Gesuch der Anbieterin, die 6-Wochen-Frist für die Publikation des Angebotsprospekts zu verlängern (vgl. Empfehlung II in Sachen SIG Holding AG – Fristerstreckungsgesuch vom 2. November 2006).

L.
Mit Eingabe vom 3. November 2006 reichte die Anbieterin fristgerecht ihre Stellungnahme zur Einsprache der Zielgesellschaft gegen die verfahrensleitende Anordnung vom 27. Oktober 2006 ein. Gleichentags und innert der angesetzten Frist ging auch ihre Stellungnahme zum Gesuch der Zielgesellschaft betreffend Gewährung einer Ausnahme gemäss Art. 48 Abs. 2 UEV-UEK ein. Auf diese Eingaben wird – soweit erforderlich – in den Erwägungen eingegangen.

M.
Zur Prüfung der vorliegenden Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus Herrn Hans Rudolf Widmer (Präsident), Frau Claire Huguenin und Herrn Thierry de Marignac gebildet.

Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Verfahrensleitende Anordnung vom 27. Oktober 2006

1.1 Formelles

1.1.1 Die Anbieterin macht in ihrer Stellungnahme geltend, dass gegen verfahrensleitende Anordnungen keine Rechtsmittel zugelassen seien, weshalb auf die Einsprache der Zielgesellschaft nicht einzutreten sei.

1.1.2 Die Übernahmekommission hat bereits festgehalten, dass es dem Ausschuss obliegt, zu entscheiden, ob er allfällige Anträge der Parteien in Sinne von „Einsprachen“ gegen verfahrensleitende Anordnungen sofort mittels einer vorgezogenen Empfehlung oder erst später im Rahmen einer ohnehin zu erlassenden Empfehlung behandeln will (vgl. Empfehlung II in Sachen Saurer AG – Angebotsprospekt vom 31. Oktober 2006, Erw. 12.3. Es erscheint vorliegend als angemessen, eine vorgezogene Empfehlung zu erlassen, da die Zielgesellschaft es ablehnte, die in der verfahrensleitenden Anordnung vom 27. Oktober 2006 zur Beurteilung der Einhaltung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote anbegehrten Informationen gegenüber der Übernahmekommission vollständig offenzulegen.

1.2 Materielles

1.2.1 Mit Eingabe vom 30. Oktober 2006 erhob die SIG Holding Einsprache gegen Ziffer 1 bis 4 und 6 der verfahrensleitenden Anordnung vom 27. Oktober 2006 (vgl. Sachverhalt lit. H), mit welcher der Präsident der Übernahmekommission die Zielgesellschaft in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG aufgefordert hatte, verschiedene Informationen und Dokumente hinsichtlich der zu gewährenden Due Diligence-Püfung einzureichen (vgl. Sachverhalt lit. G).

1.2.2. Die Zielgesellschaft macht in ihrer Eingabe im Wesentlichen geltend, dass Art. 23 Abs. 3 Satz 2 BEHG keine absolute Auskunftspflicht statuiere. Diese Bestimmung könne nur im Zusammenhang mit der in Art. 23 Abs. 3 BEHG umschriebenen Aufgabe der Übernahmekommission, nämlich die Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote im Einzelfall, verstanden werden. Eine Anordnung, Informationen herauszugeben, müsse zudem nicht nur gesetzmässig, sondern auch zweckmässig und verhältnismässig sein. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Die Zielgesellschaft führt ferner aus, die verfahrensleitende Anordnung könne auch nicht unter dem Titel der Gleichbehandlung gemäss Art. 48 UEV-UEK erlassen werden, denn diese Bestimmung komme vorliegend nicht zur Anwendung, da es gegenwärtig keine gleich zu behandelnden Anbieterinnen gäbe. Der Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 48 UEV-UEK gelte nur bei Vorliegen von konkurrierenden Angeboten. Bislang liege einzig ein Angebot bzw. eine Voranmeldung vor. Es gebe daher keinen Massstab, nach dem die Gleichbehandlung geprüft werden könne. Der Verkehr der Zielgesellschaft mit bloss potentiellen Bietern liege rechtlich ausserhalb des Regelungsbereichs von Art. 47 ff. UEV-UEK und falle damit nicht in die Zuständigkeit der Übernahmekommission.

