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0384 - sia Abrasives Holding AG

Empfehlung I sia Abrasives Holding AG vom 3. Oktober 2008

Öffentliches Kaufangebot der Behr Deflandre & Snozzi BDS AG, Buchberg, für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der sia Abrasives Holding AG, Frauenfeld - Fristverlängerung und Koordination zwischen konkurrierenden Angeboten

A.                
Die sia Abrasives Holding AG (sia Abrasives oder Zielgesellschaft), ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Frauenfeld. Sia Abrasives entwickelt, produziert und vertreibt Schleifsysteme zur Bearbeitung von Oberflächen aller Art. Das im Handelsregister eingetragene Aktienkapital der sia Abrasives beträgt CHF 7'500'000, eingeteilt in 750'000 voll liberierte Namenaktien mit einem Nennwert von je CHF 10 (sia Abrasives-Aktie(n)). Zudem verfügt die sia Abrasives über ein bedingtes Kapital in Höhe von CHF 375'000, welches zur Ausgabe von maximal 37'500 Namenaktien berechtigt. Die sia Abrasives-Aktien sind an der SIX Swiss Exchange (SWX) im Hauptsegment kotiert (SWX: SIAN).

B.                
Die Behr Deflandre & Snozzi BDS AG (BDS oder Anbieterin 1), ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Buchberg. Sie handelt als Vertreterin der Anbietergruppe, bestehend aus der BDS, der Behr Bircher Cellpack BBC Industrie-Holding AG, Villmergen (BBC) und Herrn Prof. Dr. Giorgio Behr, Buchberg (als wirtschaftlich Berechtigter der juristischen Personen der Anbietergruppe). Die BBC ist mit insgesamt 187'415 Namenaktien als Aktionärin im Aktienbuch der sia Abrasives eingetragen (24.99% des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals). Zwischen dem 22. August 2008 und dem 25. August 2008 haben die Anbieter Vereinbarungen abgeschlossen, auf deren Grundlage insgesamt weitere 97'160 sia Abrasives-Aktien am 25. August 2008 erworben wurden. Die Anbieterin 1 und die weiteren Mitglieder der Anbietergruppe verfügten am 26. August 2008 vor Börsenbeginn zusammen somit über insgesamt 284'575 sia Abrasives Aktien, entsprechend knapp 38% der Stimmrechte (basierend auf dem aktuellen Eintrag im Handelsregister). Damit ist die Anbietergruppe bestehend aus Anbieterin 1, BBC und Prof. Dr. Giorgio Behr zur Unterbreitung eines Pflichtangebots nach Art. 32 BEHG verpflichtet.

C.                
Am 26. August 2008 erfolgte die landesweite Publikation der Voranmeldung in den elektronischen und am 27. August 2008 in den Printmedien. Darin ist ein Angebotspreis von CHF 385 in bar je sia Abrasives-Aktie vorgesehen.

D.               
Am 1. Oktober 2008 schloss BBC mit Scintilla AG, Solothurn (Scintilla oder Anbieterin 2), eine von der Robert Bosch GmbH, Deutschland, indirekt zu 100% beherrschte Gesellschaft, einen Aktienkaufvertrag betreffend den Kauf von 298'801 sia Abrasives-Aktien, entsprechend 39.8% des Aktienkapitals und der Stimmrechte der sia Abrasives, zu einem Preis von CHF 515 pro sia Abrasives-Aktie ab. Der Vollzug des Aktienkaufvertrages ist durch Bedingungen aufgeschoben.

E.                
Am 2. Oktober 2008 publizierte die Scintilla die elektronische Voranmeldung eines Angebots für alle sich im Publikum befindlichen sia Abrasives-Aktien. Darin ist ein Angebotspreis von CHF 435 netto in bar je sia Abrasives-Aktie vorgesehen.