1.2.3 Vorab ist festzuhalten, dass das Börsengesetz der Übernahmekommission in dessen Art. 23 Abs. 3 ausdrücklich die Befugnis einräumt, von den Anbietern und Zielgesellschaften alle Auskünfte und Unterlagen einzufordern, die sie für die Überprüfung der Gesetzmässigkeit eines öffentlichen Übernahmeangebots benötigt. Es liegt im Ermessen der Übernahmekommission zu entscheiden, welche (zusätzlichen) Informationen sie benötigt, um ihren gesetzlichen Auftrag (u.a. die Überprüfung der Gesetzmässigkeit sowie der übernahmerechtlichen Grundsätze der Lauterkeit, Transparenz und Gleichbehandlung) erfüllen zu können.

Zur Überprüfung der Einhaltung der Gleichbehandlung der Anbieterin gegenüber potentiellen Konkurrenzanbieterinnen durch die Zielgesellschaft ordnete die Übernahmekommission am 27. Oktober 2006 die Offenlegung umfangreicher Informationen und Unterlagen durch die Zielgesellschaft gegenüber der Übernahmekommission an. Solche Anordnungen werden durch den Präsidenten der Übernahmekommission regelmässig mittels verfahrensleitender Anordnung und in Anwendung von Art. 23 Abs. 3 BEHG erlassen.

1.2.4 Die verfahrensleitende Anordnung wurde getroffen, um die Einhaltung der Gleichbehandlungspflicht (Art. 48 Abs. 1 UEV-UEK) durch die Zielgesellschaft zu überprüfen.

Gemäss Art. 48 Abs. 1 UEV-UEK hat die Zielgesellschaft den Grundsatz der Gleichbehandlung gegenüber allen Anbieterinnen zu wahren und diesen insbesondere die gleichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft muss folglich den Offerenten in gleichem Umfang und in gleicher Weise die erforderlichen Aufschlüsse erteilen, damit diese unter denselben Voraussetzungen ihre Angebote abgeben können. Dadurch soll sichergestellt werden, dass nicht der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft, sondern die Angebotsempfänger über den Erfolg des jeweiligen Angebots entscheiden können.

Die Übernahmekommission hat im Zusammenhang mit der Gewährung einer Due Diligence-Prüfung bereits festgehalten, dass Art. 48 UEV-UEK analog auch im Verhältnis zwischen einer bestehenden Anbieterin und potentiellen Konkurrenzanbieterinnen gilt (vgl. Empfehlung I in Sachen Saia-Burgess Electronics Holding AG vom 15. Juli 2005, Erw. 2.11.3). Diesen Grundsatz hat sie denn auch in der Empfehlung I wiederholt (vgl. Empfehlung I, Erw. 5.2.2.3). Die Zielgesellschaft geht richtig in der Annahme, dass das Übernahmerecht bei Vorhandensein von bloss potentiellen Anbieterinnen nicht anwendbar ist und es der Zielgesellschaft in dieser Konstellation überlassen bleibt, wie sie das Verfahren mit den potentiellen Anbieterinnen gestalten möchte. Eine Pflicht zur Gleichbehandlung nach Art. 48 UEV-UEK besteht diesfalls – mangels Anwendbarkeit des Übernahmerechts – nicht. Sobald aber auch bloss eine einzige Anbieterin ihr Angebot veröffentlicht hat, wird das Übernahmeverfahren eröffnet. Es ist daher ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Belieben des Verwaltungsrats einer Zielgesellschaft, das Verfahren mit potentiellen Anbieterinnen derart zu gestalten, dass er eine unerwünschte Anbieterin durch gezielte Besserstellung potentieller Konkurrenzanbieterinnen benachteiligt. Diejenige Anbieterin, welche bereits ein verbindliches Angebot unterbreitet hat, fällt nämlich in den Anwendungsbereich des Übernahmerechts und kann sich somit auf den Gleichbehandlungsgrundsatz von Art. 48 UEV-UEK berufen, selbst wenn ihr bloss potentielle Konkurrentinnen, d.h. solche die noch kein verbindliches Angebot abgegeben haben, gegenüberstehen. Demgegenüber haben potentielle Konkurrenzanbieterinnen keinen Anspruch auf Gleichbehandlung gemäss Art. 48 UEV-UEK, solange sie kein verbindliches Angebot unterbreitet bzw. publiziert haben.

Folglich kann festgestellt werden, dass das Übernahmeverfahren durch die publizierte Voranmeldung der Anbieterin eingeleitet wurde, die SIG Holding die Anbieterin somit mit (potentiellen) Konkurrenzanbieterinnen im Rahmen dieses Übernahmeverfahrens gleich zu behandeln hat und die Übernahmekommission diesfalls für die Prüfung der Einhaltung der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote auch zuständig ist. Informationen jeglicher Art, welche potentiellen Interessenten zur Verfügung gestellt werden, sind daher dem Grundsatze nach auch der Anbieterin bereitzustellen.

1.2.5 Die SIG Holding hat einen „Bieterprozess“ initiiert, in welchem sie (potentiellen) Anbieterinnen die Durchführung einer Due Diligence-Prüfung ermöglichen will. Aufgrund der Tatsache, dass es sich vorliegend um ein Angebot handelt, welches der Verwaltungsrat ausdrücklich ablehnt und zudem in Bezug auf die Gleichbehandlung zwischen den Parteien Uneinigkeit besteht, ist eine Überwachung des Übernahmeverfahrens durch die Übernahmekommission gerade im vorliegend zu beurteilenden Fall von besonderer Bedeutung. Aufgrund dieser Umstände ist es erforderlich, dass sich die Übernahmekommission über den Ablauf, die Gleichbehandlung der Anbieterin und allfällige Verzögerungen im Rahmen der durchzuführenden Due Diligence-Prüfung selber ein Bild machen und so die Einhaltung der übernahmerechtlichen Grundsätze überprüfen kann. Die einverlangten Informationen und Offenlegungen sind daher notwendig und geeignet, die Einhaltung der Gleichbehandlung während des ganzen Übernahmeverfahrens laufend überprüfen zu können. Eine mildere, aber dennoch zielführende Massnahme steht der Übernahmekommission nicht zur Verfügung.

Die Behauptung der Zielgesellschaft, die Anzeigen gemäss Art. 34 UEV-UEK würden vollkommen für die Überwachung der Tätigkeit der Zielgesellschaft genügen, geht fehl. Art. 34 UEV-UEK dient nämlich der Überwachung von Abwehrmassnahmen, welche die Zielgesellschaft zu ergreifen gedenkt. Die in diesem Zusammenhang eingereichten Unterlagen sind nicht in jedem Fall geeignet und ausreichend, um daraus die Einhaltung der Gleichbehandlung ableiten zu können. Daher ist nicht sichergestellt, dass die Übernahmekommission sämtliche zur Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen über die öffentlichen Kaufangebote erforderlichen und geeigneten Informationen zur Verfügung hat.

Zur Befürchtung der Zielgesellschaft, dass durch die Einreichung der angeforderten Informationen gemäss verfahrensleitender Anordnung vom 27. Oktober 2006 der Anbieterin der gesamte „Bieterprozess“ und insbesondere die mit ihr in Konkurrenz stehenden möglichen anderen Anbieterinnen offengelegt würden, ist Folgendes auszuführen: Es ist zwar richtig, dass dem Grundsatze nach sämtliche Mitteilungen einer Partei an die Übernahmekommission auch der anderen Partei zuzustellen sind. Dies entspricht dem Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs jeder Partei. Jedoch kann die Übernahmekommission Mitteilungen auch „vertraulich“ entgegennehmen (vgl. Art. 59 Abs. 3 UEV-UEK) und diese – nach Abwägung der betroffenen Interessen – auch weiterhin als vertraulich behandeln. Es steht der Zielgesellschaft somit offen, ihre Eingaben vertraulich einzureichen und deren vertrauliche Handhabung zu begründen.