F.                 
Mit Eingabe vom 2. Oktober 2008 beantragte die Anbieterin 1 eine Erstreckung der Frist zur Publikation ihres Angebotsprospekts: 

"Die Frist für die Veröffentlichung des Angebotes der Behr Deflandre & Snozzi BDS AG, Buchberg, für aIle sich im Publikum befindenden Namenaktien der sia Abrasives Holding AG, Frauenfeld, mit einem Nennwert von je CHF 10 sei bis zum Vollzug des Aktienkaufvertrages über 298'801 sia Abrasives Aktien an die Scintilla AG, Solothurn, oder - sofern zeitlich früher - bis das Konkurrenzangebot der Scintilla AG, Solothurn, für Zustandegekommen erklärt wird, zu verlängern."

Die Anbieterin 2 und die Zielgesellschaft teilten ebenfalls am 2. Oktober 2008 schriftlich mit, dass sie den Antrag unterstützen und dessen Gewährung begrüssen.

G.               
Zur Prüfung dieser Angelegenheit wurde ein Ausschuss bestehend aus den Herren Luc Thévenoz (Präsident), Henry Peter und Thierry de Marignac gebildet.


Die Übernahmekommission zieht in Erwägung:

1. Verlängerung der Frist zur Veröffentlichung des Angebots

1. Mit Datum vom 2. Oktober 2008 beantragte die Anbieterin 1 unter Zustimmung der Anbieterin2 und der Zielgesellschaft eine Verlängerung der Frist gemäss Art. 9 Abs. 1 UEV-UEK (vgl. Sachverhalt lit. F). Sie machte dabei im Wesentlichen geltend, eine Publikation des Angebotsprospektes durch den Erstanbieter, der die von ihm gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft verkauft habe, sei mit grundsätzlichen Zwecksetzungen des Börsengesetzes insofern nicht vereinbar, als ein transparenter und effizienter Übernahmevorgang behindert werde. Zudem führe der Aktienverkaufvertrag zwischen der BBC Group und Scintilla beim Vollzug auf Seiten der Erstanbieterin resp. der Anbietergruppe zum vollständigen "Verlust" der Aktionärseigenschaft gegenüber der sia Abrasives und gleichzeitig zum Unterschreiten der angebotspflichtigen Schwelle von 33 1/3%. Durch diese Fristverlängerung werde im Sinne der börsenrechtlichen Grundsätze von Lauterkeit und Transparenz eine unnötige Verwirrung der Aktionäre der sia Abrasives vermieden. Es werde verhindert, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft einen Andienungsentschluss fällen, bevor sie genauere Kenntnis über das Konkurrenzangebot hätten und über die wesentliche Frage, ob der Zweitanbieter bereits Mehrheitsaktionär der Zielgesellschaft sei.

2. Der Anbieter ist gemäss Art. 9 Abs. 1 UEV-UEK verpflichtet, innerhalb von sechs Wochen nach der Publikation der Voranmeldung ein Angebot zu veröffentlichen, das den Konditionen der Voranmeldung entspricht. Die Übernahmekommission kann diese Frist grundsätzlich verlängern. Ausdrücklich vorgesehen ist eine Fristerstreckung, wenn der Anbieter eine Bewilligung einer Behörde, insbesondere einer Wettbewerbsbehörde, einholen muss. Die Formulierung der Bestimmung ermöglicht der Übernahmekommission jedoch auch in anderen Fällen, die Frist zur Veröffentlichung eines Angebots zu erstrecken.

3. Die Anbieterin 1 ersucht in erster Linie um eine Fristverlängerung zur Publikation des Angebots bis zum Vollzug des Aktienkaufvertrages über 298'801 sia Abrasives Aktien an die Scintilla AG. Sie nennt in ihrem Gesuch jedoch keinen spätesten Zeitpunkt, zu dem dieser Aktienkaufvertrag vollzogen sein wird. Die Anbieterin 1 und die Anbieterin 2 haben es im gegenseitigen Einvernehmen grundsätzlich in der Hand, den Zeitpunkt des Vollzugs des Aktienkaufvertrags selbst zu bestimmen. Eine so unbestimmte und so weit in die Zukunft reichende Fristverlängerung zur Publikation des Angebots kann die Übernahmekommission grundsätzlich nicht gewähren.