1.3 Schlussfolgerung

Zusammenfassend ist demzufolge festzuhalten, dass die in der verfahrensleitenden Anordnung vom 27. Oktober 2006 anbegehrten Informationen und Unterlagen für die Erfüllung der Überprüfungspflicht nach Art. 23 Abs. 3 BEHG erforderlich und geeignet sind. Die Zielgesellschaft wird demzufolge verpflichtet, die folgenden Informationen gegenüber der Übernahmekommission offenzulegen:

1. Darlegung aller bisher getroffenen Massnahmen, die zur Durchführung des geplanten Bieterprozesses bzw. der angekündigten Due Diligence notwendig sind. Die getroffenen Massnahmen sind mit Zeitangaben zu versehen.

2. Einreichung der ungeschwärzten Kopien sämtlicher abgeschlossenen „Confidentiality Agreements“.

3. Detaillierte Unterrichtung über den gegenwärtigen Stand des „Bieterprozesses“.

4. Detaillierte Beschreibung des ganzen von der Zielgesellschaft vorgesehenen „Bieterprozesses“ unter Angabe jedes einzelnen konkret geplanten Verfahrensschrittes und des zeitlichen Ablaufs (Bis wann müssen „non-binding offers“ vorliegen? Bis wann wird der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft Anbieter auswählen, die zur Due Diligence zugelassen werden? Wann soll spätestens die Due Diligence beginnen bzw. der Datenraum geöffnet werden? Wie lange wird der Datenraum offen sein? Etc.). Bestehende Process Letters oder Entwürfe davon sind der Übernahmekommission einzureichen.

5. Sofortige und laufende Information über den Stand des „Bieterprozesses“.


2. Gesuch um Gewährung einer Ausnahme gemäss Art. 48 Abs. 2 UEV-UEK

2.1 Die Zielgesellschaft beantragt in ihrem Gesuch, dass ihr eine Ausnahme im Sinne von Art. 48 Abs. 2 UEV-UEK zu gewähren sei, indem gewisse Informationen (vgl. Sachverhalt lit. I) nur Anbieterinnen offenzulegen seien, die nicht Konkurrentinnen der Zielgesellschaft seien. Die Zielgesellschaft macht im Wesentlichen geltend, bei direkten Konkurrentinnen sei ein überwiegendes Gesellschaftsinteresse und somit eine Ausnahme von der Gleichbehandlungspflicht gegeben. Die Elopak und ihre Gruppengesellschaften stünden mit der Zielgesellschaft und deren Gruppengesellschaften in direkter Konkurrenz, da sie in den gleichen Märkten tätig seien. Zudem würden sie um die gleichen Kunden werben. Für Nicht-Konkurrentinnen seien die genannten Informationen zur Durchführung einer Due Diligence absolut notwendig, für direkte Konkurrentinnen jedoch nicht.

2.2 Die Anbieterin führt in ihrer Stellungnahme zum Gesuch (vgl. Sachverhalt lit. L) demgegenüber zusammengefasst aus, es sei der Zielgesellschaft keine Ausnahme gemäss Art. 48 Abs. 2 UEV-UEK zu gewähren, da keine überwiegenden Gesellschaftsinteressen gegeben seien. Die Zielgesellschaft sei auf ihre Verlautbarungen, die sie im Rahmen des Übernahmeverfahrens bzw. im Zusammenhang mit dem am 25. September 2006 vorangemeldeten öffentlichen Kaufangebot getätigt habe, zu behaften. Die SIG Holding und die Anbieterin bzw. Elopak seien keine direkten Konkurrentinnen. Vielmehr würden sich ihre Geschäftsfelder ergänzen.

2.3 Gemäss Art. 48 Abs. 2 UEV-UEK ist e ine Ungleichbehandlung einzelner Anbieterinnen nur mit der Zustimmung der Übernahmekommission zulässig und nur, wenn die Zielgesellschaft ein überwiegendes Gesellschaftsinteresse nachweist. Für den Entscheid, ob ein überwiegendes Gesellschaftsinteresse gegeben ist, ist das geltend gemachte Gesellschaftsinteresse mit dem Interesse der Anbieterin auf Gleichbehandlung mit den übrigen Anbieterinnen abzuwägen.

Ein überwiegendes Interesse wird der Zielgesellschaft etwa dann zuzubilligen sein, wenn einer der konkurrierenden Anbieter ein direkter Wettbewerber der Zielgesellschaft ist (vgl. Tschäni/Oertle, Kommentar zum Schweizerischen Kapitalmarktrecht, N 6 zu Art. 30 BEHG).

2.4 Ob eine Anbieterin im Wettbewerb mit der Zielgesellschaft steht, entscheidet sich aufgrund (objektiver) Kriterien, die die Zielgesellschaft als Gesuchstellerin der Übernahmekommission grundsätzlich darzulegen hat. Erst in Kenntnis dieser Kriterien kann sich die Übernahmekommission ein abschliessendes Bild darüber machen, ob die von der Zielgesellschaft genannte Anbieterin und Elopak in Konkurrenz mit dieser stehen.

Vorliegend beschränkt sich die Zielgesellschaft darauf, darzulegen, dass die Anbieterin bzw. die Elopak „in gleichen Märkten tätig“ sind und sich im „Markt dauernd begegnen, und trotz teilweise verschiedener Technologien in diversen Bereichen um die gleichen Kunden werben“. Aus den Erwägungen des Gerichts erster Instanz der europäischen Gemeinschaften in Sachen Tetra Laval, Amsterdam, vom 25. Oktober 2002 (Rechtssache T-5/02) geht hervor, dass die SIG Holding und die Elopak zum damaligen Zeitpunkt im Wettbewerb zueinander standen. Prima facie sind diese Gesellschaften auch gegenwärtig im Markt für Getränke- und Nahrungsmittelverpackungen tätig. Di e SIG Holding und die Elopak werden von der Öffentlichkeit auch klar als Konkurrentinnen betrachtet. Insgesamt kann daher vorliegend davon ausgegangen werden, dass die Anbieterin und die Elopak zur Zielgesellschaft in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Wie die Erfahrung zeigt, kann aber das Verhältnis zwischen Konkurrenten und Nicht-Konkurrenten sehr schnell ändern.

2.5 Da sich das Gesuch der Zielgesellschaft auf sämtliche Konkurrentinnen bezieht, sie aber nur die Anbieterin und die Elopak namentlich nennt, ist sie aufzufordern, der Übernahmekommission sämtliche anderen Konkurrentinnen unter Namensnennung bekannt zu geben. Ferner wird die Zielgesellschaft darlegen müssen, aufgrund welcher objektiven Kriterien sie diese Dritten als Konkurrentinnen betrachtet (vgl. Erw. 2.4).

2.6 Ist festgestellt, dass die Anbieterin und die Elopak als Konkurrentinnen der Zielgesellschaft zu betrachten sind, stellt sich die Frage, in welchem Umfang der Anbieterin bzw. der Elopak Informationen der Zielgesellschaft vorzuenthalten sind. Eine Ungleichbehandlung kann nur hinsichtlich ganz spezifisch anzugebender Dokumente bzw. Informationen zulässig sein. Eine allgemeine Umschreibung des Geschäftsbereichs oder von Verträgen genügt diesbezüglich nicht. Insbesondere genügt der pauschale Hinweis auf „Informationen zu Forschung und Entwicklung sowie zu einzelnen Technologien“ oder „Produktkosten- und Margenanalysen und Informationen über die bei Lieferanten erzielten Konditionen“ nicht. Vielmehr hat die Zielgesellschaft die vorliegend in Frage kommenden Informationen und Dokumente einzeln und konkret zu bezeichnen sowie anzugeben, inwiefern die Herausgabe dieser Dokumente an die Konkurrentinnen die Zielgesellschaft in ihren Geschäftsgeheimnissen beeinträchtigt. Daraus folgt, dass gegenwärtig die Übernahmekommission weder für die Elopak noch für die Anbieterin abschliessend beurteilen kann, ob eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 48 Abs. 2 UEV-UEK hinsichtlich ihres Umfangs gerechtfertigt ist.