4. Es ist zudem auch nicht auszuschliessen, dass der Vollzug des Aktienkaufvertrags (allenfalls bewusst) erst nach beendetem oder gar vollzogenem Angebot der Anbieterin 2 erfolgt. Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, ob die Veröffentlichung des Angebots der Anbieterin 1 nach bereits vollzogenem Angebot der Anbieterin 2 überhaupt noch sinnvoll resp. möglich erscheint. Materiell kommt diesem Gesuch somit die Wirkung eines Gesuchs um Widerruf des Angebots zu. Die Anbieterin1 behält sich denn auch ausdrücklich vor, das Erstangebot zu widerrufen resp. ein entsprechendes Gesuch bei der Übernahmekommission einzureichen. Ob ein Gesuch um Widerruf des Angebots der Anbieterin 1 zu einem späteren Zeitpunkt allenfalls behandelt resp. gutgeheissen werden kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht zu entscheiden. Es ist der Anbieterin 1 aber freigestellt, zum Widerruf ihres Angebots ein entsprechendes Gesuch bei der Übernahmekommission einzureichen. Allerdings ist an dieser Stelle festzuhalten, dass es sich beim Angebot der Anbieterin 1 um ein Pflichtangebot handelt.

5. Für die beantragte Fristverlängerung bis zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Konkurrenzangebots gilt grundsätzlich das oben Gesagte. Das Zustandekommen eines Angebots bedeutet insbesondere, dass die Angebotsfrist abgelaufen ist. Materiell stellt auch dieser Antrag nichts anderes als ein Gesuch um Widerruf des Angebots der Anbieterin 1 dar, da sie vor Ablauf des Angebots der Anbieterin 2 selbst kein Angebot veröffentlichen will. Nach Beendigung des Angebots der Anbieterin 2 erscheint es jedoch fraglich, ob das Angebot der Anbieterin 1 noch zu veröffentlichen wäre. Damit kann auf obige Erwägungen verwiesen werden.

6. Aufgrund obiger Ausführungen ist die beantragte Fristverlängerung gemäss Art. 9 Abs. 1 UEV-UEK nicht zu gewähren. Allerdings sind die Angebote so zu koordinieren, dass es insbesondere im Fall des Angebots der Anbieterin 1 nicht zu einer gemäss Art. 47 Abs. 4 UEV-UEK unzulässigen übermässig langen Angebotsdauer führen würde, da die beiden Angebote gleichzeitig zu enden haben.

2. Koordination zwischen konkurrierenden Angeboten

7. Art. 50 Abs. 1 UEV-UEK ist auch auf konkurrierende Voranmeldungen anzuwenden. Dies hat die automatische Verlängerung der ursprünglichen Frist zur Veröffentlichung des vorhergehenden Angebots bis zum Ablauf der Frist zur Veröffentlichung des konkurrierenden Angebots zur Folge. Vorhergehendes und konkurrierendes Angebot sind daher gleichzeitig zu veröffentlichen. Aufgrund von Art. 50 Abs. 1 UEV-UEK werden beide Angebote auch unabhängig von ihrer ursprünglich geplanten Dauer gleichzeitig ablaufen resp. enden.

8. Es liegt grundsätzlich im Interesse der Angebotsempfänger, die Publikation des Angebotsprospekts der Anbieterin 1 bis zur Publikation des Angebotsprospekts der Anbieterin 2 aufzuschieben. Durch den voraussichtlich gleichzeitigen Beginn und das gleichzeitige Ende der konkurrierenden Angebote haben die Angebotsempfänger das ihnen zustehende Wahlrecht zu beiden Angeboten sowie ebenfalls zu beiden Angeboten die vollständigen und notwendigen Informationen für ihren Entscheid. Für die Zielgesellschaft entstehen dadurch ebenfalls keine Nachteile.

9. Gemäss obigen Ausführungen wird die Frist der Anbieterin 1 zur Veröffentlichung ihres vorhergehenden Angebots bis zum Ablauf der Frist der Anbieterin 2 zur Veröffentlichung ihres konkurrierenden Angebots, dem 13. November 2008, längstens aber bis zur tatsächlichen Veröffentlichung des konkurrierenden Angebots verlängert, je nach dem was zuerst eintritt. Die Übernahmekommission behält sich jedoch vor, diese Frist aufgrund veränderter Umstände anzupassen, d.h. zu verlängern oder zu verkürzen.

3. Information der Öffentlichkeit

10. Die Anbieterin 1 hat die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass die Frist bis zur Veröffentlichung ihres Angebotsprospekts verlängert wurde. Die Fristverlängerung erfolgt bis zum 13. November 2008, längstens jedoch bis zur Publikation des Prospekts des konkurrierenden Angebots, je nach dem, was zuerst eintritt. Die Anbieterin 1 hat die Öffentlichkeit in analoger Anwendung von Art. 8 UEV-UEK spätestens am 6. Oktober 2008 in mindestens einem der bedeutenden elektronischen Medien vor Börsenbeginn darüber zu informieren. Die Information der Öffentlichkeit muss zudem innerhalb von drei Börsentagen in denjenigen Zeitungen in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht werden, in welchen die Voranmeldung publiziert wurde. Die Anbieterin hat in ihrer Information auf die vorliegende Empfehlung und auf deren Veröffentlichung unter www.takeover.ch zu verweisen.

4. Publikation

11. Die vorliegende Empfehlung wird nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

5. Gebühr

12. In Anwendung von Art. 23 Abs. 5 BEHG und Art. 62 Abs. 6 UEV-UEK wird für die Prüfung des vorliegenden Gesuchs der BDS eine Gebühr von CHF 20'000 erhoben.



Die Übernahmekommission erlässt folgende Empfehlung:

  1. Die Frist für die Veröffentlichung des Angebots der Behr Deflandre & Snozzi BDS AG für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der sia Abrasives Holding AG wird bis zum 13. November 2008, längstens jedoch bis zur Veröffentlichung des Angebots der Scintilla AG für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der sia Abrasives Holding AG, verlängert.

  2. Die Behr Deflandre & Snozzi BDS AG wird angewiesen, die Öffentlichkeit spätestens am 6.Oktober 2008 in mindestens einem der bedeutenden elektronischen Medien vor Börsenbeginn über die Verlängerung der Frist zur Veröffentlichung eines Angebots zu informieren. Die Information der Öffentlichkeit muss zudem innerhalb von drei Börsentagen in denjenigen Zeitungen in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht werden, in welchen die Voranmeldung publiziert wurde. Die Anbieterin hat in ihrer Information auf die vorliegende Empfehlung und auf deren Veröffentlichung unter www.takeover.ch zu verweisen.

  3. Diese Empfehlung wird nach Eröffnung an die Parteien auf der Website der Übernahmekommission veröffentlicht.

  4. Die Gebühr zu Lasten der Behr Deflandre & Snozzi BDS AG beträgt CHF 20'000.

 

Der Präsident:

Luc Thévenoz

 

Die Parteien können diese Empfehlung ablehnen, indem sie dies der Übernahmekommission spätestens fünf Börsentage nach Empfang der Empfehlung schriftlich melden. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern. Sie beginnt bei Benachrichtigung per Telefax zu laufen. Eine Empfehlung, die nicht in der Frist von fünf Börsentagen abgelehnt wird, gilt als von den Parteien genehmigt. Wenn eine Empfehlung abgelehnt, nicht fristgerecht erfüllt oder wenn eine genehmigte Empfehlung missachtet wird, überweist die Übernahmekommission die Sache an die Bankenkommission zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens.

 

Mitteilung an: 

  • sia Abrasives Holding AG (vertreten durch Schellenberg Wittmer Rechtsanwälte, Dr. Martin Lanz);
  • Behr Deflandre & Snozzi BDS AG (vertreten durch Bär & Karrer AG, Dr. Dieter Dubs);
  • Scintilla AG (vertreten durch Homburger AG, Heinz Schärer)
  • Eidgenössische Bankenkommission.