3. Publikation

Die vorliegende Empfehlung wird nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

4. Gebühr

In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 3 und 5 UEV-UEK wird aufgrund des verursachten Zusatzaufwandes eine Gebühr zulasten der SIG Holding erhoben. Der Ausschuss setzt die Gebühr auf CHF 20'000 fest.
 

Gestützt auf diese Erwägungen erlässt die Übernahmekommission die folgende Empfehlung:

  1. Es wird festgestellt, dass die SIG Holding AG, Neuhausen am Rheinfall, die Romanshorn S.A., Luxemburg, im vorliegenden Verfahren betreffend öffentliches Kaufangebot auch gegenüber potentiellen Konkurrenzanbieterinnen gleich zu behandeln hat.

  2. Die SIG Holding AG, Neuhausen am Rheinfall, wird verpflichtet, der Übernahmekommission bis am 24. November 2006, die folgenden Informationen und Unterlagen einzureichen:

    2.1 Darlegung aller bisher getroffenen Massnahmen, die zur Durchführung des geplanten Bieterprozesses bzw. der angekündigten Due Diligence notwendig sind. Die getroffenen Massnahmen sind mit Zeitangaben zu versehen.

    2.2 Einreichung der ungeschwärzten Kopien sämtlicher abgeschlossenen „Confidentiality Agreements“.

    2.3 Detaillierte Unterrichtung über den gegenwärtigen Stand des „Bieterprozesses“.

    2.4 Detaillierte Beschreibung des ganzen von der Zielgesellschaft vorgesehenen „Bieterprozesses“ unter Angabe jedes einzelnen konkret geplanten Verfahrensschrittes und des zeitlichen Ablaufs (Bis wann müssen „non-binding offers“ vorliegen? Bis wann wird der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft Anbieter auswählen, die zur Due Diligence zugelassen werden? Wann soll spätestens die Due Diligence beginnen bzw. der Datenraum geöffnet werden? Wie lange wird der Datenraum offen sein? Etc.). Bestehende Process Letters oder Entwürfe davon sind der Übernahmekommission einzureichen.

    2.5 Sofortige und laufende Information über den Stand des „Bieterprozesses“.

  3. Die SIG Holding AG, Neuhausen am Rheinfall, wird aufgefordert, der Übernahmekommission bis zum 20. November 2006,

    a) ihre Konkurrentinnen namentlich sowie

    b) die Kriterien, nach welchen sie eine Konkurrenz bejaht,

    bekannt zu geben.

  4. Die SIG Holding AG, Neuhausen am Rheinfall, wird aufgefordert, der Übernahmekommission die für die beantragte Ausnahme von Art. 48 UEV-UEK vorzuenthaltenden Informationen und Dokumente einzeln und konkret zu bezeichnen, sowie anzugeben, inwiefern die Herausgabe dieser Dokumente an die Romanshorn S.A., Luxemburg, bzw. die Elopak AS, Spikkestad, Norwegen, bzw. an Konkurrentinnen gemäss Ziffer 3 a) des Dispositivs die SIG Holding AG in ihren Geschäftsgeheimnissen beeinträchtigt ist.

  5. Die Empfehlung wird nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

  6. Die Gebühr zu Lasten der SIG Holding AG, Neuhausen am Rheinfall , beträgt CHF 20'000.

Der Präsident:

Hans Rudolf Widmer

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.

Mitteilung an:

  • SIG Holding AG , durch ihren Vertreter;
  • Romanshorn S.A., durch ihren Vertreter;
  • die Eidgenössische Bankenkommission;
  • die Prüfstelle (zur Kenntnisnahme).
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